European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010NC00055.16B.1220.000
Spruch:
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Linz zurückgestellt.
Begründung
Die Antragstellerin brachte beim Landesgericht Linz zu AZ 31 Nc 15/16g einen Schriftsatz ein, den sie als „Nichtigkeitsklage § 529 ZPO“ bezeichnete und in dem sie unter anderem den Eintritt eines Schadens von 1 Mio EUR im Zusammenhang mit einem vom angerufenen Gericht geführten Insolvenzverfahren behauptete. Erkennbar wollte sie eine Schadenersatzforderung von 1 Mio EUR (auch) gegen die Insolvenzrichterin „als Privatperson“ geltend machen. Das Gericht qualifizierte die Eingabe als Versuch, Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich (Bund) als Rechtsträger der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu erheben, und legte den Akt dem Oberlandesgericht Linz im Sinn des § 9 Abs 4 AHG vor.
Das Oberlandesgericht Linz bestimmte mit Beschluss vom 20. 10. 2016 das Landesgericht Wels als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung der Eingabe, soweit darin Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden, sowie zur Verhandlung und Entscheidung über eine allfällige Amtshaftungsklage als zuständig. Es führte aus, § 9 Abs 4 AHG sei auch auf Fälle anzuwenden, in denen der Kläger zu erkennen gibt, er wolle den Anspruch gegen einen bestimmten Organwalter persönlich erheben. Ergebe sich klar, dass das belangte Organ die behaupteten Verfehlungen nur in Ausübung seiner Funktion begangen haben kann, erfordere es der Gesetzeszweck, auch in einem solchen Fall nach § 9 Abs 4 AHG vorzugehen.
Nach Zustellung dieses Beschlusses wandte sich die Antragstellerin mit einer (neuerlichen) Eingabe an das Oberlandesgericht Linz, in der sie – in weitgehend unverständlicher und unstrukturierter Formulierung – vor allem ihren Unmut über das Vorgehen im Insolvenzverfahren ausdrückt und unter anderem die Bestellung eines Sachwalters für den Insolvenzverwalter beantragt. Sie erwähnt auch den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz, ohne aber auf dessen Inhalt einzugehen. Weiters ist ihrem Vorbringen zu entnehmen, dass sie – ohne jegliche Begründung – Schadenersatz in Höhe von 1 Mio EUR nicht nur von der Insolvenzrichterin (und vom Insolvenzverwalter), sondern nun auch von den drei Mitgliedern des Senats des Oberlandesgerichts Linz, jeweils „als Privatperson“, begehrt.
Das Oberlandesgericht legte die Akten dem Obersten Gerichtshof vor. Die Eingabe sei allenfalls als Rekurs zu werten. Nachdem die Antragstellerin nun die Zahlung von 1 Mio EUR auch von den Mitgliedern des Senats begehrt, werde der Akt auch zur (allfälligen) Entscheidung über eine Delegierung (§ 9 Abs 4 AHG) vorgelegt.
Der erkennende Senat vermag dieser Qualifikation der Eingabe der Antragstellerin nicht beizutreten.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Einschreiterin hat in ihrer Eingabe zwar den Delegierungsbeschluss des Oberlandesgerichts Linz erwähnt, geht auf diesen jedoch inhaltlich in keiner Weise ein und behauptet insbesondere nicht dessen Unrichtigkeit. Es ist auch nicht erkennbar, in welcher Weise der Beschluss nach Ansicht der Antragstellerin allenfalls abgeändert werden sollte. Vielmehr erweckt ihre Vorgangsweise den Eindruck, dass die Zustellung des Beschlusses lediglich der Anlass dafür war, neuerlich ihrem Unmut über die Vorkommnisse im Insolvenzverfahren Ausdruck zu verleihen.
Es besteht keine Veranlassung, unter allen Umständen den (kaum erfolgversprechenden) Versuch zu unternehmen, einer solchen Eingabe einen verfahrensrechtlich bedeutsamen Sinn zu entnehmen, zumal auch nicht einmal andeutungsweise erkennbar ist, inwieweit die Antragstellerin durch die – gesetzmäßige (§ 9 Abs 4 AHG) – Bestimmung eines Prozessgerichts beschwert sein könnte. Da die Eingabe somit jedenfalls nicht als Rekurs zu qualifizieren ist, besteht für eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof kein Anlass.
2. Ähnliches gilt für die Annahme des vorlegenden Oberlandesgerichts, es habe allenfalls eine Delegierung durch den Obersten Gerichtshof zu erfolgen, werde doch nun Schadenersatz auch von den Mitgliedern des Senats 4 des Oberlandesgerichts Linz begehrt.
Sollte die Eingabe auch als (verbesserungsbedürftiger) Verfahrenshilfeantrag zur Erhebung von Amtshaftungsansprüchen oder (unzulässigerweise) von unmittelbaren Ersatzansprüchen gegen die entscheidenden Gerichtsorgane des Oberlandesgerichts zu qualifizieren sein, wäre sie in sinngemäßer Anwendung des § 44 JN (Judikaturnachweise [OLG Wien] bei M. Bydlinski in Fasching/Konecny ³ II § 65 ZPO Rz 3 und Mayr in Rechberger 4 § 44 JN Rz 2) dem nach § 9 Abs 1 AHG als zuständig in Betracht kommenden Prozessgericht zu übermitteln, da das Oberlandesgericht Linz, bei dem die Eingabe erhoben wurde, als Prozessgericht erster Instanz nicht in Frage kommt. (Erst) Der zuständige Gerichtshof erster Instanz wird zu beurteilen haben, wie mit der Eingabe weiter zu verfahren ist.
Sollten die Ausführungen im Vorlagebericht dahin zu verstehen sein, dass der Inhalt der nunmehrigen Eingabe möglicherweise als Ergänzung zur Eingabe im Verfahren zu 31 Nc 15/16g des Landesgerichts Linz angesehen werden könnte, wäre dem nicht beizutreten. Da auszuschließen ist, dass der von der Antragstellerin behauptete Schaden sowohl auf Vorkommnisse im Insolvenzverfahren als auch auf die nunmehrige Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz zurückzuführen ist, besteht kein Anlass von einer Anspruchsidentität auszugehen. Überhaupt ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie durch die Delegierungsentscheidung ein Schaden entstanden sein könnte.
Auch im Zusammenhang mit einer Delegierung ist daher der Oberste Gerichtshof – jedenfalls im derzeitigen Verfahrensstadium – zu einer Entscheidung nicht berufen. Angesichts des Inhalts und des Stils der Eingaben erscheint es zweckmäßig, vor deren weiteren formellen Behandlung das Ergebnis des Verfahrens zu AZ 14 P 166/16b des Bezirksgerichts Urfahr abzuwarten, in dem die allfällige Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird.
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