OGH 15Os93/23z

OGH15Os93/23z4.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen R* H* und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 37 Hv 10/23m des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 18. April 2023, GZ 37 Hv 10/23m‑83.4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00093.23Z.1004.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. April 2023, GZ 37 Hv 10/23m‑83.4, verletzt

1./ in den Schuldsprüchen V./ und X./A./3./ § 27 Abs 3 SMG,

2./ in den Schuldsprüchen VI./ und X./B./1./ § 28 Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 und

3./ in den Schuldsprüchen VII./ und X./B./2./ § 28 Abs 2 ADBG 2021.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der von den Schuldsprüchen V./ und X./A./3./ erfassten Taten (auch) unter § 27 Abs 3 SMG, in der rechtlichen Unterstellung der von den Schuldsprüchen VI./ und X./B./1./ erfassten Taten (auch) unter § 28 Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 sowie in den Schuldsprüchen VII./ und X./B./2./ und in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung beim Angeklagten R* H*) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil vom 18. April 2023, GZ 37 Hv 10/23m‑83.4, erkannte das Landesgericht Wiener Neustadt – soweit hier von Relevanz – R* H* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2, Abs 3 SMG (V./), des Verbrechens nach (richtig:) § 28 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 4 Z 2, Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 (VI./) sowie des Vergehens nach § 28 Abs 2 ADBG 2021 (VII./) und B* H* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 2, Abs 3 SMG (X./A./3./), des Verbrechens nach (richtig:) § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 4 Z 2, Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 (X./B./1./) sowie des Vergehens nach § 12 dritter Fall StGB (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0117320), § 28 Abs 2 ADBG 2021 (X./B./2./) schuldig.

[2] Während die Angeklagten auf Rechtsmittel verzichteten (ON 83.3 S 105), erhob die Staatsanwaltschaft in Bezug auf R* H* Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 1.74, 84), über die das Oberlandesgericht Wien, AZ 31 Bs 167/23w, noch nicht entschieden hat.

[3] Nach dem Inhalt des Urteils hat in G*

R* H*

V./ am (richtig: bis) 13. August 2022 in einer Indoor-Plantage gewerbsmäßig zwölf Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung von Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (mit den Wirkstoffen Delta‑9‑THC und THCA), angebaut;

VI./ von 2016 bis 13. August 2022 zu Zwecken des Dopings im Zusammenhang mit jeglicher sportlichen Aktivität in der Referenzliste der Anti-Doping-Konvention (Verbotsliste) genannte anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, Hormone sowie Stoffwechsel-Modulatoren, nämlich Drostanolonpropionat, GW1516 (GW501516), Ibutamoren, LGD‑4033, Ostarin, RAD‑140, Somatropin, Testosteron, Testosteronenantat, Testosteronpropionat und Trenbolonacetat in einer die Grenzmenge (§ 28 Abs 7 ADBG 2021) übersteigenden Menge durch gewinnbringenden Verkauf in einer Vielzahl von Angriffen an eine große Zahl unbekannter Abnehmer in Verkehr gesetzt, wobei er innerhalb der letzten zwölf Monate vor der Tat zumindest drei solche Taten begangen hatte und in der Absicht handelte, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

VII./ am 13. August 2022 in der Verbotsliste genannte anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, Hormone sowie Stoffwechsel‑Modulatoren, nämlich Drostanolonpropionat, GW1516 (GW501516), Ibutamoren, LGD‑4033, Ostarin, RAD‑140, Somatropin, Testosteron, Testosteronenantat, Testosteronpropionat und Trenbolonacetat vorschriftswidrig in einer die Grenzmenge (§ 28 Abs 7 ADBG 2021) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass sie zu Zwecken des Dopings im Zusammenhang mit jeglicher sportlichen Aktivität in Verkehr gesetzt werden, indem er die angeführten Substanzen beinhaltende Präparate in einer die Grenzmenge um das ca 122.900‑fache übersteigenden Menge an seiner Wohnadresse für den Weiterverkauf bereithielt;

B* H*

X./A./3./ (richtig:) bis 13. August 2022 zu der unter V./ angeführten strafbaren Handlung des R* H* beigetragen, indem sie sich während seiner urlaubsbedingten Abwesenheiten um die Hanfpflanzen kümmerte und diese insbesondere goss;

X./B./1./ und 2./ in einem nicht festzustellenden Zeitraum bis 2022 zu den unter VI./ und VII./ angeführten strafbaren Handlungen des R* H* beigetragen, indem sie die Bestellungen für die dem ADBG 2021 unterliegenden Substanzen in Auftrag gab, ihr Konto für die Verrechnung und Bezahlung zur Verfügung stellte, die Abmischung der Substanzen und die Abfüllung in einer Kapselmaschine vornahm, während seiner Abwesenheit den Verkauf der verbotenen Substanzen übernahm und diese zur Abholung durch Abnehmer bereithielt oder an sie versendete.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. April 2023 steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz aus nachfolgenden Erwägungen nicht im Einklang:

[5] 1./ Das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG verwirklicht, wer vorschriftswidrig die Cannabispflanze zum Zweck der Suchtgiftgewinnung anbaut. Nach § 27 Abs 3 SMG ist die gewerbsmäßige Begehung einer solchen Tat qualifiziert.

[6] Das Erstgericht stellte fest, dass anlässlich der Festnahme des Angeklagten R* H* und einer bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung eine Indoor-Cannabis-Plantage mit zwölf Cannabis-Stecklingen gefunden wurde, er diese Pflanzen mit den Wirkstoffen Delta-9-THC und THCA anbauen und dieses (gewonnene Suchtgift) durch späteren gewinnbringenden Verkauf in Verkehr setzen wollte und dabei in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Handlungen mehrere Jahre hindurch ein nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen. Die Angeklagte B* H* trug bedingt vorsätzlich (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) zur strafbaren Handlung des Angeklagten bei, indem sie ihm bei der Pflege der Pflanzen half; sie handelte gleichermaßen in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Beitragshandlungen mehrere Jahre hindurch ein nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen (US 16 f, 19 f).

[7] Gewerbsmäßiger Anbau der Cannabispflanze zum Zweck der Suchtgiftgewinnung nach § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall und Abs 3 SMG kommt nur dann in Betracht, wenn gerade diese Tathandlung (der Anbau) in der Absicht begangen wurde, aus ihr selbst (und nicht etwa aus dem späteren gewinnbringenden Verkauf) eine fortlaufende Einnahme zu erzielen (vgl 15 Os 163/12b, 14 Os 7/15h).

[8] Feststellungen zu einer aus dem Cannabisanbau selbst erfolgten Einkommenserzielung traf das Erstgericht indessen nicht. Die Urteilsannahmen zur auf die Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme gerichteten Absicht bleiben damit ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).

[9] Konstatierungen zu den alternativen Voraussetzungen des § 70 Abs 1 Z 1 bis 3 StGB (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/1) finden sich im Urteil ebenso wenig.

[10] Die erstgerichtlichen Sachverhaltsannahmen vermögen daher die vorgenommene Subsumtion (auch) unter § 27 Abs 3 SMG (V./ und X./A./3./) nicht zu tragen.

[11] 2./ Das Vergehen nach § 28 Abs 1 Z 1 ADBG 2021 begeht, wer zu Zwecken des Dopings im Zusammenhang mit jeglicher sportlichen Aktivität für alle Sportarten verbotene Wirkstoffe gemäß Referenzliste der Anti-Doping-Konvention (Verbotsliste), soweit diese nicht Suchtmittel im Sinn des Suchtmittelgesetzes sind, – ua – in Verkehr setzt. Die Qualifikation nach Abs 4 Z 2 leg cit verlangt neben der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, dass der Täter innerhalb der letzten zwölf Monate vor der Tat (hier: nach Abs 1 Z 1) zumindest drei solche Taten beging. Wer eine Straftat nach Abs 4 in Bezug auf in der Verbotsliste genannte anabole Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, verwandte Substanzen und Mimetika, Hormone und Stoffwechsel-Modulatoren begeht, erfüllt die (weitere) Qualifikation nach Abs 5 erster Fall des § 28 ADBG 2021, soweit es sich aber um eine die Grenzmenge (Abs 7) übersteigende Menge handelt, jene nach Abs 5 zweiter Fall.

[12] Demnach erfordert § 28 Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 die Begehung von vier selbstständigen Taten in Bezug auf die in Abs 5 angeführten besonderen Stoffe jeweils in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (15 Os 105/14a; Tipold in WK2 ADBG 2021 § 28 Rz 51; Salimi in Leukauf/Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze3 § 28 ADBG Rz 47).

[13] In einem Urteil sind für die (rechtliche) Beurteilung des Vorliegens einer die Grenzmenge (§ 28 Abs 7 ADBG 2021 iVm der ADGMV 2015) übersteigenden Menge daher (auch) Sachverhaltsannahmen zu Menge und Reinsubstanzgehalt der verbotenen Wirkstoffe unerlässlich (RIS‑Justiz RS0111350 [T15]). Diesen Anforderungen wird aber die vom Erstgericht konstatierte Überschreitung der „relevanten, in der Grenzmengenverordnung 2015, BGBl II 2014/384, genannten Grenzmengen“ (US 17) nicht gerecht. Feststellungen, wonach die Angeklagten innerhalb von zwölf Monaten vor einer die Qualifikation nach § 28 Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 auslösenden Tat drei solche (gleichermaßen in Bezug auf Wirkstoff und Menge qualifizierte) Taten begangen hätten, wurden ebenso wenig getroffen. Die konstatierte „Vielzahl an Angriffen im Jahr“ (US 17) lässt insoweit nämlich bloß einen Feststellungswillen der Tatrichter in Bezug auf mengenmäßig nicht qualifizierte Taten erkennen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19). Gleiches gilt für die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (US 21 ff).

[14] Die erstgerichtlichen Feststellungen tragen demnach die vorgenommene Subsumtion (auch) unter § 28 Abs 5 zweiter Fall ADBG 2021 (VI./ und X./B./1./) nicht.

[15] Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es der erkennbar auf § 70 Abs 1 und 2 StGB Bezug nehmenden Konstatierungen zur Höhe des zu erzielenden Einkommens (US 22 f) nicht bedurft hätte, weil § 28 Abs 4 Z 2 ADBG 2021 bloß die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht aber Gewerbsmäßigkeit iSd § 70 StGB verlangt (Tipold in WK2 ADBG 2021 § 28 Rz 48; Salimi in Leukauf/Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze3 § 28 ADBG Rz 43).

[16] 3./ § 28 Abs 2 ADBG 2021 stellt den vorschriftswidrigen Besitz in der Verbotsliste genannter anaboler Substanzen, Peptidhormone, Wachstumsfaktoren, verwandter Substanzen und Mimetika, Hormone und Stoffwechsel-Modulatoren in einer die Grenzmenge (Abs 7) übersteigenden Menge unter Strafe, soweit der Täter – im hier relevanten Fall – den Vorsatz hat, dass sie zu Zwecken des Dopings im Zusammenhang mit jeglicher sportlichen Aktivität in Verkehr gesetzt werden.

[17] Die Sachverhaltsannahmen, nach denen R* H* bei seiner Festnahme am 13. August 2022 im Besitz der im Urteilsspruch genannten anabolen Substanzen war und diese für die Aufbereitung und den Weiterverkauf an unbekannte Hobbysportler bereit hielt, wobei die „relevanten, in der Grenzmengenverordnung 2015, BGBl II 2014/384, genannten Grenzmengen […] um das 122.911,4‑fache überschritten“ wurden (US 17 f), lassen neuerlich Angaben zu Menge und Reinsubstanzgehalt der verbotenen Wirkstoffe vermissen, weshalb sie die Subsumtion unter § 28 Abs 2 ADBG 2021 nicht zu tragen vermögen (erneut RIS‑Justiz RS0111350 [T15]). Das gilt gleichermaßen für die konstatierten Beitragshandlungen der B* H* (US 19) sowie die – bloß am Wortlaut dieser Bestimmung orientierten und damit ohne Sachverhaltsbezug bleibenden (erneut RIS‑Justiz RS0119090) – Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 22 f).

[18] Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil der Angeklagten auswirken, war deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zuzuerkennen. Die Berufung ist damit gegenstandslos.

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