Spruch:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 24.April 1992, AZ 8 Bs 71/92 (= 28 a E Vr 1586/90-14 des Landesgerichtes Linz) verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 470 Z 3 StPO iVm § 489 Abs. 1 StPO.
Text
Gründe:
Erwin Simon M***** wurde im Verfahren AZ 28 a E Vr 1586/90-Hv 77/90 des Landesgerichtes Linz mit dem Urteil des Einzelrichters vom 7. November 1990 (ON 6) der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.
In der Hauptverhandlung vom 7.November 1990 war - neben anderen Beweisaufnahmen - der Akt "28 a E Hv 77/90" (des Landesgerichtes Linz), also der gegenständliche Strafakt, verlesen worden (S 37).
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht gab mit seinem Urteil vom 24.April 1992, AZ 8 Bs 71/92, der vom Angeklagten erhobenen Berufung gegen das vorerwähnte Urteil des Landesgerichtes Linz Folge, hob dieses Urteil "zur Gänze" auf und verwies die Sache "in diesem Umfang" zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz zurück. Es vermeinte "bei Prüfung der Schuldberufung" daß das bekämpfte Urteil deshalb an einem wesentlichen Mangel leide, weil der Einzelrichter außer der Vernehmung des Angeklagten und dreier Zeugen nur "den (bei Vorlage an das Rechtsmittelgericht nicht mehr angeschlossenen) Akt 28 a E Hv 77/90 des Landesgerichtes Linz" verlesen habe, aber "der Vorschrift des § 252 Abs. 2 StPO zuwider" nicht die polizeiliche Anzeige ON 2, auf deren Inhalt sich der Erstrichter in seiner Beweiswürdigung wiederholt bezogen hat. Ein Eingehen auf die weiteren Berufungsausführungen des Angeklagten hielt das Oberlandesgericht Linz daraufhin für nicht mehr erforderlich.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Abgesehen davon, daß das Oberlandesgericht Linz mit dem von ihm herangezogenen Kassationsgrund entgegen seiner Erklärung nicht die Schuldberufung des Angeklagten "prüfte", sondern sich auf einen (vermeintlichen) Nichtigkeitsgrund bezog (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 117 f), beruhen seine Ausführungen auf einem eklatanten Mißverständnis: Es übersah nämlich, daß es sich bei dem in der Hauptverhandlung vom 7.November 1990 verlesenen Akt "28 a E Hv 77/90" des Landesgerichtes Linz nicht um einen "angeschlossenen", sondern um jenen Akt handelte, in welchem das vorliegende Strafverfahren geführt wird und der demnach dem Berufungsgericht sehr wohl vorlag (siehe insbesondere auch die Anführung der Hv-Zahl am Vorlagebericht ON 10 und auf der Ausfertigung des angefochtenen Urteils (ON 6).
Die im Hauptverhandlungsprotokoll (ON 5) beurkundete Verlesung des Aktes "28 a E Hv 77/90" umfaßte entsprechend dem unmißverständlichen Sinngehalt dieser Protokollierung auch dessen ON 2. Eine numerative Auflistung der verlesenen Aktenteile, wie sie das Oberlandesgericht offenbar vermißt, war - worauf im übrigen bereits die Staatsanwaltschaft Linz vor der neuerlichen Vorlage des Aktes an das Berufungsgericht ausdrücklich hingewiesen hatte (S 3 b verso des Antrags- und Verfügungsbogens) - nach Lage des Falles nicht geboten, zumal vorliegend außer der ON 2 ohnedies keine weiteren Aktenstücke für eine Verlesung in Betracht kamen.
Die demnach von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehende Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Linz verletzt daher das Gesetz in den im Spruch bezeichneten Bestimmungen.
Im Hinblick auf die - auch einem Rechtsmittelantrag des Angeklagten entsprechende - Kassation des eingangs erwähnten Urteils des Landesgerichtes Linz und die daraus resultierende Verfahrenserneuerung in erster Instanz kann es mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden haben.
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