OGH 17Os6/12d

OGH17Os6/12d18.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2012 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander E***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 16. Februar 2012, GZ 13 Hv 84/11g-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander E***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 iVm § 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. April 2011 gegen 1:30 Uhr in St. Pölten während seines Dienstes als Funksprecher in der Stadtleitstelle St. Pölten, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch eine hilfsbedürftige Person in ihrem „Recht auf Hilfeleistung durch die Sicherheitsbehörden“ (gemeint ersichtlich: mit auf Schädigung des Staates am Recht an der Ausübung der Hilfeleistungspflicht nach § 19 SPG gerichtetem Vorsatz; vgl US 6 f) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er trotz Kenntnis, dass unter Umständen ein Mensch Hilfe benötigen würde, es unterließ, für die Veranlassung der erforderlichen Hilfe oder zumindest die Feststellung einer allfälligen Gefahrenquelle zu sorgen, obwohl er gemäß § 19 Abs 2 SPG dazu als (Polizei-)Beamter einer Einsatzzentrale verpflichtet gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Behauptung, § 19 Abs 2 SPG enthalte bloß eine Ermächtigung zum Einschreiten und sehe „ein Handlungsermessen des Beamten vor“, orientiert sich nicht am Regelungsinhalt der zitierten Bestimmung (RIS-Justiz RS0116565), die - wie schon ihr Wortlaut unmissverständlich zum Ausdruck bringt - unter näher bezeichneten Umständen eine Handlungspflicht determiniert (Hauer/Keplinger, SicherheitspolizeiG4 § 19 Anm 1 und 10.1; Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht Rz 245 und 258 ff).

Soweit die Rüge argumentiert, aus der Schilderung von Klopfgeräuschen könne nicht ohne weiteres auf eine Gefahrensituation geschlossen werden, verfehlt sie den in den Feststellungen gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt, wonach die Anruferin dem Beschwerdeführer ausdrücklich mitgeteilt hat, sie glaube - weil im Haus drei behinderte Personen wohnten - dass jemand Hilfe benötige; Letzterer habe von der Möglichkeit gewusst, „dass sich jemand in Gefahr befindet und Hilfe benötigt“ (US 4 und 7). Weshalb das Aufhören der (nach den Konstatierungen mit Unterbrechungen zumindest eine Stunde andauernden) Klopfgeräusche in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein soll, bleibt unklar.

Schließlich behauptet die Rüge, die getroffenen Feststellungen würden den Schuldspruch wegen Missbrauchs der Amtsgewalt durch Unterlassung nicht tragen, ohne darzulegen, weshalb dies im Einzelnen so sei (RIS-Justiz RS0099620).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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