OGH 17Ob17/08m

OGH17Ob17/08m18.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Richard S*****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), im Verfahren über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. April 2008, GZ 2 R 211/07y-18, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 20. August 2007, GZ 14 Cg 162/06w-13, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 dahin auszulegen, dass ein Recht im Sinn dieser Bestimmung auch dann vorliegt,

a) wenn eine Marke ohne Absicht, sie für Waren oder Dienstleistungen zu nutzen, nur zu dem Zweck erworben wurde, die Registrierung einer mit einer - der deutschen Sprache entnommenen - Gattungsbezeichnung übereinstimmenden Domain in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung beantragen zu können?

b) wenn die der Domain-Registrierung zugrundeliegende und mit einer - der deutschen Sprache entnommenen - Gattungsbezeichnung übereinstimmende Marke von der Domain insofern abweicht, als die Marke Sonderzeichen enthält, die aus dem Domainnamen entfernt wurden, obwohl die Sonderzeichen einer Transkription zugänglich wären und deren Entfernung dazu führt, dass sich die Domain in einer die Verwechslungsgefahr ausschließenden Weise von der Marke unterscheidet?

2. Ist Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 dahin auszulegen, dass nur in den in Art 21 Abs 2 lit a bis c genannten Fällen ein berechtigtes Interesse vorliegt?

Für den Fall der Verneinung dieser Frage:

3. Liegt ein berechtigtes Interesse im Sinn des Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 auch dann vor, wenn der Domaininhaber die mit einer - der deutschen Sprache entnommenen - Gattungsbezeichnung übereinstimmende Domain für ein themenbezogenes Internetportal nutzen will?

Für den Fall der Bejahung der zu Punkt 1 und zu Punkt 3 gestellten Fragen:

4. Ist Art 21 Abs 3 VO (EG) 874/2004 dahin auszulegen, dass nur die in lit a bis e genannten Tatbestände eine Bösgläubigkeit im Sinne des Art 21 Abs 1 lit b VO (EG) 874/2004 begründen?

Für den Fall der Verneinung dieser Frage:

5. Liegt Bösgläubigkeit im Sinne des Art 21 Abs 1 lit b VO (EG) 874/2004 auch dann vor, wenn die Domain in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung aufgrund einer mit einer - der deutschen Sprache entnommenen - Gattungsbezeichnung übereinstimmenden Marke registriert wurde, die der Domaininhaber nur erworben hat, um die Registrierung der Domain in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung beantragen zu können und damit anderen Interessenten und allenfalls auch den Inhabern von Rechten an dem Zeichen zuvorzukommen?

II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung

I. Sachverhalt

Mit Verordnung (EG) 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004, ABl Nr. L 162 vom 30. 4. 2004, wurden allgemeine Regeln für die Top Level Domain „.eu" und allgemeine Grundregeln für die Registrierung festgelegt. Art 12 dieser Verordnung sieht eine gestaffelte Registrierung in drei zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen vor: Phase 1 („Sunrise-Periode 1", Anmeldung von Domains nur durch Inhaber oder Lizenznehmer früherer Rechte an registrierten nationalen oder Gemeinschaftsmarken sowie durch öffentliche Einrichtungen), Phase 2 („Sunrise-Periode 2", Anmeldung durch Inhaber jeglicher Art früherer Rechte) und allgemeine Registrierung („Landrush-Periode", allgemeine und unbeschränkte Anmeldung). In allen drei Perioden gilt im Verhältnis zwischen mehreren (berechtigten) Bewerbern um dieselbe Domain das zeitliche Zuvorkommen (first come first served).

Mit Entscheidung vom 21. 5. 2003 (ABl L 128 S 29) benannte die Kommission gemäß Art 3 Abs 1 der VO (EG) 733/2002 die in Brüssel ansässige Nonprofit-Organisation „European Registry for Internet Domains" (im Folgenden: EURid) als Register für die Organisation und Verwaltung der Top Level Domain „.eu". EURid übertrug die Durchführung von alternativen Streitbeilegungsverfahren (ADR-Verfahren, „alternative dispute resolution") im Sinne des Art 22 der VO (EG) 874/2004 dem in Prag ansässigen „Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik und der Landwirtschaftskammer der Tschechischen Republik" (im Folgenden: Tschechisches Schiedsgericht).

Die Klägerin betreibt Internetportale und vermarktet Produkte im Internet. Um in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung Domains anmelden zu können, beantragte sie beim schwedischen Markenregister erfolgreich die Registrierung von insgesamt 33 Gattungsbegriffen als Marken, und zwar jeweils unter Verwendung des Sonderzeichens „&" vor und nach bzw zwischen den einzelnen Buchstaben. Der Antrag der Klägerin vom 11. 8. 2005 betraf die Eintragung der Wortmarke „&R&E&I&F&E&N&" in der internationalen Klasse 9 (Sicherheitsgurte). Am 25. 11. 2005 wurde die Marke zu Eintragungsnummer 376729 registriert. Die Klägerin hatte nie die Absicht, diese Marke für Sicherheitsgurte zu verwenden, sondern ging gemäß einer Ankündigung von PricewaterhouseCoopers, einem von EURid mit der Prüfung von Domainanträgen beauftragten Unternehmen, davon aus, dass im Zuge einer Registrierung dieser Marke als Domain unter der Top Level Domain „.eu" in Anwendung der „Transkriptionsregel" die „&"-Zeichen entfernt werden und dadurch das Wort „Reifen" übrig bleibt, das ihrer Meinung nach als Gattungsbegriff markenrechtlich kaum zu schützen gewesen wäre.

Tatsächlich wurde für die Klägerin in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung, gestützt auf ihre schwedische Marke „&R&E&I&F&E&N&", die Domain „www.reifen.eu " registriert. Insgesamt erreichte die Klägerin die Registrierung von rund 180 Domains, die aus Gattungsbegriffen gebildet waren. Die Klägerin beabsichtigt, unter der Domain „www.reifen.eu " ein Internetportal für den Reifenhandel zu betreiben, hat aber für dessen Aufbau im Hinblick auf den anhängigen Prozess und das ihm vorangegangene Schiedsverfahren noch keine nennenswerten Vorbereitungshandlungen getroffen. Zum Zeitpunkt der Registrierung der Domain war der Beklagte der Klägerin nicht bekannt.

Der Beklagte ist Inhaber der am 10. 11. 2005 beim Benelux-Markenamt angemeldeten und am 28. 11. 2005 zu Registrierungsnummer 0779710 für die Klassen Cl 03 (Wasch- und Bleichmittel; ... Reinigungsmittel, insbesondere Nano-Partikel enthaltende Reinigungsmittel für Fensterscheiben) und Cl 35 (Dienstleistungen zur Unterstützung der Vermarktung derartiger Reinigungsmittel) eingetragenen Wortmarke „Reifen". Der Beklagte hat weiters am 10. 11. 2005 die Gemeinschaftswortmarke „Reifen" in der Klasse 3 (Mittel zum Reinigen von Fensterglasflächen und Oberflächen von Solaranlagen, insbesondere Mittel, welche Nano-Partikel enthalten) und in der Klasse 35 (Reinigung von Fensterglasflächen sowie Solaranlagen für Dritte) angemeldet. Er will unter dieser Marke „Reinigungsmittel für fensterglasähnliche Oberflächen" europaweit vermarkten, mit deren Entwicklung er das Unternehmen BERGOLIN GmbH & Co KG beauftragt hat; am 10. 10. 2006 lag schon eine Probe der Reinigungslösung I (REIFEN A) vor.

Der Beklagte bekämpfte die Registrierung der Domain „www.reifen.eu " für die Klägerin vor dem Tschechischen Schiedsgericht. Mit Entscheidung vom 24. 7. 2006 zu Fall Nr 00910 gab das Tschechische Schiedsgericht seiner Beschwerde statt, entzog der Klägerin die Domain „reifen" und übertrug sie auf den Beklagten. Das Schiedsgericht war der Auffassung, die in Schiedsverfahren gegen das Register (EURid) ergangene Rechtsprechung sei nach dem Grundsatz der Rechtsanalogie auch im vorliegenden Verfahren gegen den Domaininhaber zu berücksichtigen. Danach sei das in einer Marke enthaltene Zeichen „&" nicht zu entfernen, sondern zu transkribieren. Die Klägerin habe offensichtlich in einer Fülle von Fällen die technische Regel des Art 11 Unterabsatz 2 VO (EG) 874/2004 umgehen wollen. Sie sei daher bei der Registrierung der strittigen Domain bösgläubig gewesen.

II. Vorbringen und Anträge der Parteien

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 23. 8. 2006 - innerhalb der Frist des Art 22 Abs 13 der VO [EG] 874/2004 - eingebrachten Klage die Feststellung, wonach sie den Domainnamen „reifen" unter der Top Level Domain „.eu" nicht auf den Beklagten zu übertragen hat und ihr der Domainname „reifen" nicht zu entziehen ist; hilfsweise die Feststellung, dass die Entscheidung der Schiedskommission im Sinn des Art 22 der VO (EG) 874/2004 vom 24. 7. 2006, Fall Nr 00910, unwirksam ist; insbesondere die Feststellung, dass die Klägerin den Domainnamen „reifen" unter der Top Level Domain „.eu" nicht auf den Beklagten zu übertragen hat und ihr der Domainname „reifen" nicht zu entziehen ist.

Die Klägerin habe durch eine auf der Transkriptionsregel des Art 11 Unterabsatz 2 der VO (EG) 874/2004 aufbauende Anmeldung der schwedischen Marke „&R&E&I&F&E&N&" nur vorgegebene Regeln ausgenutzt, um sich eine möglichst gute Startposition in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung zu verschaffen. Diese Absicht sei nicht „böse" im Sinne des Art 21 der VO (EG) 874/2004 oder sonst rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin verfüge über eine eingetragene Marke, auf deren Basis sie nach dem Prinzip „first come first served" die Domain „www.reifen.eu " erlangt habe. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Gattungsbezeichnung „Reifen", weil sie unter diesem Begriff ein themenbezogenes Internetportal errichten wolle. Eine solche Verwendung des strittigen Domainnamens führe die Internetnutzer nicht in die Irre und schaffe auch nicht die Gefahr einer Verwechslung mit anderen Unternehmen oder Produkten. Die Klägerin habe „reifen.eu" auch nicht deshalb registrieren lassen, um den Beklagten in seinem Webauftritt zu behindern, zumal sie dessen Tätigkeit und dessen angebliches Produkt überhaupt nicht gekannt habe. Die Anzahl der von ihr registrierten Marken und Domains sowie deren Nutzung seien für den vorliegenden Fall ohne Belang. Die gestaffelte Registrierung habe ausschließlich dem Schutz der Inhaber älterer Rechte gedient, jedoch nicht darauf abgezielt, dass Gattungsbegriffe erst in der Phase der allgemeinen Registrierung angemeldet werden. Es habe daher nichts dagegen gesprochen, auch schon in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung Gattungsbegriffe als Domains anzumelden. Diese Möglichkeit sei jedem Interessenten gleichermaßen offengestanden, so auch dem Beklagten. Art 11 Unterabsatz 2 VO (EG) 874/2004 sei nicht unrichtig angewendet worden, weil die drei darin aufgezählten Alternativen (gänzliche Entfernung, Ersetzung durch Bindestriche oder Transkription) gleichwertig seien und die Wortfolge „falls möglich" lediglich bedeute, dass die dritte Alternative nicht immer funktioniere.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe die Absicht der VO (EG) 874/2004 , die systematische Massenregistrierung von Domains zu verhindern und die Registrierung begehrter Gattungsbegriffe erst in der Phase der allgemeinen Registrierung zu ermöglichen, missbräuchlich und in böser Absicht umgangen, indem sie massenhaft nicht für die Verwendung im Geschäftsverkehr bestimmte „Pseudo-Marken" habe eintragen lassen, um auf deren Basis bereits in der für Inhaber älterer Markenrechte reservierten ersten Phase der gestaffelten Registrierung generische Domains beantragen und diese sodann im Wege von Internetportalen vermarkten zu können. Sie habe damit als Domain Grabber gehandelt und eine absehbare Fehlauslegung des Art 11 Unterabsatz 2 VO (EG) 874/2004 - richtigerweise hätte das Sonderzeichen „&" nicht entfernt werden dürfen, sondern transkribiert werden müssen - gezielt ausgenutzt. Es liege deshalb eine Registrierung in böser Absicht gemäß Art 21 Abs 1 lit b VO (EG) 874/2004 vor. Eine nur zum Zweck der bevorrechtigten Registrierung einer Domain beantragte „Pseudo-Marke" sei kein älteres Recht im Sinne des Art 10 Abs 1 der VO (EG) 874/2004 , so dass der Entzug der Domain auch auf Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 gestützt werden könne.

III. Bisheriges Verfahren

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil in der Hauptsache.

Die Klägerin bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichts mit außerordentlicher Revision an den Obersten Gerichtshof.

IV. Gemeinschaftsrecht

Die VO (EG) 874/2004 lautet auszugsweise:

KAPITEL IV

GESTAFFELTE REGISTRIERUNG

Artikel 10

Antragsberechtigte und registrierbare Namen

(1) Nur die Inhaber früherer Rechte, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, sowie öffentliche Einrichtungen sind berechtigt, Domänennamen während einer Frist für gestaffelte Registrierung zu beantragen, bevor die allgemeine Registrierung für die Domäne „.eu" beginnt.

„Frühere Rechte" sind unter anderem registrierte nationale und Gemeinschaftsmarken, geografische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen sowie auch - sofern sie nach dem einzelstaatlichen Recht des jeweiligen Mitgliedstaats geschützt sind - nicht eingetragene Marken, Handelsnamen, Geschäftsbezeichnungen, Unternehmensnamen, Familiennamen und charakteristische Titel geschützter literarischer oder künstlerischer Werke.

[...]

(2) Die Registrierung aufgrund eines früheren Rechts besteht in der Registrierung des vollständigen Namens, für den das frühere Recht besteht, in Übereinstimmung mit den schriftlichen Unterlagen, durch die dieses Recht nachgewiesen wird.

[...]

Artikel 11

Sonderzeichen

Soweit bei der Registrierung vollständiger Namen, Namen aus mehreren, durch Leerzeichen getrennten Wörtern oder Wortteilen bestehen, gelten die vollständigen Namen als identisch mit denselben Namen, deren Bestandteile mittels Bindestrich durchgekoppelt oder ohne Leerzeichen zusammengefügt werden.

Enthält ein Name, für den frühere Rechte beansprucht werden, Sonderzeichen sowie Leer- und Interpunktionszeichen, so werden diese aus dem entsprechenden Domänennamen entweder ganz entfernt, durch Bindestriche ersetzt oder, falls möglich, transkribiert.

In Unterabsatz 2 genannte Sonderzeichen und Interpunktionszeichen umfassen insbesondere die Folgenden:

~ @ # $ % ^ & * ( ) + = < > { } [ ] | \ /: ; ' , . ?

[...]

Artikel 12

Grundsätze für die gestaffelte Registrierung

(1) Die gestaffelte Registrierung beginnt nicht vor dem 1. Mai 2004 und erst nachdem die Anforderungen in Artikel 6 Absatz 1 erfüllt sind und die Frist in Artikel 8 abgelaufen ist.

Das Register gibt den Termin für den Beginn der gestaffelten Registrierung mindestens zwei Monate vorher öffentlich bekannt und unterrichtet alle zugelassenen Registrierstellen entsprechend.

Das Register veröffentlicht auf seiner Website zwei Monate vor Beginn der gestaffelten Registrierung eine ausführliche Beschreibung aller getroffenen technischen und administrativen Maßnahmen und gewährleistet eine ordnungsgemäße, faire und technisch solide Abwicklung der gestaffelten Registrierung.

(2) Die gestaffelte Registrierung erstreckt sich über einen Zeitraum von vier Monaten. Die allgemeine Registrierung von Domänennamen beginnt erst nach dem Abschluss der gestaffelten Registrierung.

Die gestaffelte Registrierung besteht aus zwei Phasen mit einer Dauer von je zwei Monaten.

In der ersten Phase der gestaffelten Registrierung dürfen nur registrierte nationale und Gemeinschaftsmarken, geografische Angaben und die in Artikel 10 Absatz 3 genannten Namen und Abkürzungen von den Inhabern oder Lizenznehmern früherer Rechte sowie von den in Artikel 10 Absatz 1 genannten öffentlichen Einrichtungen zur Registrierung angemeldet werden.

In der zweiten Phase der gestaffelten Registrierung dürfen die Namen, die schon in der ersten Phase registriert werden dürfen, sowie Namen, auf die sonstige frühere Rechte bestehen, von den Inhabern der Rechte an diesen Namen, zur Registrierung angemeldet werden.

[...]

(6) Für die Beilegung von Streitigkeiten in Bezug auf Domänennamen gelten die Bestimmungen in Kapitel VI.

[...]

KAPITEL VI

WIDERRUF UND STREITBEILEGUNG

[...]

Artikel 21

Spekulative und missbräuchliche Registrierung

(1) Ein Domänenname wird aufgrund eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahrens widerrufen, wenn er mit einem anderen Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt, für den Rechte bestehen, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, darunter die in Artikel 10 Absatz 1 genannten Rechte, und wenn dieser Domänenname

a) von einem Domäneninhaber registriert wurde, der selbst keinerlei Rechte oder berechtigte Interessen an diesem Domänennamen geltend machen kann, oder

b) in böser Absicht registriert oder benutzt wird.

(2) Ein berechtigtes Interesse im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a) liegt vor, wenn

a) der Domäneninhaber vor der Ankündigung eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens den Domänennamen oder einen Namen, der diesem Domänennamen entspricht, im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren oder Dienstleistungen verwendet hat oder nachweislich solche Vorbereitungen getroffen hat;

b) der Domäneninhaber ein Unternehmen, eine Organisation oder eine natürliche Person ist, die unter dem Domänennamen allgemein bekannt ist, selbst wenn keine nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannte oder festgelegte Rechte bestehen;

c) der Domäneninhaber den Domänennamen in rechtmäßiger und nichtkommerzieller oder fairer Weise nutzt, ohne die Verbraucher in die Irre zu führen, noch das Ansehen eines Namens, für den nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannten oder festgelegten Rechte bestehen, zu beeinträchtigen.

(3) Bösgläubigkeit im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn

a) aus den Umständen ersichtlich wird, dass der Domänenname hauptsächlich deshalb registriert oder erworben wurde, um ihn an den Inhaber eines Namens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder an eine öffentliche Einrichtung zu verkaufen, zu vermieten oder anderweitig zu übertragen;

b) der Domänenname registriert wurde, um zu verhindern, dass der Inhaber eines solchen Namens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder eine öffentliche Einrichtung diesen Namen als entsprechenden Domänennamen verwenden kann, sofern:

i) dem Domäneninhaber eine solche Verhaltensweise nachgewiesen werden kann; oder

ii) der Domänenname mindestens zwei Jahre lang ab der Registrierung nicht in einschlägiger Weise genutzt wurde; oder

iii) der Inhaber eines Domänennamens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder der dem Namen einer öffentlichen Einrichtung entspricht, zu Beginn eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens seine Absicht erklärt hat, diesen Domänennamen in einschlägiger Weise zu nutzen, dies jedoch innerhalb von sechs Monaten nach dem Beginn des Streitbeilegungsverfahrens nicht getan hat;

c) der Domänenname hauptsächlich registriert wurde, um die berufliche oder geschäftliche Tätigkeit eines Wettbewerbers zu stören; oder

d) der Domänenname absichtlich benutzt wurde, um Internetnutzer aus Gewinnstreben auf eine dem Domäneninhaber gehörende Website oder einer anderen Online-Adresse zu locken, indem eine Verwechslungsgefahr mit einem Namen, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder mit dem Namen einer öffentlichen Einrichtung geschaffen wird, wobei sich diese Verwechslungsmöglichkeit auf den Ursprung, ein Sponsoring, die Zugehörigkeit oder die Billigung der Website oder Adresse des Domäneninhabers oder eines dort angebotenen Produkts oder Dienstes beziehen kann; oder

e) der registrierte Domänenname der Name einer Person ist und keine Verbindung zwischen dem Domäneninhaber und dem registrierten Domänennamen nachgewiesen werden kann.

(4) Niemand kann sich auf die Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 berufen, um die Geltendmachung von Ansprüchen nach nationalem Recht zu behindern.

Artikel 22

Alternatives Streitbeilegungsverfahren

(13) Das Ergebnis der alternativen Streitbeilegung ist für alle Parteien und das Register verbindlich, wenn nicht innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Zustellung der Entscheidung an die Parteien vor Gericht Klage erhoben wird.

Rechtliche Beurteilung

V. Vorlagefragen

1. Die Entscheidung über die Klage hängt davon ab, ob die Klägerin ihre Anmeldung der Domain „www.reifen.eu " auf ein Recht oder berechtigte Interessen an diesem Domainnamen iSd Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 stützen kann. Die Klägerin beruft sich auf ihr Recht an der schwedischen Marke „&R&E&I&F&E&N&" und sie macht geltend, berechtigte Interessen zu haben, weil sie die Domain für ein themenbezogenes Internetportal nutzen will.

2. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Klägerin die Marke nur registrieren lassen, um die Registrierung der Domain bereits in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung beantragen zu können. Sie hat die - der deutschen Sprache entnommene - Gattungsbezeichnung „Reifen" durch das „&"-Zeichen am Wortanfang und am Wortende und zwischen den einzelnen Buchstaben „verfremdet", weil sie gemeint hat, andernfalls die Registrierung der Gattungsbezeichnung „Reifen" als Marke für Sicherheitsgurte nicht zu erreichen. Die Klägerin beabsichtigt nicht, Waren oder Dienstleistungen unter ihrer schwedischen Marke zu vertreiben.

Die Klägerin verfügt daher zwar über ein schwedisches Markenrecht; es stellt sich aber die Frage, ob der in Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 verwendete Begriff „Recht" vertragsautonom dahin auszulegen ist, dass darunter nur ein Recht zu verstehen ist, an dem der Rechteinhaber ein von der Vergabe der eu-Domains unabhängiges Interesse besitzt und das er daher nicht bloß zu dem Zweck erworben hat, eine bessere Ausgangsposition bei der Vergabe der eu-Domains zu erreichen.

Bei der Beantwortung dieser Frage ist der Zweck der gestaffelten Registrierung zu berücksichtigen. Damit sollte offenbar Domain Grabbing verhindert werden. Dieser Zweck ist nicht gefährdet, wenn eine Gattungsbezeichnung als Domain registriert wird, weil daran (jedenfalls im jeweiligen Sprachgebiet) regelmäßig keine Sonderrechte bestehen.

3. Die zugunsten der Klägerin registrierte Domain stimmt jedoch nicht mit der (Wort-)Marke überein. Anders als die Marke enthält sie das „&"-Zeichen nicht. Grund dafür ist Art 11 Unterabsatz 2 VO (EG) 874/2004 , wonach Sonderzeichen nicht in die Domain aufzunehmen sind, sondern „aus dem entsprechenden Domänennamen entweder ganz entfernt, durch Bindestriche ersetzt oder, falls möglich, transkribiert" werden. Die Registrierungsstelle hat das „&"-Zeichen nicht transkribiert, obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre. Die Entfernung hat dazu geführt, dass sich die Domain in einer die Verwechslungsgefahr ausschließenden Weise von der Marke unterscheidet. Hätte ein Dritter die Domain erworben, griffe sie daher auch dann nicht in die Markenrechte der Klägerin ein, wenn der Dritte die Domain im Zusammenhang mit Waren verwendete, für die die Marke geschützt ist.

Damit stellt sich die Frage, ob sich der Domaininhaber auf ein Recht im Sinne des Art 21 Abs 1 lit a VO (EG) 874/2004 berufen kann, wenn die Domain nicht mit der zugrundeliegenden Wortmarke übereinstimmt, weil die Sonderzeichen nicht transkribiert wurden, obwohl dies möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hätte das „&"-Zeichen durch „et" transkribiert werden können.

Für eine Verneinung dieser Frage spricht, dass die Domain die Marke nicht wiedergibt und daher auch kein schützenswertes Interesse des Markeninhabers besteht, eine solche Domain zu erhalten.

4. Ihre Behauptung, ein berechtigtes Interesse an der Domain zu haben, begründet die Klägerin mit ihrer Absicht, unter der Domain ein Internetportal für den Reifenhandel einzurichten. Sie hat diese Absicht bisher nicht verwirklicht, weil sie den Ausgang des Verfahrens abwarten wollte.

Die - noch nicht verwirklichte - Absicht, die Domain für einen bestimmten Zweck zu verwenden, lässt sich unter keinen der in Art 21 Abs 2 lit a bis c genannten Tatbestände subsumieren. Es stellt sich daher zuerst die Frage, ob es sich dabei um eine abschließende Aufzählung handelt.

5. Wird diese Frage verneint, so stellt sich die weitere Frage, ob die - wegen des anhängigen Verfahrens noch nicht verwirklichte - Absicht, ein Internetportal einzurichten, ausreicht, um den bevorrechteten Erwerb der Domain in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung zu rechtfertigen.

Für eine Verneinung dieser Frage spricht, dass dieses Interesse - anders als in den in Art 21 Abs 2 lit a und b VO (EG) 874/2004 genannten Tatbeständen - nicht aus einer vor der Domainregistrierung bestehenden Rechtsposition abgeleitet wird und - anders als in dem in Art 21 Abs 2 lit c VO (EG) 874/2004 genannten Tatbestand - der Domaininhaber die Domain noch nicht nutzt. Eine Bejahung der Frage setzt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts überdies voraus, dass die durch das anhängige Verfahren begründete Unsicherheit, ob die Klägerin die Domain behalten kann, als Rechtfertigung ihrer bisherigen Untätigkeit gewertet wird.

6. Wird ein Recht oder berechtigtes Interesse der Klägerin am Domainnamen bejaht, so ist zu prüfen, ob die Klägerin die Domain in böser Absicht registriert hat. Das Verhalten der Klägerin - die Registrierung der Domain aufgrund einer nur zu diesem Zweck erworbenen Marke in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung - lässt sich unter keinen der in Art 21 Abs 3 lit a bis e VO (EG) 874/2004 genannten Tatbestände subsumieren. Es ist daher zuerst die Frage zu beantworten, ob es sich dabei um eine abschließende Aufzählung handelt.

7. Wird diese Frage verneint, so stellt sich die weitere Frage, ob das Verhalten der Klägerin als bösgläubig im Sinne des Art 21 Abs 1 lit b VO (EG) 874/2004 zu werten ist.

Die Klägerin hat die Domain aufgrund der nur zu diesem Zweck registrierten Marke in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung registrieren lassen und damit in Kauf genommen, dass sie Inhaber von Rechten behindert, die diese unabhängig von der Teilnahme am gestaffelten Registrierungsverfahren erworben haben. Das ist auch bei mit Gattungsbezeichnungen übereinstimmenden Domainnamen nicht auszuschließen, weil die Unterscheidungskraft nur bezogen auf die mit der Gattungsbezeichnung bezeichneten Waren und Dienstleistungen und - bei nationalen Marken - nur im jeweiligen Sprachgebiet fehlt.

Die Klägerin hat damit zwar, anders als nach dem von Art 21 Abs 3 lit b VO (EG) 874/2004 erfassten Tatbestand, nicht in der Absicht gehandelt, einen bestimmten Inhaber von Rechten am Domainnamen zu behindern, sie hat es aber in Kauf genommen, dass - wie auch tatsächlich eingetreten - der Inhaber eines Rechts am Domainnamen die Domain nicht erwerben kann. Allerdings ist die Klägerin, wenn - wie für die Beantwortung dieser Frage vorausgesetzt - ihr Recht und/oder rechtliches Interesse am Domainnamen bejaht wird, eine konkurrierende Rechteinhaberin, für deren Verhältnis zu anderen Rechteinhabern auf den Grundsatz des „first come first served" verwiesen werden könnte.

Zu keiner der aufgeworfenen Fragen besteht - soweit überblickbar - Rechtsprechung des EuGH.

V I. Verfahrensrechtliches

Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof gemäß Art 234 EG zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. Der erkennende Senat erachtet es geboten, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung über die vorgelegte Frage anzurufen, weil die Frage der Anwendung der genannten Bestimmungen der VO (EG) 874/2004 nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bliebe (acte clair). Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.

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