Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
B e g r ü n d u n g :
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin ist ein regionales Energie‑Infrastrukturunternehmen, das in der Stadt L***** und den Umland‑Gemeinden tätig ist. Sie ist eine Tochtergesellschaft der L***** AG ***** („L***** AG“), deren Alleinaktionärin die Stadt L***** ist. Sie ist in den Bereichen Energieerzeugung, Asset‑Service für die Stromverteilung, Telekommunikation, Energiemanagement für den Handel von Strom sowie Handel mit Gas tätig.
Die Antragsgegnerin vertreibt in Österreich lediglich Erdgas. Der deutsche Konzern, dem sie angehört, vertreibt in Österreich in geringem Umfang auch Strom.
Seit 1998 bezieht die Antragstellerin von der Antragsgegnerin bzw deren Rechtsvorgängerin (künftig nur:„Antragsgegnerin“) Erdgas. Der Bezug deckt den überwiegenden Teil ihres Erdgasbedarfs. Sie beschafft Erdgas vorwiegend zum Betrieb von zwei Kraftwerken, die in KWK‑Technologie sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Ihre Muttergesellschaft vertreibt über eine konzernverbundene Gesellschaft Erdgas an Endverbraucher (Haushalte, Gewerbe und Industrie).
Am 24. 2. 2009 schlossen die Streitteile den aktuellen „Kaufvertrag“ über die Lieferung von Erdgas. Dieser Vertrag läuft bis zum 1. 1. 2021 und endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Antragsgegnerin verpflichtete sich, der Antragstellerin beginnend mit dem Lieferjahr 2010 jährlich 5.200 Mio kWh Erdgas (mit einer Stundenmenge von 1,4 Mio kWh) zu liefern, wobei der Antragstellerin das Recht auf Überschreitung der Jahresmenge um bis zu 15 % (Optionsmenge) und auf Reduktion der vertraglichen Stundenmenge auf bis zu 1,1 Mio kWh pro Stunde eingeräumt wurde. Die Antragstellerin verpflichtete sich, im Rahmen der jeweiligen vertraglichen Stundenmenge in einem Lieferjahr mindestens 70 % der vertraglichen Jahresmenge zu beziehen und auch im Fall der Nichtabnahme zu bezahlen, wobei in einem Lieferjahr gezahlte, aber nicht abgenommene Gasmengen in den folgenden zwei Lieferjahren nachbezogen werden können. Der Gaspreis setzt sich aus einem Jahresleistungspreis und einem Arbeitspreis zusammen. Der Jahresleistungspreis ist für die höchste im jeweiligen Lieferjahr bezogene, mindestens jedoch für die jeweilige vertragliche Stundenmenge zu zahlen. Der Arbeitspreis ist nach einer Formel zu errechnen, die auf den Preisen für leichtes Heizöl, schweres Heizöl und Kohle basiert.
Jeder Vertragspartner hat das Recht, für die Gaslieferungen nach diesem Vertrag mit Wirkung ab 1. 6. 2012 und danach im Abstand von jeweils drei Jahren (gerechnet ab dem 1. 6. 2012) eine Anpassung des Gaspreises (Leistungs‑ und Arbeitspreis) einschließlich Preisänderungsbestimmungen an den dann (im Vertrag definierten) geltenden Marktpreis für Erdgas in Österreich unter Berücksichtigung der Lieferausstattung dieses Vertrags zu verlangen. Die Anpassung muss spätestens sechs Monate vor dem Datum, ab dem sie wirksam werden soll, schriftlich dem Grunde und der Höhe nach geltend gemacht werden. Sofern sich die Vertragspartner über die Anpassung des Gaspreises nicht bis zu dem Datum, ab dem die Anpassung wirksam werden soll, verständigen, hat jeder Vertragspartner das Recht, innerhalb einer Frist von einem Monat mit einer Frist von sechs Monaten den Vertrag zu kündigen. Beide Vertragspartner haben darüber hinaus das Recht, abweichend von diesen Anpassungsterminen innerhalb der Vertragslaufzeit zwei Sonderpreisanpassungsverlangen geltend zu machen, wobei das erste frühestens mit Wirkung ab dem 1. 3. 2012 gestellt werden darf. Im Fall der Geltendmachung eines Sonderpreisanpassungsverlangens kann jede nächste Preisanpassung frühestens drei Jahre danach geltend gemacht werden.
Hintergrund des Abschlusses dieses Vertrags war, dass die Antragsgegnerin die bis dahin geltende Begrenzung des Gaspreises in Abhängigkeit vom Kohlepreis („Kohledeckel“) nicht mehr wollte, weil diese Regelung für sie ungünstig war. Zur selben Zeit hatte die Antragstellerin gerade die vertragliche Möglichkeit, aus einem Vertragsverhältnis mit der E***** GmbH auszusteigen. Beide Vertragsteile hatten Interesse am Abschluss eines neuen Vertrags. Dass die Mindestbezugsmenge gegenüber dem Vertrag aus dem Jahr 2004 um mehr als 50 % erhöht wurde, war darauf zurückzuführen, dass die Antragstellerin im Jahr 2009 ein weiteres Kraftwerk in Betrieb nahm und darüber hinaus aufgrund ihres Ausstiegs aus dem E*****‑Zusammenschluss nunmehr auch für ihre Schwestergesellschaft Erdgas für den Vertrieb an Endkunden zu beschaffen hatte. Durch den Wegfall des „Kohledeckels“ bewirkte der Abschluss des Vertrags für die Antragstellerin von Anfang an eine erhebliche Preiserhöhung gegenüber der bis dahin geltenden Vereinbarung. Im Vorfeld hatte sie deshalb auch Verhandlungen mit der E***** GmbH geführt, die ihr jedoch noch schlechtere Konditionen angeboten hätte. Auch der freie Gashandelspreis war damals noch etwas höher als der von der Antragsgegnerin gebotene Preis. Der neue Vertrag war die günstigste Regelung, die damals für die Antragstellerin erzielbar war.
Einige Wochen nach dem Vertragsabschluss kam es zu einer massiven (und dauerhaften) Reduktion des freien Gashandelspreises. Auf Wunsch der Antragstellerin wurde die vertragliche Stundenmenge mit Vereinbarung vom Oktober 2010 mit Wirkung ab dem 1. 4. 2010 um 0,2 Mio kWh pro Stunde auf 1,2 Mio kWh pro Stunde reduziert.
Im Dezember 2010 trat die Antragstellerin an die Antragsgegnerin mit dem Wunsch heran, die Vertragsmenge zu reduzieren. Hintergrund dieses Ansinnens war, dass sich die Antragstellerin schon damals (wie auch jetzt noch) in einer „Kosten‑Preis‑Schere“ befand: Da die Strompreise stark gesunken sind, kann sie mit der Stromerzeugung nur geringere Erträge als zuvor erwirtschaften, während der Preis für das Erdgas, durch dessen Verbrennung sie Strom produziert, gestiegen ist. Verbrannte sie in ihren Kraftwerken früher Gas primär zur Stromerzeugung, wobei sozusagen als „Abfallprodukt“ Fernwärme (Abwärme) erzeugt wurde, hat sie sich mittlerweile hauptsächlich auf die Wärmeerzeugung verlegt, wobei ein gewisser „Abstrom“ anfällt.
Letztlich schlossen die Streitteile am 10. 8. 2011 eine 2. Nachtragsvereinbarung zum Vertrag aus dem Jahr 2009. Der Lieferumfang wurde dahin geändert, dass die Antragsgegnerin ab 1. 10. 2011 nur noch eine Jahresmenge von 3.600 Mio kWh und eine maximale Stundenmenge von 900.000 kWh zu liefern hat, wobei die Antragstellerin berechtigt ist, die Jahresmenge um bis zu 15 % zu überschreiten. Der Gaspreis setzt sich nunmehr aus einem monatlichen Grundpreis, einem Arbeitspreis und einem Preis für die monatlich verbindlich nominierte Transportleistung zusammen. Der monatliche Grundpreis beträgt ***** EUR. Er ist unabhängig von der Abnahme jedenfalls in voller Höhe zu zahlen. Für Mengen bis zur Jahresmindestmenge ist ein „Arbeitspreis 1“ (AP 1) und für Mengen oberhalb der Jahresmindestmenge ein „Arbeitspreis 2“ (AP 2) zu zahlen.
Die Antragstellerin hat im Rahmen der vertraglichen Stundenmenge in einem Lieferjahr mindestens 70 % der vertraglichen Jahresmenge zu beziehen und auch im Fall der Nichtabnahme mit dem AP 1 zu bezahlen.
Der variable Arbeitspreis (sowohl AP 1 als auch AP 2) beträgt mindestens ***** Cent pro kWh. Der AP 1 basiert je zur Hälfte auf dem auf dem freien Gasmarkt zu zahlenden Preis („Net Connect Germany“ [NCG]‑Preis, dem Preis für den Heren Monthly Index für NCG in Euro pro MWh), und auf dem (näher definierten) Preis für leichtes Heizöl. Die Bestimmung über die Preisanpassung wurde dahin geändert, dass jeder Vertragspartner das Recht hat, ab dem 1. 6. 2015 und danach im Abstand von drei Jahren eine Anpassung des Gaspreises zu verlangen. Verständigen sich die Vertragspartner über eine Anpassung des Gaspreises nicht bis zu dem Datum, ab dem die geltend gemachte Anpassung wirksam werden soll, hat jeder Vertragspartner das Recht, innerhalb einer Frist von einem Monat den Vertrag unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist zu kündigen.
Im Rahmen der Verhandlungen, die zum Abschluss der 2. Nachtragsvereinbarung führten, bot die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Preisvereinbarung dergestalt an, dass auch der AP 1 ‑ wie der AP 2 ‑ vollständig an den NCG‑Preis gebunden werde, also keine Ölpreisbindung bestehe. Die Antragstellerin lehnte dies jedoch ab, weil ihre Organe bzw Repräsentanten aufgrund von Prognosen davon ausgingen, dass der Ölpreis wieder sinken werde und sie insbesondere im Wettbewerb mit der E***** GmbH auf dem Markt für die Belieferung von Endkunden mit Erdgas konkurrenzfähig bleiben wollte. Ihr war nämlich bekannt, dass die Preise der E***** GmbH ebenfalls an den Ölpreis gebunden waren. Entgegen der Annahme der Antragstellerin begann der Ölpreis allerdings bereits wenige Wochen nach Abschluss der 2. Nachtragsvereinbarung dauerhaft zu steigen.
Für den Betrieb eines Gaskraftwerks ist neben der Lieferung von Erdgas auch die sogenannte Strukturierung entscheidend. Dies bedeutet, dass der Kraftwerksbetreiber die Gasmenge flexibel und nicht bloß bandförmig beziehen kann, damit er die Möglichkeit hat, auf unterschiedlichen Bedarf zu reagieren. Für diese Strukturierung benötigt man einen Speicher und außerdem die erforderliche Transportkapazität, um das Gas jederzeit zum Übergabepunkt befördern zu können.
Bei den in der 2. Nachtragsvereinbarung festgelegten, von der Antragstellerin zu zahlenden Transportkosten handelt es sich um die konkret von ihr verursachten Kosten, das heißt die Kosten für die tatsächlich abgenommene Gasmenge. Nimmt sie weniger ab als die maximale Vertragsmenge, sind diese Kosten also geringer als die bei Abnahme der Maximalmenge. Der Grundpreis deckt einerseits die Kosten der Strukturierung (also die Speicherung von Erdgas) und andererseits die Kosten der Vorhaltung der Kapazität für den Transport der maximalen Leistung ab.
Im Gaswirtschaftsjahr 2011/2012 (1. 10. 2011 bis 30. 9. 2012) bezog die Antragstellerin aufgrund des sehr hohen Preises nur die Mindestbezugsmenge von 2.520 Mio kWh zum AP 1 von der Antragsgegnerin. Dies entsprach 71 % ihres Gesamtbedarfs von 3.555 GWh. Im Gaswirtschaftsjahr 2012/2013 machte die Mindestbezugsmenge etwa 80 % des Gesamtbedarfs der Antragstellerin aus. Für die beiden folgenden Gaswirtschaftsjahre ist ein Anstieg dieses Anteils auf 87 % und mehr zu erwarten. Die angeführten Daten und Prozentsätze beziehen sich auf den Bedarf der Antragstellerin für den Betrieb von Fernheizkraftwerken und ihrer Schwestergesellschaft für die Versorgung von Endverbrauchern, also exklusive Gashandelsmengen an externe Handelskunden. Unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellt der Gasbezugsvertrag mit der Antragsgegnerin die Antragstellerin vor ein massives wirtschaftliches Problem. Angesichts der gestiegenen Ölpreise gestattet es der vertraglich vereinbarte Erdgaspreis nicht mehr, in den Kraftwerken der Antragstellerin kostendeckend elektrische Energie zu erzeugen.
Aufgrund der derzeitigen Marktsituation ist auch für den Konzern, dem die Antragsgegnerin angehört, die Stromerzeugung in Gaskraftwerken unwirtschaftlich.
Infolge der für die Antragstellerin schwierigen wirtschaftlichen Situation trat sie bereits im Jahr 2012 neuerlich an die Antragsgegnerin mit dem Ersuchen um eine (weitere) Vertragsanpassung heran. Die Antragsgegnerin bot ihr letztlich ‑ kurz vor Einbringung des Abstellungsantrags ‑ eine Modifikation des Vertrags dahin an, dass der AP 1 (rückwirkend) für den Zeitraum ab 1. 1. 2013 bis 30. 5. 2015 ausschließlich an den NCG gebunden werde, allerdings in Kombination mit einer Änderung des vertraglichen Preisanpassungsrechts dergestalt, dass für den Fall, dass sich die Vertragspartner über ein mit Wirkung zum 1. 6. 2015 gestelltes Preisanpassungsverlangen nicht bis zu diesem Datum einigen sollten, jeder Vertragspartner alternativ das Recht habe, den Vertrag zu kündigen oder das im Vertrag definierte Schiedsgericht zur Klärung der Frage der Angemessenheit des Preisanpassungsverlangens anzurufen, und die Antragstellerin für den Fall einer Vertragskündigung durch sie binnen vier Wochen nach Ausspruch der Kündigung 4 Mio EUR zu zahlen hätte. Wegen dieser Vertragsklausel lehnte die Antragstellerin die Neuregelung ab.
Innerhalb des Erdgasmarkts stellt die Belieferung von (Gas‑)Kraftwerken mit Erdgas einen eigenständigen Markt dar, der marktgebietsweit abzugrenzen ist. Auf dem österreichischen Markt für die Lieferung von Erdgas zur Verbrennung in gasbetriebenen Kraftwerken ist der größte Anbieter die E***** GmbH mit einem Marktanteil von rund 80 %. Die Antragsgegnerin hat auf diesem Markt einen Marktanteil von rund 15 % und zählt damit zu den drei größten Anbietern in diesem Marktsegment.
Während bis vor einigen Jahren langfristige Lieferverträge von Erdgasanbietern mit Kraftwerksbetreibern üblich waren, ist es heute üblich geworden, Bezugsverträge, wenn überhaupt, für die Dauer von etwa zwei bis drei Jahren abzuschließen. Dies liegt daran, dass die Preisentwicklung der langfristigen Verträge infolge der Ölpreisentwicklung im Vergleich zu den Preisen am Spotmarkt für die Kunden nachteilig ist. Die im Vertrag zwischen den Streitteilen enthaltene (teilweise) Ölpreisbindung war bis vor einigen Jahren generell üblich. Es war nämlich damals die einzige Möglichkeit, aus Russland und Norwegen Erdgas für Mitteleuropa zu beziehen. Derzeit versuchen alle Erdgasbezieher (insbesondere Kraftwerksbetreiber) in Europa, im Wege von Preisanpassungsverhandlungen ihre Verträge dahin abzuändern, dass anstelle einer Ölpreisbindung eine Spotpreisbindung (in Österreich und Deutschland NCG‑Indexierung) vereinbart wird.
Hätte die Antragsgegnerin die im derzeit gültigen Vertrag vereinbarte Gasmenge ausschließlich gegen Leistung des AP 2 (und der konkreten Transportkosten), also ohne Grundpreis und ohne teilweise Anwendbarkeit des AP 1, zu liefern, wären ihre Kosten nicht zur Gänze gedeckt.
Es kann nicht festgestellt werden, ob eine Belieferung der Antragstellerin auf Basis des derzeit gültigen Vertrags, jedoch gegen Zahlung des vereinbarten Grundpreises, der konkreten Transportkosten und (nur) des AP 2 (also für die gesamte Liefermenge, einschließlich der Mindestbezugsmenge) kostendeckend wäre.
II. Vorbringen der Parteien
Die Antragstellerin begehrt die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung durch die Antragsgegnerin dadurch, dass dieser aufgetragen werden möge, der Antragstellerin bis zur Beendigung des Kaufvertrags vom 24. 2. 2009 keinen Grundpreis zu verrechnen und ihr überdies keinen Preis als Arbeitspreis in Rechnung zu stellen, der höher sei als der in § 4 Abs 2 der 2. Nachtragsvereinbarung zum Kaufvertrag definierte NCG‑Preis.
Zur Sicherung dieses Anspruchs auf Abstellung marktmissbräuchlichen Verhaltens begehrte sie (ON 23, AS 145, soweit im Rekursverfahren noch von Interesse), der Antragsgegnerin aufzutragen, der Antragstellerin ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache bei gleichbleibendem Grundpreis (§ 4 Abs 1 der 2. Nachtragsvereinbarung vom 10. 8. 2011 zum Kaufvertrag) keinen Preis als Arbeitspreis in Rechnung zu stellen, der höher ist als der in § 4 Abs 2 lit e der 2. Nachtragsvereinbarung zum Kaufvertrag definierte NCG. Seit 2009 hätten sich in Europa liquide Handelsmärkte für Erdgas herausgebildet. Der für Österreich wichtigste Handelsplatz sei das deutsche Marktgebiet „Net Connect Germany“. Eine Vielzahl von Erdgasproduzenten und ‑importeuren böten ihre Waren auf diesem Handelsmarkt („virtueller Handelspunkt“) an. Dazu zähle auch der Konzern, dem die Antragsgegnerin angehöre. Soweit dieser das ihm zur Verfügung stehende Erdgas weder auf der Basis von (teuren) Langfristverträgen mit gänzlicher oder teilweiser Ölpreisbindung weiterverkaufen noch gewinnbringend in seinen Gaskraftwerken verbrennen könne, biete er es an den Handelsmärkten an, und zwar entweder direkt über die Warenbörse oder als analoge bilaterale Transaktion zu Börsepreisen. Seit 1. 3. 2013 dürften marktbeherrschende Unternehmen ihren Kunden keine Preise verrechnen, die über den hypothetischen Wettbewerbspreisen liegen. Da der deutsche Konzern den deutsch‑österreichischen Stromgroßhandelsmarkt beherrsche, sei die Antragsgegnerin verpflichtet, die besonderen gesetzlichen Verhaltensanforderungen auch bei Lieferungen an österreichische Betreiber von Gaskraftwerken bzw KWK‑Anlagen zu beachten. Zwischen dem Stromgroßhandelsmarkt einerseits und den Erdgaslieferungen andererseits bestehe nämlich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. Der Kaufpreis für den Brennstoff Erdgas bestimme entscheidend die Grenzkosten der Stromproduktion in einem Gaskraftwerk und damit die Fähigkeit des Kraftwerksbetreibers, als Anbieter von elektrischer Energie in Konkurrenz zur Muttergesellschaft der Antragsgegnerin auf dem Stromgroßhandelsmarkt aufzutreten. Verrechne die Antragsgegnerin überhöhte Preise an die Kraftwerksbetreiber, eliminiere sie den von diesen Unternehmen ausgehenden Wettbewerbsdruck auf den Strompreis. Die Antragsgegnerin sei auch als Erdgaslieferant marktbeherrschend, weil sie im Verhältnis zu ihren Abnehmern eine überragende Marktstellung habe. Die Antragstellerin sei eine sehr hohe Abnahmeverpflichtung eingegangen. Sie sei aufgrund des Vertrags nicht in der Lage, den übermäßig teuren Lieferungen der Antragsgegnerin dadurch auszuweichen, dass sie stattdessen Erdgas aus anderen Quellen beziehe. Sie sei deshalb gegenüber der Antragsgegnerin in einer Position der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Der Erdgaspreis, den die Antragsgegnerin von der Antragstellerin fordere, sei in missbräuchlicher Weise überhöht. Die Bindungsdauer des Gasbezugsvertrags sei nicht marktkonform. Da die erste Kündigungsmöglichkeit zum 30. 11. 2015 bestehe, betrage die Mindestlaufzeit vier Jahre und fünf Monate. Diese Regelungen gingen deutlich über eine marktübliche Bindungsdauer hinaus. Die Festlegung der Abnahmepflicht im Gasbezugsvertrag sei nicht marktüblich. Marktüblich wäre es nämlich, dass die Abnahmepflicht in Relation zum tatsächlichen Kundenbedarf gestellt werde. Mit sinkendem Gesamtbedarf sinke bei dieser Systematik die Abnahmepflicht. Im Gegensatz dazu knüpfe der Gasbezugsvertrag an die Vertragsmenge an. Die Abnahmepflicht verändere sich deshalb auch dann nicht, wenn, wie dies aktuell der Fall sei, der Bedarf des Kunden drastisch zurückgehe. Bei marktüblicher Vorgangsweise hätte die Antragsgegnerin deshalb die Vertragsdauer in der 2. Nachtragsvereinbarung auf maximal zwei Jahre begrenzen müssen. Die Antragstellerin hätte das Recht haben müssen, den Vertrag zum 30. 6. 2013 zu beenden. Stattdessen sei die Antragsgegnerin bestrebt gewesen, nach Kräften zu verhindern, dass die Antragstellerin künftig die Möglichkeit habe, Drittmengen am Handelsmarkt anzukaufen. Der Gasbezugsvertrag sei nicht marktkonform. Kein Kraftwerksbetreiber würde unter den heutigen Marktgegebenheiten einen Bezugsvertrag mit einer Laufzeit von mehr als zwei bis drei Jahren und einem vom NCG abweichenden Arbeitspreis abschließen. Die Bedingungen des Gasbezugsvertrags zwischen den Parteien wichen daher von jenen Verkaufspreisen und sonstigen Geschäftsbedingungen (insbesondere Laufzeit und Menge) ab, die sich heute bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Die Antragsgegnerin sei infolge der hohen Abnahmepflicht aufgrund der „Take‑or‑Pay“‑Klausel gegenüber der Antragstellerin vertikal marktbeherrschend. Indem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin einen Verkaufspreis (verbunden mit sonstigen Geschäftsbedingungen, wie insbesondere den Regelungen über die Abnahmemenge und die Vertragslaufzeit) fordere, der von denjenigen Konditionen abweiche, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, verwirkliche sie einen Tatbestand des Marktmachtmissbrauchs. Die Antragstellerin sei gezwungen, der Antragsgegnerin Verkaufspreise zu zahlen (und Geschäftsbedingungen einzuhalten), die deutlich vom wettbewerblichen Vergleichsmaßstab abwichen. Im Ergebnis wirke sich dies zu Lasten der Strom‑, Fernwärme‑ und Gaskunden aus. Die Antragsgegnerin sei Mitte 2012 um eine Revision des Vertragspreises ersucht worden, um die Konditionen des Gasbezugsvertrags in Einklang mit dem wettbewerblichen Umfeld zu bringen. Diesem Ersuchen habe die Antragsgegnerin nicht entsprochen. Diese Verweigerung einer angemessenen Vertragsanpassung sei missbräuchlich und dauere bis heute an.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Provisorialantrags. Im Verhältnis zwischen den Streitteilen sei der österreichische Erdgasmarkt der relevante Markt. Der Markt für Stromversorgung sei lediglich der nachgelagerte Markt. Sie sei in Österreich starkem Wettbewerb vor allem durch die E***** GmbH ausgesetzt, die über einen Marktanteil von etwa 60 % verfüge und deren internationaler Absatz etwa dem Zweieinhalbfachen des gesamten österreichischen Erdgasverbrauchs entspreche. Auch der Absatz der S***** GmbH übersteige auf dem österreichischen Erdgasmarkt jenen der Antragsgegnerin. Eine kollektive Marktbeherrschung durch die Antragsgegnerin gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern sei auszuschließen. Es bestehe nämlich keine hohe Markttransparenz, und insbesondere aufgrund des stetig zunehmenden Wettbewerbs sei auch kein Anreiz zu stillschweigendem kollusivem Verhalten mit Wettbewerbern gegeben. Die vertragliche Bindungsdauer bis zum nächsten Kündigungstermin liege weit unter dem marktüblichen Niveau. Die Antragstellerin hätte im Jahr 2012 die Möglichkeit der Kündigung im Wege eines Preisanpassungsverfahrens gehabt. Nun bestehe die nächste Möglichkeit zur Kündigung zum 30. 11. 2015. Angesichts der Bezugsmenge der Antragstellerin und der niedrigen Bindungsdauer könne von einer überragenden Marktstellung der Antragsgegnerin nicht die Rede sein. Sie sei im Übrigen auch auf dem deutsch‑österreichischen Stromgroßhandelsmarkt nicht (kollektiv) marktbeherrschend. Die einvernehmlich festgelegten Vertragspreise seien marktüblich. Die Flexibilität der Antragstellerin sei durch die 2. Nachtragsvereinbarung noch erhöht worden. Diese erlaube es ihr nämlich, ihren monatlichen Leistungsbedarf jeweils im Vorhinein festzulegen. Der im Gasliefervertrag vereinbarte Grundpreis decke anteilig (neben dem vereinbarten Arbeitspreis) zusätzliche gaswirtschaftliche Leistungen, wie den kostenintensiven Betrieb von Erdgasspeichern, den Transport zur Übergabestelle, die Einräumung von Flexibilität hinsichtlich Abnahmemenge und Stundenleistung der Gaslieferungen (Strukturierung) sowie die Übernahme von Risken ab. Die Gaslieferungen durch die Antragsgegnerin erfolgten, anders als dies auf einem Handelsplatz der Fall wäre, angepasst an die Bedürfnisse der Antragstellerin. Die Entwicklung des Ölpreises sei einem der Branche immanenten wirtschaftlichen Risiko zuzuordnen und betreffe sämtliche auf dem Markt agierende Unternehmen aller Vertriebsstufen. Gewinnbringende Stromerzeugung in Gaskraftwerken sei deshalb generell kaum möglich, weder für den Konzern, dem die Antragsgegnerin angehöre, noch für andere Marktteilnehmer. Der vereinbarte Vertragspreis sei völlig marktkonform. Eine für Stromerzeuger ungünstige Entwicklung des Gaspreises könne nicht auf Kosten der Antragsgegnerin kompensiert werden.
III. Entscheidung des Kartellgerichts
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag, der Antragsgegnerin aufzutragen, „bei gleichbleibendem Grundpreis gemäß § 4 Abs 1 der 2. Nachtragsvereinbarung zum Kaufvertrag vom 10. 8. 2011 keinen höheren Arbeitspreis als den in § 4 Abs 2 lit b der 2. Nachtragsvereinbarung zum Kaufvertrag definierten NCG-Preis in Rechnung zu stellen“, ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, der (primär) sachlich relevante Markt sei jener für die Belieferung von Kraftwerken mit Erdgas. Ob die Antragsgegnerin auf diesem Markt eine beherrschende Stellung innehabe, sei nicht zu prüfen, könne ihr doch missbräuchliches Verhalten nicht angelastet werden. Die Antragstellerin wolle mit ihrem Provisorialantrag ‑ bei aufrechten sonstigen vertraglichen Vereinbarungen ‑ lediglich eine Reduktion des von ihr zu zahlenden Gaspreises erreichen. Die allfällige Vereinbarung eines unangemessen hohen Preises könne aber von vornherein nur in Verbindung mit einer Mindestabnahmeverpflichtung (allenfalls auch mit einer überlangen Bindungsdauer) kartellrechtlich bedenklich sein. Die Antragstellerin sei nämlich nur aufgrund der Mindestabnahmeverpflichtung daran gehindert, das von ihr benötigte Erdgas zur Gänze zum jeweils günstigsten Preis (derzeit also auf dem freien Gashandelsmarkt) zu beziehen. Darin, dass die Antragsgegnerin nicht bereit sei, den 2011 modifizierten Vertrag in Bezug auf die Preisvereinbarung zu Gunsten der Antragstellerin abzuändern, sei keinesfalls ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu erblicken. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin den Vertrag ohnehin zum 30. 11. 2015 kündigen könne. Das Beharren der Antragsgegnerin auf dem zwar langfristigen, aber zuletzt 2011 modifizierten und in absehbarer Zeit kündbaren Vertrag entspreche deshalb lediglich dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass Verträge einzuhalten seien. Mit der Formulierung ihres Provisorialantrags ziele die Antragstellerin ausdrücklich nicht auf die Vertragslaufzeit oder die Mindestabnahmeverpflichtung ab. Die Antragstellerin habe nicht bescheinigen können, dass die von ihr begehrte Vertragsmodifikation der Antragsgegnerin zumutbar wäre.
Rechtliche Beurteilung
IV. Rechtsmittel
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, jene im antragstattgebenden Sinn abzuändern.
Die Rekurswerberin macht geltend: Nach den Feststellungen des Erstgerichts bemesse sich ein wettbewerbsorientierter Preis für die Lieferung von Erdgas nicht zuletzt an Kraftwerksbetreibern, im derzeitigen Marktumfeld an den Preisen, die sich am Gashandelsplatz NCG bildeten. Die Antragstellerin unterliege auf der Grundlage des bestehenden Vertrags einer Abnahmepflicht, die einer Alleinbezugspflicht gleichkomme. Der Vertrag sei 2009 mit einer Laufzeit von nahezu zwölf Jahren abgeschlossen worden. Marktüblich wäre eine Dauer von zwei bis drei Jahren. Die Kündigungsmöglichkeiten seien inhaltlich beschränkt. Sie habe sich für eine von drei Abstellungsvarianten entschieden und beantrage nichts anderes, als dass der im Gasbezugsvertrag definierte NCG‑Preis als Arbeitspreis angewendet werde. Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten seien, hindere nicht, die bloße Ausübung vertraglicher Rechte als Missbrauch im Sinne von § 5 KartG zu qualifizieren. Die Abwägung der einander widerstreitenden Interessen falle zugunsten der Antragstellerin und vor allem der Fernwärme-, Erdgas- und Stromkunden aus, denen die Antragstellerin ihre Leistungen anbiete. Der Gasbezugsvertrag stelle die Antragstellerin unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen vor ein massives wirtschaftliches Problem. Der Erlass der einstweiligen Verfügung kollidiere nicht mit schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin, habe sie doch im Rahmen der Verhandlungen, die im August 2011 zum Abschluss der 2. Nachtragsvereinbarung geführt hätten, eine Preisvereinbarung angeboten, die sich mit dem Sicherungsantrag decke. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Eventualbegehrens für die Antragsgegnerin hänge davon ab, ob für sie ein Verkauf des Erdgases zu einem jährlichen Grundpreis von ***** Mio EUR zuzüglich eines am NCG orientierten Arbeitspreises kostendeckend wäre. Um das Kosten/Preis-Verhältnis bei der Antragsgegnerin lückenlos zu belegen, bedürfte es eines Einblicks in die Kostenrechnung des Konzerns, dem die Antragsgegnerin angehört, und eines ökonomischen Sachverständigengutachtens. Eine derartige Beweisanforderung sei in einem kartellgerichtlichen Provisiorialverfahren überschießend. Für die Bescheinigung des Kosten/Preis-Verhältnisses des Marktbeherrschers im Rahmen dieses Verfahrens müssten leichter erhebbare Daten ausreichen. Dass die Antragsgegnerin selbst eine Preisvereinbarung angeboten habe, wonach der Arbeitspreis vollständig an den NCG-Preis gebunden werde, lasse prima facie erkennen, dass eine Reduktion des vertraglichen Arbeitspreises auf NCG-Niveau für sie zumutbar sei.
Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
V. Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Vorerst ist zum Inhalt des Sicherungsantrags Folgendes auszuführen:
Im Hauptantrag, dessen Abweisung die Antragstellerin nicht bekämpft, begehrte sie zuletzt (ON 23), dass die Antragsgegnerin ihr keinen Grundpreis und keinen Preis als Arbeitspreis in Rechnung stelle, der höher als der in § 4 Abs 2 lit b der 2. Nachtragsvereinbarung zum Kaufvertrag definierte AP 2 ist. Dieser in Cent/kWh angegebene Preis ist die Summe aus der Variablen „NCG/10“ und einem unveränderlichen Betrag. § 4 Abs 2 lit e der 2. Nachtragsvereinbarung definiert „NCG“ als „Preis für den Heren Monthly Index für NCG in Euro/MWh, wie er nach Ablauf des letzten Handelstages des Vormonats für den jeweiligen Liefermonat im Heren Report 'European Spotgas Markets' veröffentlicht wird. Der Preis verändert sich zum Ersten eines jeden Monats eines jeden Jahres“. Auf diesen Preis stellen der Eventualantrag und der Rekursantrag ab. Dieser Preis ist aber (um den unveränderlichen Betrag) niedriger als der vereinbarte AP 2, den das Erstgericht als Inhalt des Eventualantrags ansah.
§ 5 Abs 1 Z 1 KartG idF KaWeRÄG 2012, BGBl I 2013/13, auf den sich die Antragstellerin stützt, verbietet den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, der insbesondere in der Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen bestehen kann, „die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen sind“. Diese Bestimmung, deren Wortlaut dem Text des § 19 Abs 4 Z 2 dGWB angepasst ist (ErläutRV 1804 BlgNR 24. GP 7), trat am 1. 3. 2013 in Kraft und ist auf Handlungen anzuwenden, die nach dem 28. 2. 2013 begangen werden (§ 86 Abs 3 und 4 KartG).
§ 5 Abs 1 Z 1 KartG untersagt bereits das „Fordern“ missbräuchlicher Preise oder Geschäftsbedingungen. Dieses „Fordern“ ist nicht auf Vertragsverhandlungen beschränkt, sondern umfasst auch das Festhalten am Vertrag, also die Verweigerung einer Preissenkung oder Vertragsanpassung (vgl BGH KVR 13/83, WuW/E BGH 2103). Da die Antragsgegnerin auch nach dem 28. 2. 2013 eine Preissenkung oder Vertragsanpassung verweigert, fällt ihr Verhalten in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 5 Abs 1 Z 1 KartG idF KaWeRÄG 2012.
Ob die zwischen den Streitteilen vereinbarte Mindestabnahmemenge und die vertragliche Bindungsdauer das Ergebnis von Missbrauch einer Marktmacht sind, muss nicht erörtert werden, weil beides nicht Gegenstand der Anträge ist.
Nach der im Rekursverfahren nicht strittigen, für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung erforderlichen Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Markts durch das Erstgericht bildet die Versorgung von Kraftwerken mit Erdgas einen eigenen sachlich relevanten Markt. Räumlich ist dieser Markt im Hinblick auf die leitungsgebundene Versorgung mit dem Marktgebiet Ost (die Bundesländer Burgenland, Niederösterreich, Wien, Oberösterreich, Salzburg, Kärnten, Steiermark [§ 12 Abs 1 Z 1 und Abs 2 GWG 2011]) abzugrenzen. Das auf diesem Markt nachgefragte Produkt ist die „strukturierte“ Lieferung von Erdgas.
Gemäß § 5 Abs 1 Z 1 Halbsatz 1 KartG ist ein von einem Anbieter geforderter Preis missbräuchlich hoch, wenn er auf der Grundlage der marktbeherrschenden Stellung zustande kommt und höher ist, als er sich „bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde“. Als Verfahren zur Feststellung des hypothetischen Wettbewerbspreises (wettbewerbsanaloger Preis) nennt das Gesetz ausdrücklich das Vergleichsmarktkonzept, ohne andere Methoden (arg: „insbesondere“) auszuschließen.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 19 Abs 4 GWG ‑ der Vorbildnorm für § 5 Abs 1 Z 1 Halbsatz 1 KartG ‑ begründet die Überschreitung des wettbewerbsanalogen Preises für sich genommen noch nicht die Annahme eines missbräuchlichen Preises; ein solcher ist nur gegeben, wenn eine erhebliche Überschreitung vorliegt, enthält doch der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ein Unwerturteil (vgl Nothdurft in Langen/Bunte , Kartellrecht I 12 § 19 GWB Rz 121; Götting in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff , Kartellrecht² § 19 GWB Rz 77 mwN; Möschel in Immenga/Mestmäcker , Wettbewerbsrecht II 4 § 19 GWB Rz 160 f mwN).
Die Frage der Erheblichkeit der Preisüberschreitung muss hier nicht entschieden werden, weil der Antragstellerin, die die Behauptungs- und Beweis(Bescheinigungs-)last für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt (16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 11/02), kein für die Ermittlung des hypothetischen Wettbewerbspreises von Kraftwerksgas im Marktgebiet Ost ausreichendes Vorbringen erstattet hat:
Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin hat das Erstgericht die Preise, die sich am NCG bilden, nicht als wettbewerbsanaloge Preise für die Belieferung von Gaskraftwerken mit Erdgas festgestellt. Festgestellt ist bloß, dass derzeit alle Erdgasbezieher (insbesondere Kraftwerksbetreiber) in Europa ihre Verträge dahin zu verändern versuchen, dass anstelle einer Ölpreisbindung eine Spotpreisbindung (in Österreich und Deutschland NCG‑Indexierung) vereinbart wird. Daraus ergibt sich aber noch nicht, welche Preise vereinbart werden, insbesondere nicht, dass ein NCG-Preis unverändert als Preis für strukturierte Erdgaslieferungen vereinbart wird.
Der von der Antragstellerin an ihren Gaslieferanten zu entrichtende Preis besteht nicht in einem einheitlichen Gesamtpreis. Sie hat als Preis einen verbrauchsunabhängigen Grundpreis, einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis und einen verbrauchsabhängigen Transportpreis zu zahlen. Dieses Gesamtentgelt ist im Rahmen der Preishöhenmissbrauchsaufsicht maßgebend. Denn nicht die Art der Preisfindung, sondern nur deren Ergebnis kann letztlich ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sein. Deshalb reicht die Missbräuchlichkeit einzelner Entgeltbestandteile nicht zum Nachweis eines Missbrauchs im Sinn des § 5 Abs 1 Z 1 KartG aus.
Dessen ungeachtet sind auch Entgeltbestandteile relevant. Der Ansatz insbesondere einer Mehrheit von Preisbildungsfaktoren, von denen anzunehmen ist, dass auf ihrer Grundlage kalkulierte Preise bei wirksamem Wettbewerb auf dem Markt nicht durchgesetzt werden könnten, kann ein Indiz dafür sein, dass der so gewonnene Preis missbräuchlich überhöht ist (BGH KVR 36/04, WuW/E DE-R 1617).
Die Feststellung, dass der NCG-Preis der wettbewerbsanaloge Preis für Kraftwerksgas ist, würde den Nachweis voraussetzen, dass auf diesem Markt Kraftwerksgas gehandelt wird oder diesem die dort gehandelten Produkte sehr ähnlich sind, sodass mit Korrekturaufschlägen der hypothetische Wettbewerbspreis ermittelt werden kann (vgl Nothdurft in Langen/Bunte , Kartellrecht I 12 § 19 GWB Rz 111, 113 mwN). Solches hat die Antragstellerin nicht dargetan.
Die Antragstellerin brachte im erstinstanzlichen Verfahren vor (ON 14):
a) Die Differenz zwischen AP 1 und AP 2 markiere jene Marge, durch die die Antragsgegnerin den Missbrauchstatbestand des § 5 Abs 1 Z 1 KartG verwirkliche. Mit den Lieferungen über die Jahresmindestmenge stehe sie in Konkurrenz zu anderen Gaslieferanten. Ihr Angebot für diese Mehrmengen entspreche der Verhaltensweise eines Unternehmens unter den Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs. Dieses Mehrmengenangebot sei hinsichtlich der Liefercharakteristik vollständig mit den Lieferungen im Rahmen der Jahresmindestmenge vergleichbar, gelte doch die vertragliche Flexibilitätsregelung für den Gesamtbezug. Der einfachste Vergleichsmaßstab zur Beurteilung des Preisverhaltens sei daher der AP 2.
b) in Aufschlag auf den NCG im Hinblick auf die Strukturierung der Lieferungen sei jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, solange die Antragsgegnerin einen Grundpreis verrechne. Für diese Leistungskomponente gebe es einen tauglichen Vergleichsmaßstab. Letztendlich basierten alle Möglichkeiten einer flexiblen Belieferung auf Speicherleistungen. Der Konzern, dem die Antragsgegnerin angehöre, sei seit 2012 durch eine Tochtergesellschaft in Österreich als Anbieter von Speicherleistungen tätig. An deren Speicher habe sich die Antragstellerin beteiligt. Würde sie das benötigte Erdgas in Form von Tagesbändern am NCG beschaffen und die restliche Strukturierung bis zur maximalen vertraglichen Stundenleistung ausschließlich über diesen Speicher vornehmen, bedürfte es einer zusätzlichen Ausspeicherleistung von 300 MWh/h. Ausgehend vom Speicherkontrakt der Antragstellerin ergäben sich Jahreskosten von 1,9 Mio EUR. Im Vergleich dazu liege der mit der Antragsgegnerin vereinbarte Grundpreis erheblich höher.
Die Antragsgegnerin hat dem Vorbringen b) erwidert (ON 16), es treffe nicht zu, dass sich das von der Antragstellerin bezogene Produkt aus einem fixen Bandteil und einem flexiblen Strukturanteil zusammensetze. Sie habe jederzeit das vertragliche Recht, den Gasbezug kurzfristig auf Null zu reduzieren. Tatsächlich habe der geringste seit Abschluss der 2. Nachtragsvereinbarung nominierte Abnahmewert 3,38 MWh (0,4 % der maximalen Leistung) betragen. Diesem Vorbringen ist die Antragstellerin nicht mit konkreten Behauptungen entgegengetreten. Ihr Vorbringen war demnach nicht geeignet, eine Überhöhung des Grundpreises darzutun.
Die Ableitung eines überhöhten Arbeitspreises aus dem vereinbarten AP 2 ist nicht plausibel. Daraus, dass dieser Preis, der nur einen sehr geringen fixen Aufschlag zum vertraglich definierten NCG-Preis enthält, für die nicht gebundenen Teile der Jahresmenge vereinbart wurde, lässt sich nicht darauf schließen, dass ein NCG-Preis jener Arbeitspreis für Kraftwerksgas ist, der sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde. Der AP 1 läge selbst bei einer ausschließlichen Bindung an den NCG-Preis deutlich über dem AP 2, weil er einen Fixbetrag enthält, der ein Vielfaches des fixen Bestandteils des AP 2 beträgt. Der AP 1 ist der Preis für die (jedenfalls zu bezahlende) Mindestmenge. Es liegt der Schluss nahe, dass der AP 2 deshalb deutlich günstiger als der AP 1 angesetzt wurde, um die restlichen 30 % der Jahresmenge nicht an die Wettbewerber zu verlieren, aber nicht der Schluss, dass bei wirksamem Wettbewerb nicht ein höherer als der AP 2 als Arbeitspreis für die Gesamtmenge an Kraftwerksgas durchsetzbar wäre, wenn Kraftwerksgas ohne Mindestabnahmeverpflichtung überhaupt bezogen werden könnte. Ein ausreichendes Indiz für eine missbräuchliche Höhe des von der Antragsgegnerin geforderten Preises ist somit nicht dargetan.
Dem Rekurs war aus diesen Gründen nicht stattzugeben.
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