European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0170OS00010.16Y.1003.000
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II, demgemäß auch im Strafausspruch und im Kostenausspruch betreffend Pero K***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Pero K***** wird mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Jürgen Br***** (zu I) und Pero K***** (zu II iVm § 12 zweiter Fall StGB) jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben von 10. Juli 2007 bis 30. Juni 2008 in Wien
I/ Jürgen Br***** als Vertragsbediensteter des Finanzamtes Wien ***** (mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn) in 103, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen mit dem Vorsatz, dadurch den Bund an dessen Recht auf Einhebung der Normverbrauchsabgabe (kurz: NoVA) für importierte Fahrzeuge zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er „Freigaben in der VVO‑Genehmigungsdatenbank durchführte“ (gemeint: Zulassungssperren nach § 30a Abs 9a KFG aufhob), obwohl für die betroffenen Fahrzeuge die Entrichtung der NoVA nicht nachgewiesen worden war, wobei er durch die Taten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte;
II/ Pero K***** den Jürgen Br***** in 37 Fällen zu den in Punkt I des Schuldspruchs im angefochtenen Urteil beschriebenen strafbaren Handlungen bestimmt, indem er diesen telefonisch oder bei persönlichen Treffen aufforderte, zu den jeweiligen Fahrzeugkäufen ohne Entrichtung der NoVA die „Freischaltungen in der NOVA Genehmigungsdatenbank durchzuführen“, wobei er Jürgen Br***** die erforderlichen Daten mitteilte und ihm für jede „Freischaltung“ einen Bargeldbetrag von 100 bis 300 Euro übergab und insgesamt einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die vom Angeklagten Pero K***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 6 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Schuldspruch ein vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter Rechtsfehler (Z 9 lit a) zu dessen Nachteil anhaftet, der von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Bei Missbrauch der Amtsgewalt handelt es sich um ein Sonderdelikt, dessen Unrecht im Sinn des § 14 Abs 1 zweiter Satz StGB davon abhängt, dass der Beamte als Träger der „besonderen persönlichen Eigenschaften“ (Intraneus) in besonderer Weise – nämlich durch (zumindest bedingt) vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis – an der Tat mitwirkt. Gerade darauf muss sich das Wissen eines an der Tat beteiligten Extraneus (hier: des Bestimmungstäters) beziehen (RIS-Justiz RS0108964). Dies bringen die Feststellungen nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu lediglich, der Beschwerdeführer „wusste, dass der Zweitangeklagte in diesen Fällen die Freischaltung ohne Nachweis der NOVA‑Entrichtung und sohin entgegen der bestehenden gesetzlichen Regelungen und entgegen der ihm erteilten Weisungen, sohin unter Verletzung seiner amtlichen Befugnisse vornimmt, worauf es ihm auch ankam“ (US 10).
Der aufgezeigte Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs II, demgemäß auch des Strafausspruchs und des Kostenausspruchs betreffend Pero K***** bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht.
Darauf war Pero K***** mit seinen Rechtsmitteln zu verweisen.
Bleibt mit Blick auf das – ausschließlich gegen das Unterbleiben eines Ausspruchs nach § 44 Abs 2 StGB erstattete – Rechtsmittelvorbringen anzumerken, dass es sich beim Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes nach § 13 Abs 1 GewO 1994 entgegen der Ansicht des Erstgerichts um eine Rechtsfolge handelt, die nach § 44 Abs 2 StGB bedingt nachgesehen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0091618; zu den Voraussetzungen RIS‑Justiz RS0119774; Jerabek in WK 2 StGB § 44 Rz 6; Gruber/Paliege-Barfuß , GewO 7 § 13 Anm 1, 5 und 8 ff [mit Verweisen auf die Gesetzesmaterialien und die Rsp des VwGH]; ebenso Hanusch , Kommentar zur Gewerbeordnung § 13 Rz 1).
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