OGH 15Os87/00

OGH15Os87/0010.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter H***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss der Ratskammer beim Landesgericht Eisenstadt vom 8. Juni 2000, AZ 6 Ur 165/00, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt vom 8. Juni 2000, AZ 6 Ur 165/00, verletzt § 113 Abs 1 erster Satz StPO.

Text

Gründe:

In der oben bezeichneten Strafsache beschloss der Untersuchungsrichter über Antrag des Beschuldigten am 5. Juni 2000 die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 41 Abs 2 StPO und die eines Pflichtverteidigers nach § 42 Abs 2 StPO. Mit Bescheid vom 7. Juni 2000, Zl Vs 175/00, bestellte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Burgenland gemäß § 45 RAO Rechtsanwalt Mag. Claus-Peter S***** zum Verteidiger im Rahmen der Beigebung.

Einer gegen die Beigebung nach § 41 Abs 2 StPO an die Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt erhobenen Beschwerde des Verteidigers gab diese mit Beschluss vom 8. Juni 2000, AZ 6 Ur 165/00, mit der wesentlichen Begründung keine Folge, dass die umfassende Beschwerdekompetenz der Ratskammer gemäß § 113 Abs 1 StPO dort ihre Grenze finde, wo der Gesetzgeber ausdrücklich einen anderen oder keinen Rechtszug vorsehe. Dies treffe auf die Verteidigerbestellung nach § 41 Abs 2 StPO zu, weil § 41 Abs 7 StPO die Beschwerde nur gegen die Abweisung eines darauf gerichteten Antrages eröffne. Im Übrigen sei es zweifelhaft, ob der bestellte Verteidiger selbst zur Bekämpfung eines Beschlusses nach § 41 Abs 2 StPO legitimiert sei.

Der Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt steht - wie der Generalprokurator in der dagegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß dem klaren Wortlaut des § 113 Abs 1 erster Satz StPO haben alle, die sich während der Vorerhebungen, der Voruntersuchung oder in dem der Einbringung der Anklageschrift nachfolgenden Verfahren durch eine Verfügung oder Verzögerung des Untersuchungsrichters beschwert erachten, das Recht, darüber, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, eine Entscheidung der Ratskammer zu verlangen und ihr Begehren schriftlich oder mündlich beim Untersuchungsrichter oder unmittelbar bei der Ratskammer anzubringen.

Dieses Beschwerderecht stand vorliegendenfalls auch Mag. Claus-Peter S***** zu. Daran ändert auch seine gemäß § 45 RAO durch die Rechtsanwaltskammer Burgenland erfolgte Bestellung zum Verteidiger nichts, weil der von ihm bekämpfte Beschluss des Untersuchungsrichters auf Beigebung eines Verteidigers die rechtliche Grundlage für den nachfolgenden Akt der Bestellung bildete (vgl Foregger/Fabrizy StPO8 § 41 Rz 6, 12). Er hatte aber auch ein rechtliches Interesse an einer Abänderung des erwähnten Beschlusses, zumal die Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO einen Honoraranspruch ausschließt (Foregger/Fabrizy aaO Rz 9 f).

Das umfassende Beschwerderecht gemäß § 113 Abs 1 StPO wurde durch die im Strafprozessänderungsgesetz 1993 neu geschaffene Bestimmung des § 41 Abs 7 StPO keineswegs eingeschränkt. Zweck dieser Gesetzesänderung war vielmehr, gegen die Verweigerung der Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO und gegen die Bestellung eines Verteidigers nach § 41 Abs 3 StPO generell und neben der Beschwerde an die Ratskammer nach § 113 Abs 1 StPO auch die Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof zu eröffnen (RV 924 BlgNR 18. GP, 18 f Punkt V.).

Da mit der Entscheidung der Ratskammer kein an ihre Gesetzwidrigkeit anknüpfender Nachteil für den im Verfahren des Landesgerichtes Eisenstadt strafgerichtlich Verfolgten verbunden ist, war lediglich die Gesetzesverletzung festzustellen.

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