OGH 15Os81/91

OGH15Os81/9122.8.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.August 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Markel und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian K***** und Franz G***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2. April 1991, GZ 28 Vr 3197/90-15, nach Anhörung der Generlprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil, das auch einen unangefochten gebliebenen Freispruch des Angeklagten Franz G***** sowie einen Verfolgungsvorbehalt gemäß § 263 Abs. 2 StPO enthält, wurden Christian K***** und Franz G***** des Verbrechens des durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt; ihnen liegt zur Last (zusammen mit dem derzeit flüchtigen und gesondert verfolgten Egon G*****, einem Bruder des Zweitangeklagten) am 19.November 1990 in Innsbruck der Christine GU***** einen Diaprojektor und einen Photoapparat im Gesamtwert von etwa 4.500 S durch Einbruch in deren PKW gestohlen zu haben.

Die Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde; beide stützen sich auf die Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO, Franz G***** auch auf die Z 5 a dieser Gesetzesstelle.

Die Rechtsmittelschrift des Angeklagten G***** (ON 20) wurde von der Einlaufstelle des Landesgerichtes Innsbruck mit dem Eingangsvermerk "7.Juni 1991" sowie dem zweimaligen Vermerk "Umschlag" versehen. In der zuständigen Geschäftsabteilung des Landesgerichtes Innsbruck wurde der betreffende Umschlag offenbar übersehen, weshalb in der Einlaufstelle nachgefragt wurde. Diese teilte hierauf mit, der Vermerk "Umschlag" sei irrtümlich angebracht worden, der Verteidiger des Angeklagten G***** habe die Rechtsmittelschrift (am 7.Juni 1991) überreicht (Aktenvermerk vom 7.Juni 1991 S 115). Ersichtlich im Hinblick darauf und weil im Akt weder bei der ON 20 noch in deren Nahbereich ein zu dieser Ordnungsnummer gehörender Umschlag einlag, wurde auch im Vorlagebericht als Datum der Rechtsmittelausführung des genannten Angeklagten der 7.Juni 1991 angeführt. Davon ausgehend wäre diese aber verspätet, weil die Ausführungsfrist am 6.Juni 1991 (einem Werktag) endete.

Beim Obersten Gerichtshof wurde in der Folge jedoch im Akt ein Briefumschlag betreffend eine am 6.Juni 1991 vom Verteidiger des Angeklagten G***** beim Postamt 6010 Innsbruck unter der Aufgabenummer R 572 b an das Landesgericht Innsbruck zur Post gegebene Briefsendung vorgefunden. Der um Auskunft ersuchte Verteidiger legte dem Obersten Gerichtshof die Ablichtung eines (mit dem Vermerk "Franz G***** Nichtigkeitsbeschw." versehenen) Postaufgabescheines vor, aus der sich ergibt, daß die betreffende Postsendung am 6.Juni 1991 unter der Aufgabenummer R 572 b an das Landesgericht Innsbruck zur Post gegeben wurde.

Damit steht fest, daß die Rechtsmittelschrift des Angeklagten G***** rechtzeitig zur Post gegeben wurde und die Auskunft der Einlaufstelle des Landesgerichtes Innsbruck, der Schriftsatz sei vom Verteidiger dieses Angeklagten (am 7.Juni 1991) überreicht worden, unrichtig ist.

Rechtliche Beurteilung

Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu. Gegenstand der Prüfung eines erstinstanzlichen Zwischenerkenntnisses können allein jene Gründe sein, die im Verfahren vor dem Erstgericht im Antrag (oder im Widerspruch) eines Angeklagten bezeichnet wurden; erst im Rechtsmittelverfahren hiezu vorgebrachte Gründe sind nicht zu berücksichtigen (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 40 f zu § 281 Abs. 1 Z 4).

Demnach sind alle jene Umstände unbeachtlich, die erst in den Nichtigkeitsbeschwerden angeführt werden: So die Ausführungen des Beschwerdeführers K*****, die Verteidigung hätte anläßlich einer Gegenüberstellung dieses Angeklagten mit der Zeugin R***** diese befragen wollen, welchen Anteil an der Tat dieser Angeklagte hatte, ob sie ihn wiedererkenne und ob sie genau wisse, welche Handlungen er vorgenommen habe (S 113); der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag sollte hingegen dartun, daß die Aussage dieses Beschwerdeführers jener der Zeugin "völlig entgegengesetzt ist" (S 84), ein Umstand, den das Schöffengericht im übrigen der Sache nach ohnedies als gegeben annahm (US 8, 11).

Gleiches gilt für die Beschwerdeausführungen des Angeklagten Franz G*****, er habe die Gegenüberstellung mit der Zeugin beantragt, weil "erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit und auch an der Beobachtungsgabe der Zeugin" bestünden (S 117); dieser Beschwerdeführer hatte sich insoweit bloß dem bereits zitierten Antrag des Mitangeklagten angeschlossen (S 85).

Soweit hingegen der Angeklagte K***** unter Bezugnahme auf § 152 StPO ausführt, eine Angstneurose der Zeugin R***** - aus diesem Grund wurde während deren Vernehmung das Abtreten der Angeklagten aus dem Sitzungssaal gemäß § 250 StPO

verfügt - befreie nicht von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses, geht er völlig daran vorbei, daß die Zeugin ein Entschlagungsrecht nach § 152 StPO gar nicht in Anspruch nahm, sondern - wenngleich in Abwesenheit der Angeklagten - eine Aussage ablegte.

Gleichermaßen unerfindlich bleibt der Einwand des Angeklagten Franz G*****, es müsse "dem Verteidiger wohl in einem Rechtsstaat die Möglichkeit gegeben werden, der gesamten Aussage einer Belastungszeugin ... zu folgen und auch entsprechende Fragen zu stellen"; waren doch die Verteidiger während der Vernehmung der Zeugin R***** anwesend und hatten Gelegenheit, Fragen an sie zu stellen, wovon sie auch Gebrauch machten (s. S 83, 84). Eine allfällige unzureichende Information des Verteidigers vor dieser Vernehmung, die der Beschwerdeführer G***** anzudeuten scheint, ist kein Verfahrensfehler des Gerichtes.

Zu den Beschwerdeausführungen der beiden Angeklagten, mit denen sie gegen die Abweisung ihres Antrages remonstrieren, ein Sachverständigengutachten über das Ausmaß der Angstneurose der Zeugin R***** und die Zumutbarkeit einer Gegenüberstellung (mit den Angeklagten) einzuholen (S 85), ist darauf zu verweisen, daß im Beweisantrag nicht dargetan wurde, inwiefern die Einholung des beantragten Gutachtens zur Beurteilung der Beweiskraft der Aussage der Zeugin dienlich sein könnte. Nur am Rande sei angemerkt, daß das vom Schöffengericht als glaubwürdig erachtete Vorbringen der Zeugin, wegen einer Angstneurose beim Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr.C***** in Behandlung zu stehen (S 82), auch in einer nachträglich vorgelegten Bescheinigung dieses Arztes über die Ängstlichkeit und eine reduzierte Belastbarkeit der Zeugin (Beilage zu S 107) Deckung findet.

Soweit sich schließlich der Angeklagte Franz G***** gegen die Abweisung seines Antrages auf Vornahme eines Ortsaugenscheins wendet, den er zum Beweis dafür gestellt hatte, daß "G***** aufgrund der Örtlichkeiten keinerlei Einblick in die Geschehnisse des Herrn K***** hatte" (S 85) - womit ersichtlich auf die Aussage der Zeugin R***** über die gute Sicht der beiden im Park stehenden Brüder G***** auf jenes Auto, in das K***** einbrach (S 83), abgestellt wurde - und dabei gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin polemisiert, unterlaufen ihm in seiner Argumentation Aktenwidrigkeiten. Denn die Zeugin berichtete niemals - wie der Beschwerdeführer behauptet - von einer Beute, "die in Koffern abtransportiert" wurde, sondern von einem "kleinen viereckigen Köfferchen" in der Größe eines Aktenkoffers (S 83 f), bzw. von einem "kleinen kofferähnlichen Gegenstand" (S 28), und zu der Beschwerdebehauptung, daß dieser "angebliche" Koffer "niemals existiert" habe, genügt es auf die Aussage des Mitangeklagten K***** zu verweisen, wonach es sich bei dem von der Zeugin beschriebenen "Köfferchen" um den Diaprojektor handelte (S 84).

Der Beschwerdeführer G***** vermag somit auch insoweit keinen stichhaltigen argumentativen Einwand gegen das bekämpfte Zwischenerkenntnis vorzubringen.

Gleichermaßen geht seine Tatsachenrüge (Z 5 a) fehl, soweit sie erneut die Existenz eines "Koffers" negiert.

Alle weiteren Ausführungen der Tatsachenrüge, die keine sich aus den Akten ergebenden Anhaltspunkte aufzuzeigen vermögen, aus denen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld des Beschwerdeführers G***** zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen abgeleitet werden könnten, stellen sich (bloß) als Versuch dar, die vom Schöffengericht - insbesondere auch auf Grund des von ihr gewonnenen persönlichen Eindrucks (US 9/10) - bejahte Glaubwürdigkeit der Zeugin R***** nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen Schuldberufung in Zweifel zu setzen, wobei überdies ein Teil des Vorbringens, nämlich, daß sich die Zeugin nach der Befragung durch den Verteidiger (des Beschwerdeführers) auf suggestive Befragung durch die Vorsitzende plötzlich habe erinnern können, doch eine Brille aufgehabt zu haben, dem Inhalt des - ungerügt

gebliebenen - Hauptverhandlungsprotokolls widerspricht und demnach aktenwidrig ist.

Aus den angeführten Gründen waren die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die (ausgeführten) Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten G***** sowie über die angemeldete (S 88), jedoch nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten K*****, die allerdings angesichts des Umstandes, daß nur eine Strafe (und keine sonstige Unrechtsfolge) ausgesprochen wurde, gemäß § 294 Abs. 2 StPO einer meritorischen Erledigung zuzuführen sein wird, ist demnach das Oberlandesgericht Innsbruck berufen (§ 285 i StPO).

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