OGH 15Os9/94

OGH15Os9/943.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr.Rudolf H***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 16.Dezember 1993, GZ 14 Vr 507/93-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens im außerordentlichen Weg gemäß § 362 StPO wird abgewiesen.

III. Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5. September 1991, GZ 26 Vr 2265/89-1137, wurde unter anderem Dr.Rudolf H***** des in vierundzwanzig Fällen begangenen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB, des in zwei Fällen verübten Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB, des in drei Fällen begangenen Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie § 15 StGB, des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB sowie des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Seiner Nichtigkeitsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof teilweise Folge, hob das Urteil in einer Reihe von Schuldspruchfakten und im Strafausspruch auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Urteilsaufhebung an das Erstgericht zurück, teils wurde die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten zurückgewiesen, teils wurde sie verworfen. Demnach ist das im ersten Verfahrensgang erflossene Urteil in den Schuldsprüchen C I 3 und 5 (wegen des in zwei Fällen begangenen Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB), D I (wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB) und D III (wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB) in Rechtskraft erwachsen.

In der Folge wurde die Strafsache an das Landesgericht Wels delegiert. Mit Beschluß vom 22.Juli 1993 hat das Landesgericht Wels über Antrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 26.April 1993 das Strafverfahren im Umfang der erwähnten, in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche gemäß § 57 StPO ausgeschieden (ON 8); die dagegen erhobene Beschwerde des Angeklagten wurde vom Oberlandesgericht Linz als unzulässig zurückgewiesen (ON 11). Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wurde Dr.Rudolf H***** in Festsetzung der Strafe im Umfang der rechtskräftigen Schuldsprüche aus dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 5.September 1991, AZ 26 Vr 2265/89, Punkte C I 3 und 5 sowie D I und III nach § 156 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 43 a Abs. 4 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 4.April 1984, 15,20 Uhr, bis 30.August 1984, 17,15 Uhr, und vom 5.Juni 1991, 11,30 Uhr, bis 9.April 1992, 16,15 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Gründe der Z 4 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO stützt; der Strafausspruch wird sowohl von ihm als auch von der Staatsanwaltschaft mit Berufung angefochten. Der Angeklagte beantragt überdies ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 362 StPO.

I. Zur Verfahrensrüge (Z 4):

Nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 16. Dezember 1993 stellte der Angeklagte fünf Anträge: Der erste Antrag zielte auf die Zustellung einer Ausfertigung der Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 26.April 1993 (mit dem die Rückleitung des Aktes an den Untersuchungsrichter beim Landesgericht Wels beantragt wurde) ab. Mit dem zweiten Antrag begehrte der Angeklagte die Zustellung einer Beschlußausfertigung, "welche die Grundlage für die Rückleitung des Aktes nach Ausscheiden der gegenständlichen Fakten bildet und nicht auf dem Antrag der Staatsanwaltschaft vom 26.4.1993 fußt". Antrag 3 lautet auf Zustellung einer Ausfertigung des Beschlusses, aus welchem die Einbeziehung des Aktes AZ 24 Vr 1186/91 des Landesgerichtes Linz in den Akt AZ 26 Vr 2265/89, "nunmehr beim Untersuchungsrichter des LG Wels, über Beschluß oder Verfügung des Herrn Vorsitzenden hervorgeht". Inhalt des Antrages 4 war die Beischaffung des gesamten ausgeschiedenen Aktes, ehemals AZ 26 Vr 2265/89 LG Linz inklusive des offenbar mittlerweile einbezogenen Aktes AZ 24 Vr 1186/91 LG Linz.

Beweisthema dieser vier Anträge war, daß weder dem Angeklagten, noch der Verteidigung vor Beschlußfassung zu den Anträgen der Staatsanwaltschaft Gehör gegeben worden sei und die Trennung der Verfahren nicht der Vermeidung von Verzögerungen diene, sondern diese produziere.

Schließlich begehrte der Beschwerdeführer die Beischaffung des ihn betreffenden Konkursaktes sowie die Einsicht in eine Ausfertigung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Wels vom 18.August 1993 (Beilagen ./2 zum Hauptverhandlungsprotokoll) zum Beweis dafür, daß aus den Tathandlungen des Angeklagten (C I 3 und C I 5 des im ersten Verfahrensgang geschöpften Urteils) "zumindest" nun für die I***** und die Franz B***** GesmbH & Co KG kein Schaden mehr bestehe.

Nach Anhörung des öffentlichen Anklägers wies das Erstgericht mit Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO den Antrag auf Beischaffung des beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Wels (nunmehr) zum AZ 17 Ur 95/93 befindlichen Aktes ab; zu den "übrigen Anträgen Punkt 1 und 2" verwies es auf "ON 8" (d.i. der im Zwischenverfahren ergangene Ausscheidungsbeschluß vom 22.Juli 1993). Hinsichtlich des Antrages auf Zustellung einer Ausfertigung des Beschlusses, mit dem das vormalige Verfahren AZ 24 Vr 1186/91 des Landesgerichtes Linz in das Verfahren AZ 17 Ur 95/93 des Landesgerichtes Wels einbezogen wurde, führte das Schöffengericht aus, daß dieser Antrag in "diesem" (17 Ur 95/93) Verfahren hätte gestellt werden müssen.

Eine Beschlußfassung über den Antrag auf Beischaffung des erwähnten Konkursaktes und die Einsicht in die Beschlußausfertigung des Bezirksgerichtes Wels vom 18.August 1993 unterblieb.

In der Verfahrensrüge moniert der Beschwerdeführer die vorgenommene Ausscheidung sowie das Unterbleiben der Beischaffung des Konkursaktes und der Einsicht in den erwähnten Beschluß des Bezirksgerichtes Wels.

Zum ersten Beschwerdeeinwand ist davon auszugehen, daß der Angeklagte nach dem als öffentliche Urkunde vollen Beweis machenden Hauptverhandlungsprotokoll, dessen Berichtigung im übrigen gar nicht begehrt wurde, in der Hauptverhandlung bloß den Antrag auf Zustellung von Beschlußausfertigungen, jedoch - entgegen seinem Beschwerdevorbringen - keinen Antrag gestellt hat, der auf eine "Rückeinbeziehung aller ausgeschiedenen Fakten" abzielte. Insofern fehlt es ihm demnach schon an der für die Erhebung der Verfahrensrüge erforderlichen Legitimation (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 15).

Unerfindlich bleibt der in diesem Zusammenhang auf Art 6 Abs 1 EMRK bezogene Beschwerdeeinwand einer unvertretbaren Verfahrensverzögerung; wurde doch vorliegend in Ansehung der spruchreifen Fakten ein Urteil (erster Instanz) geschöpft, was bei Wiedereinbeziehung der ausgeschiedenen Fakten ersichtlich (noch) nicht möglich gewesen wäre. Allfälligen Verfahrensverzögerungen im ausgeschiedenen Verfahren, auf die der Beschwerdeführer der Sache nach abstellt, kann er mit den dort vorgesehenen Rechtsbehelfen begegnen, nicht jedoch mit einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das im vorliegenden Verfahren gefällte Urteil.

Durch die Beischaffung des Konkursaktes und die Einsicht (Verlesung) des erwähnten Beschlusses des Bezirksgerichtes Wels hätte nach dem Inhalt des im Antrag angeführten Beweisthemas erwiesen werden sollen, daß bei den Gläubigern kein Schaden mehr besteht; dies sei für die Strafbemessung von Bedeutung (S 78). Sofern in der Beschwerde nunmehr behauptet wird, aus dem Konkursakt ginge hervor, daß der Angeklagte von Anfang an über einen präsenten Deckungsfonds verfügte, sodaß entgegen den Feststellungen im rechtskräftig beendeten Verfahren überhaupt kein Schaden entstanden ist, wird die Beschwerde nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil bei Prüfung der Verfahrensrüge stets von dem in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag, sonach von dem dort angebotenen Beweismittel und dem dort genannten Beweisthema auszugehen ist. Daß der Angeklagte von Anfang an über einen präsenten Deckungsfonds verfügte und daß von Anfang an überhaupt kein Schaden entstanden ist, war nicht Thema des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages.

Die dahin gehenden Beschwerdeausführungen zielen der Sache nach überdies darauf ab, die bereits im ersten Verfahrensgang rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche in den Fakten C I 3 und C I 5 in Frage zu stellen, stellen somit einen prozessual unzulässigen Vorgang dar (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 289 E 11a).

Soweit hingegen der in erster Instanz gestellte Beweisantrag der Dartuung einer Schadensgutmachung, somit eines Milderungsgrundes (§ 34 Z 14 StGB), dienen sollte, ist die Verfahrensrüge unbeachtlich, weil dieser Umstand weder für die Entscheidung über die Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung ist, sondern nur die Strafbemessung beeinflussen könnte (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 64), was dementsprechend nur im Rahmen der Strafberufung geltend gemacht werden kann.

Zur Strafzumessungsrüge (Z 11):

Sie ist unbegründet. Mit dem Vorbringen, daß im Spruch des Ersturteils die dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten nicht wörtlich angeführt wurden, wird weder eine Überschreitung der Strafbefugnis, noch eine offenbar unrichtige Beurteilung der für die Strafbemessung entscheidenden Tatsachen, noch ein unvertretbarer Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung behauptet. Nur am Rande sei erwähnt, daß eine neuerliche Zitierung der Schuldsprüche im Urteilstenor überflüssig und rechtlich verfehlt gewesen wäre (Mayerhofer-Rieder StPO § 289 E4).

Sofern sich der Angeklagte aber darüber für beschwert erachtet, daß angesichts der Anwendung des § 43 a Abs. 4 StGB über ihn eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verhängt und die Vorhaft in der Dauer von fünfzehn Monaten "zwar förmlich angerechnet" wurde, dabei aber drei Monate Vorhaft unberücksichtigt geblieben seien und diese restliche Vorhaft auf den bedingt nachgesehenen Teil der Freiheitsstrafe anzurechnen gewesen wäre, ist ihm zu entgegnen, daß die Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 StGB uneingeschränkt auf die verhängte Strafe(n) anzurechnen ist. Eine Einschränkung der Vorhaftanrechnung auf bestimmte Strafen oder einen bestimmten Strafteil ist unzulässig (Mayerhofer-Rieder StGB3 E 26 zu § 38). Dies bedeutet für den theoretischen Fall der Rechtskraft des erstgerichtlichen Strafausspruches, daß durch die angerechnete Vorhaft in der Dauer von fünfzehn Monaten zunächst der nicht bedingt nachgesehene Teil der Strafe in der Dauer eines Jahres als vollzogen anzusehen wäre und für den Fall des Widerrufes der bedingten Nachsicht des Teils der Strafe im Ausmaß von zwei Jahren beim Strafvollzug die restliche angerechnete Vorhaft in der Dauer von drei Monaten als verbüßt zu gelten hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen fällt demnach in die Kompetenz des örtlich zuständigen Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

III. Zum Antrag auf Wiederaufnahme im außerordentlichen Weg gemäß § 362 StPO:

Eine Antragslegitimation steht gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO ausschließlich dem Generalprokurator zu, der vorliegend nach Einsicht in die Akten keinen derartigen Antrag stellte.

Darauf abzielende Anträge von Privaten, somit auch des Angeklagten Dr.H*****, sind nach dem Wortlaut des § 362 Abs 3 StPO abzuweisen, wobei es sich der Sache nach dabei - entsprechend neuerer Prozeßrechtsterminologie - um eine Zurückweisung handelt (15 Os 139-142/92, 15 Os 100,103/92).

Eine amtswegige Verfügung des Obersten Gerichtshofes nach § 362 Abs 1 Z 1 StPO setzt hingegen eine vorläufige Beratung über eine (in den Prozeßgesetzen vorgesehene und zulässige) Nichtigkeitsbeschwerde und/oder eine öffentliche Verhandlung darüber voraus. Vorliegend wurden die Schuldsprüche in den Urteilsfakten C I 3, C I 5, D I und D III des im ersten Verfahrensgang erflossenen Urteils vom 5.September 1991 durch die assertorische Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17.Dezember 1992, GZ 15 Os 42/92-22, rechtskräftig. Infolge der damit eingetretenen Rechtskraftwirkung bleibt im zweiten Verfahrensgang insoweit gar kein Raum für eine amtswegige Maßnahme nach § 362 Abs 1 Z 1 StPO.

Überdies leuchtet auch aus dem Beschwerdevorbringen, es seien "zu allen gegenständlichen Fakten" "seit der Fällung des (im ersten Verfahrensgang der Kognition des Obersten Gerichtshofes unterworfenen) Schöffenurteils vom 5.9.1991 des Landesgerichtes Linz neue Tatsachen und Beweismittel aufgetaucht" (S 11 der Nichtigkeitsbeschwerde), hervor, daß in Wahrheit gar keine die hier interessierenden Fakten betreffenden Bedenken gegen das im ersten Verfahrensgang geschöpfte Urteil des Schöffengerichtes geltend gemacht, sondern Wiederaufnahmegründe iSd § 353 Z 2 StPO behauptet werden, deren Darstellung in einer Nichtigkeitsbeschwerde prozessual verfehlt ist.

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