OGH 15Os90/93

OGH15Os90/9326.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus W***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs.1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 23.April 1993, GZ 26 Vr 3395/92-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, und des Verteidigers Dr.Riedmüller, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Betruges nach § 146 StGB (= Urteilspunkte B/ und C/) enhält - wurde Markus W***** überdies zu Urteilspunkt A/ des Verbrechens der Brandstiftung nach § 160 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 21.November 1992 in K***** an einer fremden Sache, nämlich dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude K*****, B***** Nr 7, ohne Einwilligung des Eigentümers Johann S***** dadurch eine Feuersbrunst verursacht, daß er mit einem Einwegfeuerzeug einen Heustock entzündete, worauf es zu einem ausgedehnten Schadensfeuer kam.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes entzündete der wohl alkoholisierte, aber nicht voll berauschte Angeklagte am 21. November 1992 in K***** kurz nach Mitternacht im Wohn- und Wirtschaftsgebäude des sogenannten "B*****" ohne Einwilligung des Eigentümers Johann S***** mit einem Einwegfeuerzeug den südlichsten Heustock der Tenne, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und "billigend in Kauf nahm", daß er durch das Entzünden des Heustocks an einer fremden Sache eine Feuersbrunst verursache. Sodann verließ er die Tenne und betrachtete von außen den weiteren Brandverlauf. Als er nach ca 10 Minuten starken Rauchaustritt wahrnahm, rannte er zum Wohnhaus des Brandbetroffenen, meldete den Brand und begann selbst mit den ersten Löschmaßnahmen. Da sich der Brand jedoch zwischenzeitlich bereits ausgeweitet hatte, war der Einsatz der freiwilligen Feuerwehr K***** mit einer Stärke von 40 Mann und unter Verwendung von Atemschutzgeräten zur Löschung des ausgedehnten Schadensfeuers erforderlich. Von den Feuerwehrmännern mußte aus löschtechnischen Gründen der angezündete Heustock aus der Tenne entfernt werden, um ein Übergreifen auf den gesamten Tennenbereich zu verhindern. Dies war erforderlich, weil sich der Brand bereits rund um den 1.Stock ausgebreitet hatte und ein Zugang zu den diversen Glut- und Flammennestern nicht möglich gewesen wäre. Zu diesem Zweck mußte auch ein Teil der Außenverschalungen entfernt werden. Der gesamte Löschvorgang dauerte bis gegen 7,00 Uhr desselben Tages. Der durch den Brand entstandene Schaden liegt im Bereich von ca S 100.000,-- (US 2 und 5 f).

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen § 169 Abs. 1 StGB bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten, der Sache nach jedoch die Z 10 der zitierten Gesetzesstelle relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher gerügt wird, daß die erstgerichtlichen Feststellungen für die Annahme der Deliktsvollendung nicht ausreichen, weil das Urteil nicht erkennen lasse, ob und bejahendenfalls welche Gebäudeteile (in seiner Entscheidung vom 16.November 1989, 12 Os 117/89, habe der Oberste Gerichtshof zu dem dort zu beurteilenden Fall ausgeführt, daß Deliktsvollendung nur dann vorliege, wenn auch die Holzdachkonstruktion vom Feuer erfaßt wurde) vom Brand betroffen waren und zerstört wurden.

Die Rüge übersieht, daß das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB als Erfolgsverursachungsdelikt nicht unbedingt umfangreiche (Gebäude-)Schäden, sondern lediglich die Verursachung einer Feuersbrunst voraussetzt. Eine Feuersbrunst ist ein ausgedehnter, sich weiter verbreitender Brand, der sich mit gewöhnlichen Mitteln nur mühsam oder überhaupt nicht beherrschen läßt, also ein elementares Schadensfeuer, das der Mensch nicht mehr in seiner Macht hat und das nur durch den Einsatz besonderer Mittel, wie etwa Feuerwehr, bekämpft werden kann, weshalb es Menschenleben und Eigentum in großem Ausmaß in Gefahr bringt, mag auch im Einzelfall hiedurch keine Gemeingefahr iS § 176 StGB herbeigeführt werden (Leukauf-Steininger, Komm3, § 169 RN 5). Dagegen ist - der Beschwerde zuwider - die Höhe des eingetretenen Schadens für die Annahme einer Feuersbrunst nicht maßgeblich; vielmehr kommt es auf die sich aus den Umständen des Brandes (Ausdehnung des Feuers, Gefahr der Weiterverbreitung, Schwierigkeit der Eindämmung usw) ergebende Unberechenbarkeit des Wachstums der Gefahr an (Mayerhofer-Rieder3, E 4 zu § 169 StGB).

Die besonderen Schwierigkeiten der Bekämpfung des vorliegenden Brandgeschehens ergibt sich bereits aus der Urteilsfeststellung der Notwendigkeit eines mehrstündigen Feuerwehreinsatzes. Das Erstgericht hat aber auch die zur Verwirklichung des Tatbildmerkmales der Feuersbrunst erforderliche räumliche Brandausdehnung zureichend festgestellt. Danach hat sich das Feuer rund um den südlichsten (somit einen von mehreren in der Tenne befindlichen) Heustöcke ausgebreitet, sodaß ein Zugang zu den diversen Glut- und Flammennestern nicht mehr möglich war. Befinden sich in einer Tenne aber mehrere Heustöcke, so kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß jeder von ihnen bereits für sich alleine eine derartige Größe aufweist, daß im Fall eines rundum brennenden Heustockes die obgenannte erforderliche Brandausdehnung gegeben ist. Daß dem Erstgericht bei Feststellung dieser für das Tatbild nach § 169 Abs. 1 StGB geforderten räumlichen Brandausdehnung kein Rechtsirrtum unterlaufen ist, ergibt sich im übrigen auch aus der Aussage des vom Brand betroffenen Johann S*****, wonach jeder der in der Tenne befindlichen Heustöcke eine Größe von etwa 5 m x 4 m x 6 m aufwies (AS 157 f). Anders als etwa bei einem im Freien isoliert stehenden derartigen Heustock besteht beim Vollbrand einer derart großen Heulagerung in einer Tenne eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes, in der noch mehrere derartige Heustöcke gelagert sind, wegen der besonderen Schwierigkeit der Eindämmung solch umfangreicher Heubrände die Gefahr der Weiterverbreitung auf weitere Heulagerungen und von dort auf das an die Tenne angrenzende Wohngebäude.

Die von der Beschwerde vermißten Feststellungen über das Ausmaß des Brandes hat das Erstgericht ohnedies getroffen (US 6). Darnach hatte sich der Brand rund um den ersten Stock ausgebreitet, der gesamte Heustock brannte und mußte daher von den Feuerwehrleuten (deren Einsatz notwendig war) nach Entfernung eines Teiles der Außenverschalung der Tenne ins Freie verfrachtet werden, um ein Übergreifen des Feuers auf den gesamten Tennenbereich zu verhindern. Darüber hinausgehende Feststellungen, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang es auch noch zu Gebäudeschäden gekommen ist, waren fallbezogen im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze nicht erforderlich, war doch durch den mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschbaren ausgedehnten Brand der Heulagerung in der Tenne das gesamte Wohn- und Wirtschaftsgebäude gefährdet.

Der Meinung des Beschwerdeführers zuwider ist aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.November 1989, 12 Os 117/89, aber auch nicht abzuleiten, daß ein Brandgeschehen innerhalb eines Gebäudes oder an einem Gebäude nur dann als Feuersbrunst einzustufen ist, wenn vom Brand auch die Dachkonstruktion betroffen ist. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall trotz fehlender Feststellungen über den erforderlichen Feuerwehreinsatz allein auf Grund der umfangreichen Brandschäden, insbesondere an der Holzdachkonstruktion, die erstgerichtliche Annahme des Vorliegens einer Feuersbrunst als gerechtfertigt bezeichnet.

Richtig gelesen ist aus dieser Entscheidung - ebenso wie aus der darin zitierten, in EvBl 1980/159 veröffentlichten Entscheidung, bei der Versuch einer Brandstiftung lediglich deshalb angenommen wurde, weil es nach den Urteilsfeststellungen nur zu einem relativ geringfügigen Dachbodenbrand gekommen war, bei dem ein Kinderwagen und ein Türblatt brannten und verkohlten und eine Plastikwanne schmolz, worauf die Holzdachkonstruktion nach Beendigung des durch die Feuerwehr innerhalb von 30 Minuten gelöschten Brandes lediglich Abbrandspuren aufwies - somit nur abzuleiten, daß bei Vorliegen einer erheblichen Beschädigung der Dachkonstruktion ein Schadensfeuer am Gebäude im Regelfall das Ausmaß einer Feuersbrunst erreicht haben wird. Eine derartige erhebliche Gebäudebeschädigung stellt demgemäß nur ein Indiz, nicht aber eine unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen des Tatbildmerkmales der Feuersbrunst dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 169 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, wobei es gemäß § 43 a Abs. 2 StGB einen Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis, die verminderte Dispositionsfähigkeit, daß der Betrug und die Körperverletzung zur letzten Verurteilung vom 19.November 1992 im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen sowie daß der Angeklagte selbst für die Verständigung der Feuerwehr gesorgt hat.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, deren gänzliche bedingte Nachsicht sowie in eventu die Verhängung einer Geldstrafe.

Auch die Berufung ist nicht begründet.

Die Tatrichter haben - abgesehen davon, daß der Umstand, daß der Angeklagte die Körperverletzung (Faktum B) und den Betrug (Faktum C) vor dem 19.November 1992 (dem Tag seiner letzten Vorabstrafung) beging und demnach eine Zusatzstrafe zu verhängen gewesen wäre, hätte er nicht am 21.November 1992 das Verbrechen der Brandstiftung begangen, keinen besonderen Milderungsgrund darstellt - die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig angeführt und diese - dem Berufungsvorbringen zuwider - auch zutreffend gewürdigt. Ausgehend von der Strafdrohung des § 169 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) wurde den Milderungsgründen ausreichend Rechnung getragen und eine überaus maßvolle Freiheitsstrafe ausgesprochen. Nach Lage des Falles verbietet der hohe Unrechtsgehalt des verfahrensgegenständlichen Verbrechens sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Belangen die Gewährung gänzlich bedingter Nachsicht der Freiheitsstrafe oder die Verhängung einer Geldstrafe.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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