OGH 15Os7/93

OGH15Os7/9311.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred E***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten, teilweise durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB sowie § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15.Oktober 1992, GZ 12 Vr 722/92-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Manfred E***** wurde mit dem bekämpften Urteil (I) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten, teilweise durch Einbruch begangenen Diebstahls nach "§§ 15, 127, 129 Z 1 StGB" (gemeint: §§ 127, 129 Z 1 StGB sowie § 15 StGB), (II) des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB und (III) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) in Feldkirchen und Unterpremstätten anderen Personen Geld und sonstige Sachen gestohlen und nach Eindringen in Wochenendhäuser zu stehlen versucht;

(zu II) am 22.September 1991 in Feldkirchen Christine Ho***** dadurch geschädigt, daß er einen Zulassungsschein, lautend auf Christian Ho*****, eine Kontokarte des Johann Ho***** und ein vinkuliertes BAWAG-Sparbuch mit 10.000 S Einlagenstand wegwarf, somit aus deren Gewahrsame dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen; und

(zu III) in der Nacht vom 8. zum 9. Jänner 1992 im Raum Steinberg bei Graz Doris Ha***** teils durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er sie durch Festhalten am Verlassen seines LKWs hinderte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich eines Mundverkehrs, teils durch Gewalt, indem er sie an den Handgelenken niederhielt und sich auf sie legte, zur Duldung eines Beischlafs genötigt.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß die unter II umschriebene Tathandlung nicht als Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB zu beurteilen gewesen wäre, sondern als Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, weil es sich bei keiner der Urkunden um selbständige Wertträger handelt (Leukauf-Steininger Komm3 § 135 RN 2a § 127 RN 8, 10); dieser - von der Anklagebehörde nicht bekämpfte - Rechtsfehler ist jedoch nicht aufzugreifen, weil er sich wegen der im Vergleich zu § 229 Abs 1 StGB geringeren Strafdrohung des § 135 Abs 1 StGB nur zum Vorteil des Angeklagten auswirken konnte.

Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich nach ihren (uneingeschränkten) Rechtsmittelanträgen zwar gegen sämtliche Schuldsprüche, enthält aber zu den Schuldspruchfakten I und II keinerlei Ausführungen; auch in der Rechtsmittelanmeldung (S 172) findet sich insoweit keine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen. Es mangelt daher in Ansehung der genannten Schuldspruchfakten an einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO), weshalb sie in diesem Umfang schon deshalb zurückzuweisen war (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO).

Der hinsichtlich des Schuldspruchfaktums III ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt hingegen keine Berechtigung zu.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Angeklagte vorerst eine Aktenwidrigkeit hinsichtlich der Urteilsfeststellungen, wonach die Zeugin Ha***** dem Angeklagten mehrfach entschieden mitteilte, (vor sexuellen Kontakten) in Ruhe gelassen werden zu wollen, sie während des Oralverkehrs vom Angeklagten an den Händen festgehalten und beim anschließenden Geschlechtsverkehr vom Angeklagten auf die rückwärtige Bank des LKWs gedrückt wurde, wobei er ihre Hände auf den Fahrzeugboden preßte (US 5 f).

Bei seinen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer den Begriff der Aktenwidrigkeit, die nur dann vorliegt, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder einer Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 185 ua). Derartiges behauptet die Beschwerde aber nicht.

Soweit der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen einen sonstigen formalen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO vor Augen haben sollte, sind sie unbegründet:

Die Konstatierung einer entschiedenen Ablehnung von Sexualkontakten konnte das Schöffengericht auf die von ihm als glaubwürdig beurteilte (US 6) Aussage des Tatopfers stützen, wonach es diese Ablehnung "sehr bestimmt" zum Ausdruck gebracht hatte (S 19), desgleichen ein Festhalten während des Geschlechtsverkehrs und ein Niederdrücken (S 37).

Ob der Angeklagte aber auch während des Oralverkehrs die Hände des Opfers festhielt - was das Schöffengericht dem Angeklagten im Urteilsspruch (US 2) gar nicht zur Last legte, sondern nur in den Entscheidungsgründen konstatierte (US 5) -, ist nicht entscheidungswesentlich, weil das Opfer auch in dieser Phase zumindest unter dem Eindruck der Androhung von Brutalitäten und einer Anzeige wegen Prostitution stand, was vom Schöffengericht festgestellt wurde (US 5) und gleichfalls in der Aussage der Zeugin Ha***** Deckung findet (S 14, 19, 37); dies ganz abgesehen davon, daß der Aussage dieser Zeugin auch der Bericht über ein Festhalten kurz vor dem Oralverkehr zu entnehmen ist (S 86).

Der weitere in der Mängelrüge enthaltene Einwand, das Erstgericht habe die Verantwortung des Angeklagten "gänzlich unerörtert gelassen" übersieht, daß diese Verantwortung von den Tatrichtern keineswegs übergangen, sondern sehr wohl in den Kreis der beweiswürdigenden Überlegungen miteinbezogen, jedoch auf Grund der als schlüssig und glaubhaft beurteilten Aussage des Opfers als widerlegt angesehen wurde (US 6). Von einem formalen Begründungsmangel kann demnach keine Rede sein, geschweige denn von einer Scheinbegründung, wie dies der Beschwerdeführer behauptet.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10) sind zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die Darstellung einer Rechtsrüge erfordert nämlich das Festhalten am gesamten vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und den Vergleich dieses Sachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz. Demnach fehlt es an einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung solcher Beschwerdegründe, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird; derartige Ausführungen können daher einer materiellrechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

In eine solcherart nicht prozeßordnungsgemäße Ausführung der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO verfällt der Beschwerdeführer, indem er darauf verweist, daß die Zeugin Ha***** ursprünglich freiwillig mit ihm fuhr, nicht protestierte, als er eine andere Fahrtroute als vereinbart einschlug, das Fahrzeug während der Geschlechtsakte nicht versperrt war und die Zeugin Ha***** trotz eines Gehgipses an einem Bein über eine gewisse Bewegungsmöglichkeit verfügt haben mußte, und daraus folgert, sie habe sich freiwillig dem Geschlechtsverkehr unterzogen, womit er von den gegenteiligen, die behauptete Freiwilligkeit ausschließenden Tatsachenkonstatierungen des Schöffengerichtes (US 5, 7) abweicht. Bei seiner Argumentation übergeht er im übrigen, wie am Rande angemerkt sei, daß das Verbleiben der Zeugin in seinem LKW auch nach der Tat nicht (nur) durch ihre Bewegungsunfähigkeit wegen eines Gipsverbandes, sondern (überdies auch) durch ihre Ortsunkenntnis (in einem Waldstück zur Nachtzeit) bedingt war, was das Schöffengericht ebenfalls feststellte (US 6, 7).

Gleichfalls nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist die Subsumtionsrüge (Z 10), denn in ihr wird erneut eine Gewaltanwendung bestritten und vorgebracht, der Angeklagte sei "in dubio pro reo" freizusprechen.

Das Begehren, sein Verhalten als Vergehen der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB zu beurteilen, zielt im Ergebnis auf eine ihm nachteilige Tatbeurteilung ab. Denn ausgehend von den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen, nämlich erzwungener Sexualakte, wäre unter der Voraussetzung, daß diese unter Umständen begangen worden wären, unter denen das Verhalten des Angeklagten auch geeignet gewesen wäre, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, seine Tat zusätzlich (idealkonkurrierend) als Vergehen der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB zu beurteilen gewesen.

Es zeigt sich damit, daß - unter Abstraktion der prozeßordnungswidrigen Ausführungen der Subsumtionsrüge - diese Rüge insoweit nicht zum Vorteil, sondern zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgeführt wurde, sodaß sie insoweit auch aus diesem Grund zurückzuweisen war.

Aus den angeführten Erwägungen war somit die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz (§ 285 i StPO).

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