Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 37-jährige Renate M*** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie am 22.September 1988 in Wien dem Michael Z*** durch Abgabe eines Schusses aus einer Pump Gun einen Herz- und Lungendurchschuß, sohin eine schwere Verletzung, absichtlich zugefügt, wobei die Tat den Tod des Genannten zur Folge hatte.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Schöffengerichtes hatte die Angeklagte Ende Juni 1987 den um 14 Jahre jüngeren Michael Z*** kennengelernt, mit dem sie eine Lebensgemeinschaft einging. Da es jedoch wiederholt zu Streitigkeiten kam, trennte sie sich in der Folge mehrmals von Z*** und bezog eine eigene Wohnung, während Z*** in seiner Wohnung blieb. Während einer dieser Trennungen lernte die Angeklagte den Michael H*** kennen, den sie mehrmals in dessen Wohnung aufsuchte. Dabei sah sie, daß H*** in seiner Wohnung eine Pump Gun aufbewahrt. Als sie ihn darauf ansprach, erklärte er ihr den Grund für den Besitz dieser Waffe (angebliche Bedrohung aus Unterweltskreisen) und entlud vor ihr die Waffe. Nachdem die Angeklagte die Wohnung verlassen hatte, lud H*** das Gewehr wieder mit 6 Patronen und beließ es in seinem Schlafzimmer. In der Folge hielt sich die Angeklagte, obwohl sie inzwischen die Beziehung zu Michael Z*** wieder aufgenommen hatte, wiederholt in der Wohnung des H*** auf, wobei jedoch nicht festgestellt werden konnte, ob dabei neuerlich über die Waffe und deren Handhabung gesprochen worden ist.
Am 22.September 1988 suchte die Angeklagte, nachdem sie zuvor Wäsche zum Waschen in die Wohnung des H*** gebracht hatte, am späteren Nachmittag abermals dessen Wohnung auf, wobei sie von Michael Z*** begleitet wurde. In der Wohnung des H*** kam es wegen der Eifersucht des Z*** neuerlich zu einer Auseinandersetzung zwischen der Angeklagten und Z***. Z*** beschimpfte die Angeklagte und wollte ihr eine Ohrfeige geben; sie wich jedoch aus und lief in das Schlafzimmer, worauf ihr Z*** nachlief und die Angeklagte die neben dem Bett auf dem Boden liegende Pump Gun ergriff, sie gegen Z*** in Anschlag brachte und diesen aufforderte, die Wohnung zu verlassen. Z*** begab sich hierauf aus dem Schlafzimmer in den Vorraum bis zur Eingangstüre, wohin ihm die Angeklagte folgte. Im Zuge des weiteren (verbalen) Streites kam Z*** von der Eingangstüre wieder zurück und folgte der Angeklagten, die mit der Waffe in der Hand ins Wohnzimmer gegangen war. Auf die neuerliche Aufforderung der Angeklagten, die Wohnung zu verlassen, reagierte Z*** mit Beschimpfungen, worauf die Angeklagte die Pump Gun gegen die Wand einer Sitzgruppe richtete und einen Warnschuß in diese Richtung abgab, um ihrer Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Auch nach Abgabe dieses Warnschusses ging der Streit zwischen den beiden lautstark weiter, die Angeklagte repetierte dann die Waffe, was eine körperliche Manipulation, verbunden mit einer gewissen Kraftanstrengung bedeutet, richtete sie nun gegen Z*** und gab aus einer Entfernung von etwa 2,5 Meter einen Schuß gegen den Genannten ab, wobei es ihr darauf ankam, ihn schwer zu verletzen. Sodann repetierte sie neuerlich. Z*** wurde in die rechte Brustkorbseite getroffen und erlitt tödliche Verletzungen.
Im Tatzeitpunkt war die Angeklagte weder durch eine akute Psychose oder einen höhergradigen Schwachsinn noch durch eine sonstige schwere seelische Störung beeinträchtigt; infolge vorangegangenen Alkoholkonsums wies sie einen Blutalkoholwert von etwa 1,5 Promille auf, sodaß bei ihr ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand nicht bestand.
Diese Feststellungen gründete der Schöffensenat auf die als unbedenklich und widerspruchsfrei beurteilten Gutachten der beigezogenen ärztlichen Sachverständigen und des waffentechnischen Sachverständigen sowie die Aussagen der vernommenen Zeugen, insbesondere des Zeugen H***, der bekundet hatte, zwischen dem ersten und dem zweiten Schuß deutlich eine Auseinandersetzung zwischen einer Männer- und einer Frauenstimme gehört zu haben, woraus das Gericht schloß, daß die (zuletzt gewählte) Verantwortung der Angeklagten, sie habe in der Meinung, das Gewehr sei nicht geladen, abgedrückt und schon der erste Schuß habe Z*** getroffen, während sie sodann erst in die Wand geschossen habe, nicht richtig ist. Die ursprüngliche Darstellung, wonach der in der Wohnung anwesende Hund gegen ihren Arm gesprungen sei, nachdem sie den ersten Schuß (in die Wand) abgegeben hatte, worauf der zweite Schuß losgegangen sei und Z*** getroffen habe, hatte die Angeklagte selbst nicht aufrecht erhalten. Das Erstgericht erachtete sie auch deshalb als widerlegt, weil die Angeklagte vor Abgabe des zweiten Schusses repetiert haben mußte, wobei es sich hiebei nicht um eine unbewußte Bewegung gehandelt haben kann.
Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer nominell auf die Z 5, 5 a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.
In der Mängelrüge (Z 5) behauptet die Beschwerdeführerin zunächst eine Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, weil es das Gericht unterlassen habe, sich mit den gutächtlichen Äußerungen der Sachverständigen Dr. P*** und Dr. D*** über ihren psychischen Zustand zur Tatzeit auseinander zu setzen; stehe doch die Feststellung des Gerichtes, wonach sie zur Tatzeit nicht durch eine sonstige schwere seelische Störung beeinträchtigt war, insbesondere mit der Äußerung des erstgenannten Experten in Widerspruch, wonach bei ihr zur Tatzeit "sicherlich eine gröbere Beeinträchtigung" vorhanden war. Die Beschwerdeführerin vermag jedoch selbst nicht darzutun, daß sich aus den Gutachten der genannten Sachverständigen Hinweise auf ihre Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit infolge einer anderen schweren, einer Geisteskrankheit, einem Schwachsinn oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung gleichwertigen seelischen Störung (§ 11 StGB) ergeben. Eine bloß verminderte Zurechnungsfähigkeit, wie sie aus der gutächtlichen Äußerung des Dr. P***, auf die sich die Beschwerde bezieht, abgeleitet werden kann, vermag aber die Schuld nicht auszuschließen, sodaß es sich hiebei nicht um eine für das Erkenntnis in der Schuldfrage entscheidende Tatsache handelt, die im Urteil gesondert hätte erörtert werden müssen.
Ebensowenig entscheidungswesentlich ist es, ob die Angeklagte mit H*** noch einmal über die Waffe gesprochen hat. Das Gericht hat im übrigen ein solches Gespräch nicht als erwiesen angenommen, sondern ausgeführt, daß diesbezüglich keine Feststellungen getroffen werden können (US 473/Bd I). Nachdem die Angeklagte den Warnschuß abgegeben hatte, wußte sie jedenfalls - gleichgültig, ob sie noch einmal mit H*** über die Waffe gesprochen hatte oder nicht -, daß die Waffe geladen ist. Für die Frage aber, in welcher Reihenfolge die Schüsse abgegeben wurden, kann aus der von der Beschwerde ins Treffen geführten Bekundung des H*** vor der Polizei, es sei nicht mehr über die Waffe gesprochen worden, nichts gewonnen werden.
Die Angaben des Zeugen H*** vor der Polizei (S 33/Bd I) stehen zu seiner Aussage in der Hauptverhandlung (S 461 ff/Bd I) keineswegs in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch; ein solcher besteht auch nicht zwischen seinen Bekundungen und den Angaben der Zeugin M*** (S 460 f/Bd I).
Die Rüge der Unvollständigkeit geht somit zur Gänze fehl. Soweit die Beschwerde eine Aktenwidrigkeit in bezug auf die bereits erörterte gutächtliche Äußerung des Sachverständigen Dr. P*** reklamiert, so übersieht sie, daß dieser Anfechtungsgrund nur vorliegt, wenn in den Urteilsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage bzw gutächtlichen Äußerung etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 185 ff zu § 281 Z 5). Eine solche unrichtige Wiedergabe wird aber von der Beschwerdeführerin gar nicht behauptet.
Die Beschwerde vermag aber auch keine offenbar unzureichende Begründung in Ansehung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen darzutun. Das Erstgericht hat eingehend begründet, aus welchen Erwägungen es zu seinen Konstatierungen über den Tathergang gekommen ist, wobei die Schlußfolgerungen durchaus denkrichtig sind. Der Sache nach bekämpft die Beschwerde mit ihrem Vorbringen nur die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne jedoch einen formalen Begründungsmangel aufzeigen zu können. Das gilt auch für die Annahme des Schöffengerichtes, daß die Beschwerdeführerin in der Absicht gehandelt hat, Michael Z*** durch den gegen ihn abgefeuerten Schuß schwer zu verletzen.
Die Mängelrüge ist somit insgesamt offenbar unbegründet. In der Tatsachenrüge (Z 5 a) greift die Beschwerde der Sache nach im wesentlichen bloß auf jene Argumente zurück, die sie bereits in der Mängelrüge unter dem Aspekt einer offenbar unzureichenden Begründung vorgebracht hat. Die bezüglichen Ausführungen sind nicht geeignet, bei der gegebenen Sachlage nach allgemeiner menschlicher Erfahrung, also intersubjektiv, schwerwiegende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidungswesentlichen Tatsachen aufkommen zu lassen. Die Beweiswürdigung des erkennenden Schöffengerichtes, gegen die sich die Rüge in Wahrheit richtet, ist aber (nach wie vor) einer Anfechtung entzogen.
Soweit die Beschwerde auch den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht (S 8/Bd II), so läßt sie (mangels irgendeiner Ausführung hiezu) nicht erkennen, worin ihrer Meinung nach ein Subsumtionsirrtum gelegen sein soll; die Beschwerde entbehrt daher insoweit einer gesetzmäßigen Darstellung des relevierten Nichtigkeitsgrundes.
Mit dem aus der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Einwand schließlich, das Gericht habe den beiden Vorstrafen der Angeklagten (wegen fahrlässiger und wegen vorsätzlicher Körperverletzung) bei der Ausmessung der verwirkten Strafe zu großes Gewicht beigemessen und solcherart für die Strafbemessung entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt, wird eine Urteilsnichtigkeit im Strafausspruch nicht aufgezeigt. Daß die beiden Vorstrafen strafbare Handlungen betreffen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen wie die vorliegende Straftat, räumt die Beschwerde selbst ein; welches Gewicht diesen Vorstrafen aber bei der Abwägung der Strafzumessungsgründe (§ 32 Abs. 2 StGB) zukommt, betrifft nicht die rechtliche Beurteilung einer Strafzumessungstatsache (vgl EvBl 1988/115), sodaß darüber (erst) bei der Entscheidung über die (von der Angeklagten ohnedies ergriffene) Berufung zu befinden sein wird.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zu erkennen haben wird (§ 285 i StPO). Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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