Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Adolf G***** und Emin E***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach haben sie am 1.Dezember 1993 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken Claudia S***** mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, und zwar
1.) erst Emin E*****, indem er die Frau zu Boden riß, sich an ihrer Lippe festbiß, ihr beim Schreien den Mund zuhielt, während Adolf G***** die Frau teilweise auszog (Schuhe, Leggins und Unterhose) und die um sich schlagende Frau an den Füßen festhielt, wodurch Emin E***** mit seinem Glied in die Scheide der Frau eindringen und den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß durchführen konnte;
2.) dann Adolf G*****, indem er die Frau zu einem Bett zerrte und sich auf sie legte, um mit seinem Geschlechsteil in ihre Scheide einzudringen und anschließend die sich wehrende Frau auf den Rücken warf, sie mit den Füßen trat und mehrmals in das Gesicht schlug und dort verletzte, unterstützt von Emin E*****, der sie anfangs an den Füßen festhielt, sodaß Adolf G***** mit seinem Glied in ihre Scheide eindringen konnte.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich zunächst gegen die Urteilsfeststellung, daß die beiden Beschwerdeführer spätestens zu dem Zeitpunkt, als sie wußten, daß ihnen die Frau nicht freiwillig zu Willen ist, den Entschluß faßten, Claudia S***** durch bewußtes und gewolltes Zusammenwirken, nämlich jeweils unter Hilfestellung des anderen, mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des Beischlafs mit jedem von ihnen zu nötigen, mit dem Einwand, es habe weder eine diesbezügliche Absprache gegeben, noch hätte ein gemeinsames Vorgehen festgestellt werden können.
Ein gemeinsames Vorgehen wurde indes vom Schöffengericht unter ausdrücklicher Ablehnung der Verantwortung des Angeklagten festgestellt. Im übrigen aber wird damit kein Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt, sondern nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft.
Als widersprüchlich bezeichnen die Angeklagten die Konstatierung, daß G***** der Frau einerseits den Mund zugehalten, sodaß sie nur mehr weinen konnte, andrerseits die Füße der sich wehrenden Frau festgehalten habe, damit E***** den Geschlechtsverkehr durchführen konnte; dies sei "technisch unmöglich".
Dabei übersieht die Beschwerde jedoch, daß das Schöffengericht mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Tathandlungen festgestellt hat:
Zuerst entkleidete G***** die Zeugin S***** teilweise, dann hielt er ihr den Mund zu und anschließend die Füße fest. Darin ist eine Unvereinbarkeit der konstatierten Tätigkeiten des Angeklagten G***** nicht zu erkennen.
Auch mit der weiteren Beschwerdebehauptung, das festgestellte Verbeißen des Angeklagten E***** in die Lippen des Opfers finde in dem medizinischen Sachverständigengutachten keine Deckung, zeigen die Beschwerdeführer keinen Begründungsmangel auf, wurde doch im polizeiamtsärztlichen Gutachten ua auch eine Wunde an der linken Oberlippe festgestellt.
Nicht aktengetreu ist das Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde, die Zeugin S***** habe deponiert, daß E***** keine Gewalt angewendet habe. Denn diese Zeugin sagte ua wörtlich: ".... in diesem Moment ist aber der Herr E***** vor mir gestanden und es ist ihm dann gelungen, daß ich auf dem Fußboden gelegen bin"; die Frage des Vorsitzenden:
"Hat er sie niedergerissen oder was? Wie kommen sie jetzt auf den Fußboden, sie sind dort gelegen oder wie?" beantwortete sie mit "Ja" und auf seine weitere Frage "Wie kommen sie dorthin? Sind sie freiwillig hingelegen?" antwortete sie "Nein. Ich bin dort gelegen, wie er das gemacht hat, das weiß ich nicht, das verstehe ich nicht. Aber freiwillig habe ich mich dort sicherlich nicht hingelegt" (S 204). Eine verständige Interpretation dieser vom Schöffengericht als glaubwürdig beurteilten Zeugenaussage ergibt, daß auch E***** sehr wohl Gewalt angewendet hat.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat sich das Erstgericht keineswegs über die Unterschiede zwischen den Angaben der Zeugin S***** vor der Polizei und vor Gericht "großzügig" hinweggesetzt, sondern diese Divergenzen mit der Schocksituation der Zeugin anläßlich ihrer Vernehmung durch die Polizei denkmöglich begründet (US 7). Daß diese Zeugin die Frage, ob ihr Lebensgefährte Gewalt gegen sie geübt hatte, nicht beantwortete, stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dar, weil das Unterbleiben einer Feststellung über eine allfällige Gewaltausübung des Lebensgefährten (die bei anderer Gelegenheit erfolgt sein müßte) weder für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz, noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevant ist; vielmehr wird auch damit lediglich versucht, in unzulässiger Weise die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin S***** zu bezweifeln und damit die Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen.
Letztlich hat das Schöffengericht die in der Nichtigkeitsbeschwerde erwähnte Aussage des Zeugen M***** nicht übergangen, sondern ausdrücklich erwähnt und seiner Beweiswürdigung unterzogen, ihr jedoch im Ergebnis keine Glaubwürdigkeit zugebilligt (US 8). Auch insoweit liegt daher kein formaler Begründungsmangel vor.
In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) führt der Angeklagte E***** aus, das Erstgericht habe ihm zu Unrecht auch die Tat des Angeklagten G***** als Beitragstäter zur Last gelegt, weil er zur Zeit, als G***** die Vergewaltigung ausführte, sich nicht mehr in der Wohnung aufgehalten habe, sodaß er hiezu keinen Tatbeitrag habe leisten können.
Damit bringt der Beschwerdeführer aber den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Ausführung, weil materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe stets nur durch Vergleichung des gesamten Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Strafgesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden können. Vorliegend übergeht der Angeklagte E***** bei seinen Ausführungen die ausdrückliche Urteilsfeststellung, daß er bei dem vorerst von G***** angestellten - rechtlich in der nachfolgenden Vollendung der Vergewaltigung aufgehenden - Versuch, mit seinem Glied in die Scheide des Tatopfers einzudringen, dieses zur Unterstützung des Mitangeklagten an den Fußgelenken packte und den Tatort erst verließ, als G***** bereits mit der nun tatsächlich ausgeführten Vergewaltigung begonnen hatte (US 4 und 10). Nur der Vollständigkeit halber ist E***** darauf zu verweisen, daß er nach dem Urteilsinhalt in bezug auf die Tathandlung des G***** rechtlich nicht als Beitragstäter, sondern als Mittäter beurteilt wurde (gleichfalls US 10).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die Berufungen ist demnach das Oberlandesgericht Wien zuständig (§ 285 i StPO).
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