Spruch:
Die im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 2010 enthaltene Anordnung der Urteilsveröffentlichung trotz Unterbleiben der Ladung der Medieninhaberin zur Hauptverhandlung verletzt § 41 Abs 6 erster Satz MedienG sowie § 6 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG und Art 6 Abs 1 MRK.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch über die Anordnung der Urteilsveröffentlichung aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit einer am 11. September 2009 beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 113 Hv 74/09v eingebrachten Privatanklage (ON 1) legte (der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs) Heinz-Christian S***** (dem Generalsekretär der Österreichischen Volkspartei) DI Fritz K***** ein als Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB beurteiltes strafbares Verhalten zur Last, weil er in einem in der Ausgabe der Tageszeitung „Österreich“ vom 2. September 2009 auf Seite 5 mit der Überschrift „VP-General über FP-Chef S*****: ‚Er ist ein Heuchler'“ veröffentlichten Interview behauptet habe, dass „Herr S***** auf seinen Disco-Touren offenbar Jugendliche aufklaubt, um sie dann als Söldner ausbilden zu lassen“.
Erstmals im Schlussvortrag in der Hauptverhandlung vom 12. Jänner 2010 (ON 10/S 11) stellte der Privatanklagevertreter einen Antrag auf Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs 1 erster Satz MedienG).
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 2010, GZ 113 Hv 74/09v-11, wurde der Angeklagte DI Fritz K***** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Zugleich (Spruchpunkt II./) wurde der Mediengruppe „Österreich“ GmbH als Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „Österreich“ gemäß § 34 Abs 1 MedienG die Urteilsveröffentlichung aufgetragen, obwohl die Medieninhaberin nicht zur Hauptverhandlung geladen worden war. Nach den Urteilsausführungen (US 11) ist die Ladung der Medieninhaberin deshalb unterblieben, weil „diese im schriftlichen Strafantrag nicht belangt worden war und ihre Haftung [zufolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 34 Abs 3a MedienG] nicht in Frage kam“.
Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte DI K***** Berufung (wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld), über die noch nicht entschieden worden ist (AZ 18 Bs 109/10a des Oberlandesgerichts Wien).
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 2010 steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - in seinem Ausspruch über die Urteilsveröffentlichung mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach § 41 Abs 6 erster Satz MedienG ist der Medieninhaber in den im Abs 1 bezeichneten Verfahren - somit auch in einem Strafverfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts - zur Hauptverhandlung zu laden. Dies setzt - der Rechtsansicht des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien zuwider - lege non distinguente keineswegs voraus, dass ein Antrag auf Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs 1 erster Satz MedienG) bereits im Strafantrag wegen eines Medieninhaltsdelikts gestellt wird, weil eine derartige Antragstellung (mangels entgegenstehender einschränkender Regelung in den Verfahrensvorschriften) dem Ankläger bis zum Schluss der Hauptverhandlung offen steht und daher aus Gründen der Logik nicht Bedingung der Verpflichtung zur Ladung des Medieninhabers zur Hauptverhandlung sein kann (vgl Rami in WK² § 41 MedienG Rz 28; Brandstetter/Schmid, MedienG² § 41 Rz 14; verfehlt Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG² § 41 Rz 24).
Verfehlt ist auch die aus seiner Argumentation hervorgehende Rechtsansicht des Einzelrichters, wonach die Verpflichtung zur Ladung des Medieninhabers zur Hauptverhandlung durch eine a priori-Verneinung des Ausschlussgrundes nach § 34 Abs 3a MedienG bedingt sein soll, kann die Verwirklichung dieses Ausschlussgrundes doch erst aufgrund der Verfahrensergebnisse zum Urteilszeitpunkt beurteilt werden. § 34 Abs 3a MedienG hat solcherart auf die Anwendung des § 41 Abs 6 MedienG keinen Einfluss, weil erst mit Rechtskraft des Urteils fest steht, ob ein Zitat iSd § 6 Abs 2 Z 4 MedienG vorliegt. Zudem sind Beweise über den in Rede stehenden Ausschlussgrund nur aufzunehmen, wenn sich der Medieninhaber darauf beruft (§ 8 Abs 3 MedienG), was voraussetzt, dass er am Verfahren teilnimmt (zum Ganzen zutreffend Rami aaO § 41 MedienG Rz 29).
Vorliegend wäre daher die Medieninhaberin Mediengruppe „Österreich“ GmbH ungeachtet der nicht bereits zugleich mit dem Strafantrag erfolgten Antragstellung auf Urteilsveröffentlichung zur Hauptverhandlung zu laden gewesen. Da nicht allein der in Rede stehenden Verfahrensvorschrift des § 41 Abs 6 erster Satz MedienG nicht entsprochen, sondern überdies die Medieninhaberin ohne Beiziehung zum Verfahren zur Urteilsveröffentlichung verurteilt wurde, wurde auch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 6 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG; Art 6 Abs 1 MRK) verletzt.
Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil der mit den Rechten des Angeklagten ausgestatteten (§ 41 Abs 6 zweiter Satz MedienG); Medieninhaberin ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, den Ausspruch auf Urteilsveröffentlichung aufzuheben und dem Erstgericht - sofern nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Berufung des Angeklagten noch von Relevanz - in diesem Umfang die neue Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
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