Spruch:
Der Ablehnungsantrag wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs wies zur AZ 6 N 515/97 mittels Beschlusses vom 27. Mai 1998 die Säumnisbeschwerde, die Aufsichtsbeschwerde und den Antrag des Betroffenen auf Ablehnung bestimmter Richter des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, auf Ablehnung des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien sowie den Antrag auf "entsprechende Maßnahmen gegen alle drei rechtsverweigernde(n) Gerichte" zurück.
Diese Entscheidung veranlaßte den Betroffenen, alle daran beteiligten Mitglieder des 6. Senats des Obersten Gerichtshofs mit Eingabe vom 30. Dezember 1998 abzulehnen. Werden die rein polemischen und beleidigenden Ausführungen des Betroffenen ausgeklammert, so reduziert sich die Begründung des Ablehnungsantrags auf die Behauptung, der zitierte Beschluß des 6. Senats sei sachlich unzutreffend.
Diesen Ablehnungsantrag legte der Vorsitzende des 6. Senats am 15. Februar 1999 dem zur Entscheidung über solche Anträge nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs berufenen 1. Senat mit der Erklärung vor, es werde "im Hinblick darauf, daß der Einschreiter einen Sachwalter zur Vertretung vor sämtlichen Behörden" habe, "von einer Äußerung der abgelehnten Richter vorläufig Abstand genommen".
Rechtliche Beurteilung
Der Ablehnungsantrag ist unzulässig.
Gemäß Art 92 Abs 1 B-VG ist der Oberste Gerichtshof die oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen. Er wird bei Ausübung der Gerichtsbarkeit zufolge § 5 OGHG in Senaten tätig. Hat ein solcher Senat in einer bestimmten Rechtssache entschieden, so ist dessen Entscheidung, die eine solche des Obersten Gerichtshofs als der höchsten Instanz ist, im innerstaatlichen Instanzenzug nicht mehr überprüfbar, sondern sie klärt die Rechtslage im entschiedenen Einzelfall endgültig.
Daraus folgt aber zwingend, daß der Senat des Obersten Gerichtshofs, der nach dessen Geschäftsverteilung über Ablehnungsanträge gegen bestimmte seiner Mitglieder abzusprechen hat, nicht kompetent ist, die Entscheidung eines anderen Senats des Obersten Gerichtshofs als Voraussetzung der Bejahung oder Verneinung einer allfälligen Befangenheit inhaltlich nachzuprüfen. Anderenfalls wäre derjenige Senat des Obersten Gerichtshofs, der über Ablehnungsanträge gegen bestimmte seiner Mitglieder zu erkennen hat, ein "Übersenat", der Entscheidungen anderer Senate dieses Gerichtshofs nachprüfend zu beurteilen hätte. Für eine solche Funktion existiert jedoch - wie schon dargelegt - keinerlei Rechtsgrundlage. Es ist daher unzulässig, dieses Nachprüfungsverbot unter Berufung auf das Ablehnungsrecht umgehen zu wollen.
Stützt daher ein Ablehnungswerber seine Behauptung, Mitglieder des Obersten Gerichtshofs seien befangen, - wie hier - ausschließlich darauf, sie hätten als Spruchkörper des Obersten Gerichtshofs in einer anderen, ihn betreffenden Rechtssache unrichtig entschieden, so ist ein solcher unzulässiger Ablehnungsantrag gemäß § 24 JN sofort zurückzuweisen, ohne daß eine vorherige inhaltliche Äußerung der abgelehnten Richter zu solchen Ablehnungsgründen zulässig wäre, weil sich eine solche nur mit Erläuterungen zur gefällten Vorentscheidung befassen könnte. Solche Erläuterungen verbietet aber die Endgültigkeit der Urteile und Beschlüsse des Obersten Gerichtshofs. Wegen des erörterten Nachprüfungsverbots könnten derartige Erläuterungen bei der Entscheidung über den Ablehnungsantrag auch gar nicht berücksichtigt werden.
Zu erörtern sind allerdings noch Fragen der Prozeßfähigkeit. Für den Betroffenen wurde ein Sachwalter bestellt, der ihn bei "Rechtsgeschäften aller Art" und "vor sämtlichen Ämtern, Behörden und Gerichten" zu vertreten hat (ON 862 des Pflegschaftsakts). Das entspricht inhaltlich dem Wirkungskreis des § 273 Abs 3 Z 3 ABGB. Soweit dieser Wirkungskreis reicht, sind geistig behinderte Personen als Betroffene prozeßunfähig (SZ 69/75) und stehen Kindern zwischen sieben und vierzehn Jahren gleich (1 Ob 513/96). Solche Personen können aber, wenn sie des Gebrauchs der Vernunft nicht gänzlich beraubt sind, zumindest im Sachwalterschaftsverfahren zur Wahrung ihrer Interessen in bestimmten Angelegenheiten selbst wirksam einschreiten (1 Ob 513/96).
Der Betroffene ist, wie der innere Zusammenhang seines Ablehnungsantrags belegt, des Gebrauchs seiner Vernunft nicht gänzlich beraubt. Der Ablehnungsantrag betrifft die über eine "Säumnisbeschwerde" zu fällende Entscheidung, der der prozessuale Wille des Betroffenen zugrundeliegt, letztlich die Voraussetzungen zur Einbringung einer Klage gegen seinen Sachwalter auf Bezahlung angeblich veruntreuter Sozialhilfegelder und Mietzinserlöse zu schaffen. Zur Vertretung dieser Interessen des Betroffenen wurde auch schon ein Kollisionskurator bestellt.
Zu klären ist daher, ob das selbständige Einschreiten des Betroffenen in der vorliegenden Ablehnungssache Anlaß für einen Sanierungsversuch durch Herbeiführung eines Vertretungsakts des Kollisionskurators sein kann.
Ist ein Ablehnungsantrag seiner Gründe wegen - wie hier - unzulässig, sodaß er zur Frage seines rechtlichen Schicksals keinerlei Beurteilungsspielraum eröffnet, so ist vor der Entscheidung darüber selbst dann kein Genehmigungsverfahren einzuleiten, wenn der Betroffene in der Ablehnungssache prozeßunfähig wäre und nur durch Erklärungen seines Vertreters wirksam handeln könnte. Es wäre vielmehr die Abwicklung eines Genehmigungsverfahrens nur dann erforderlich, wenn es nicht bloß um seiner selbst willen - also als reine Formsache - durchzuführen wäre; ein solches Verfahren hat dagegen zu unterbleiben, wenn bei sachlicher Beurteilung der Prozeßhandlung des Betroffenen ein anderer Vertretungsakt als deren Nichtgenehmigung gar nicht denkmöglich ist. Gerade eine solche Prozeßhandlung ist aber der hier zu beurteilende unzulässige Ablehnungsantrag des Betroffenen, der somit ohne weiteres Verfahren sofort zurückzuweisen ist, ohne daß noch dazu Stellung zu nehmen wäre, ob der Betroffene im Ablehnungsverfahren sonst nur durch seinen bestellten Vertreter handeln könnte. Derartige Erwägungen dürften schon der Entscheidung 3 N 505/98, die sich gleichfalls auf einen Ablehnungsantrag desselben Betroffenen bezieht und der kein Genehmigungsverfahren vorausging, gedanklich zugrundeliegen.
Es ist hier überdies an die durch die Lehre gebilligte Rechtsprechung zu erinnern, daß rechtsmißbräuchlich ständig wiederholte Ablehnungsanträge nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden müssen (EvBl 1989/18; zustimmend Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 1 zu § 24 JN; offenkundig zustimmend Fasching, LB2 Rz 165). Der Oberste Gerichtshof wird daher, sollte der Betroffene weitere Ablehnungsanträge derselben Art einbringen, darüber nicht mehr förmlich entscheiden.
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