OGH 15Os76/13k

OGH15Os76/13k13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Stephan K***** und andere wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Mag. K***** sowie die Berufung dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Februar 2013, GZ 125 Hv 131/12v-125, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, der Angeklagten Mag. K***** und Robert M***** sowie der Verteidiger Mag. Nemec, Dr. Schoeller und Mag. Ainedter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. K***** sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten Mag. K***** und Dr. A***** betreffenden Schuldsprüchen A./ und B./, demgemäß auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Mag. Stephan K***** und Dr. Gerald A***** werden von den wider sie erhobenen Vorwürfen, es hätten

A./ Mag. Stephan K***** ein falsches Beweismittel, nämlich eine von Dr. Gerald A***** unterfertigte fingierte Übernahmebestätigung (ON 15 S 389), in welcher Letztgenannter die Übernahme eines Betrags von 1.735.000 Euro als Vertreter der H***** AG von Mag. Stephan K***** wahrheitswidrig bescheinigte, im Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung zu AZ 704 St 8/12m der Staatsanwaltschaft Wien gebraucht, indem er diese Bestätigung der anwaltlichen Stellungnahme vom 19. April 2012 beilegte;

B./ Dr. Gerald A***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 2011 durch Unterfertigen der unter A./ angeführten fingierten Übernahmebestätigung ein falsches Beweismittel mit dem Vorsatz hergestellt, dass es in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung gebraucht werde,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Mag. K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mag. Stephan K***** des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach „§ 293 Abs 1 und 2 StGB“ (A./) und Dr. Gerald A***** des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach haben - zusammengefasst -

A./ Mag. Stephan K***** ein falsches Beweismittel, nämlich eine von Dr. Gerald A***** unterfertigte fingierte Übernahmebestätigung (ON 15 S 389), in welcher Letztgenannter die Übernahme eines Betrags von 1.735.000 Euro als Vertreter der H***** AG von Mag. Stephan K***** wahrheitswidrig bescheinigte, im Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung zu AZ 704 St 8/12m der Staatsanwaltschaft Wien gebraucht, indem er diese Bestätigung der anwaltlichen Stellungnahme vom 19. April 2012 beilegte;

B./ Dr. Gerald A***** zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 2011 durch Unterfertigen der unter A./ angeführten fingierten Übernahmebestätigung ein falsches Beweismittel mit dem Vorsatz hergestellt, dass es in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung gebraucht werde.

Unter einem wurden Mag. Stefan K*****, Robert M***** und Dr. Gerald A***** vom Vorwurf, es hätten

I./ Mag. Stephan K***** als Geschäftsführer der L***** GmbH im Jänner 2009 in Wien den deutschen Treuhänder der Y***** Ltd, Rechtsanwalt Dr. Benedikt He*****, mit dem Vorsatz, sich und Robert M***** durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, indem er zur Täuschung falsche Urkunden, nämlich gefälschte Datenbankauszüge der slowakischen R***** s.r.o. benützte, unter der wahrheitswidrigen Behauptung, Markus D***** habe bei der unter dem Namen „D*****“ veranstalteten Lottotippgemeinschaft teilgenommen und auch einen Individualtipp mit der Losnummer ***** abgegeben, auf welchen bei der Ziehung des deutschen Lotto „6 aus 49“ vom 20. Dezember 2008 (Gewinnzahlen: 6, 13, 18, 22, 44, 45) bei der staatlichen Lottogesellschaft T***** GmbH B***** ein Gewinn von 1.845.372,70 Euro entfallen sei, zur Auszahlung des genannten Geldbetrags an Markus D***** verleitet, wodurch die tatsächliche Gewinnerin, nämlich die panamaische H***** AG, in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt wurde;

II./ Robert M***** den abgesondert verfolgten Markus D***** zur Begehung der zu I./ näher bezeichneten strafbaren Handlung dadurch bestimmt sowie zur unmittelbaren Ausführung derselben durch Mag. Stephan K***** und Markus D***** dadurch beigetragen, dass er im Jänner 2009 in Spanien Markus D***** anwarb sowie die zur Täuschung des deutschen Treuhänders, Dr. Benedikt He*****, von Markus D***** vorgelegten Kontoauszüge fälschte;

III./ Dr. Gerald A***** durch die unter B./ des Schuldspruchs geschilderte Beweismittelfälschung

1./ im Herbst 2011 in Wien Mag. Stephan K***** und Robert M*****, welche die unter I./ und II./ beschriebene Tat, mithin eine mit Strafe bedrohte Handlung, begangen hatten, der Verfolgung absichtlich ganz zu entziehen versucht, sowie

2./ Vermögensbestandteile, die aus einem Verbrechen herrühren, verborgen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft; die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. K***** richtet sich gegen den Schuldspruch A./.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die sich gegen die Freisprüche wendende Mängelrüge behauptet in Ansehung der Urteilsannahmen, wonach Feststellungen zur inkriminierten Geldübergabe an den Angeklagten Dr. Gerald A***** sowie zur geplanten Vermarktung des Lottogewinns nicht getroffen werden können, Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und widersprüchliche Begründung (Z 5 erster, zweiter und dritter Fall). Sie spricht jedoch keine entscheidenden Tatsachen an, weil die unbekämpft gebliebenen - disloziert getroffenen - Konstatierungen, wonach nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellbar war, „ob hiedurch jemand (und wenn ja wer) am Vermögen geschädigt oder auf der anderen Seite unrechtmäßig bereichert wurde, oder ob das Geld nicht letztlich dem Berechtigten zukam oder nach Vorstellung des Erst- und Zweitangeklagten zumindest dem Berechtigten zukommen sollte, in welchem Fall … der Tatbestand zwar allenfalls objektiv, nicht jedoch subjektiv verwirklicht worden wäre“ (US 41), einen anklagekonformen Schuldspruch sowohl der Angeklagten Mag. K***** und M***** als auch des Angeklagten Dr. A*****, dessen diesbezügliche Strafbarkeit nach §§ 165 Abs 1 und 299 Abs 1 StGB eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Vortat der Angeklagten Mag. K***** und M***** voraussetzen würde (Kirchbacher in WK² § 165 Rz 13; Pilnacek in WK² § 299 Rz 7), ausschließen.

Darüber hinaus unterlässt die Beschwerdeführerin in Ansehung der Freisprüche die zur erfolgreichen Anfechtung erforderliche Geltendmachung von Feststellungsmängeln zu jenen Tatbestandsmerkmalen, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält (RIS-Justiz RS0118580 [T17 und T20]).

Lediglich mit Blick auf eine ausdrücklich angestrebte Verurteilung des Angeklagten M***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB moniert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) - unter Hinweis auf die nach Ansicht der Beschwerdeführerin lebensnahen Schilderungen des Zeugen Markus D*****, er habe inhaltlich verfälschte Scans der Kontoauszüge von M***** (zurück-)erhalten, und einen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 25. Juni 2012 (ON 58) - das Fehlen von Feststellungen zur Fälschung von Kontoauszügen durch M***** in subjektiver und objektiver Hinsicht. Im Hinblick auf die dazu angestellten Erwägungen, wonach der Angeklagte M***** durchaus gewichtige Argumente vorgebracht habe und die Variante, dass D***** die Fälschung der Kontoauszüge tatsächlich selbst und eigenhändig vornahm, „nicht nur denkbar, sondern sogar wahrscheinlich“ sei (US 15 dritter Absatz und US 27 zweiter Absatz), wollten die Tatrichter aber ersichtlich eine entsprechende negative Konstatierung zur Feststellbarkeit einer durch den Angeklagten M***** vorgenommenen Fälschung treffen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), sodass die geltend gemachte Nichtigkeit nicht vorliegt.

Soweit die Beschwerdeführerin im Rahmen der Mängelrüge zutreffend einen „inneren Widerspruch“ zwischen den getroffenen negativen Feststellungen zur Richtigkeit der Übernahmebestätigung und deren Qualifizierung im Urteilsspruch als „falsch“ aufzeigt, wird auf die Ausführungen zur Rechtsrüge des Angeklagten Mag. K***** verwiesen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mag. K*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zutreffend eine verfehlte Unterstellung des Tatgeschehens unter § 293 StGB.

Ob ein Beweismittel falsch iSd § 293 StGB ist, richtet sich danach, ob das Beweismittel bei seinem Gebrauch geeignet ist, die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen in eine falsche oder andere - sogar richtige, also dem wahren Sachverhalt entsprechende - Richtung zu lenken oder den Beweiswert zu verstärken. Dabei können nicht nur unechte, sondern auch echte, aber inhaltlich unrichtige Urkunden „falsch“ iSd § 293 StGB sein; das Zustandekommen des Beweismittels alleine ist hingegen kein Kriterium (13 Os 81/93 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0104980; Plöchl/Seidl in WK² § 293 Rz 17; auf das Zustandekommen des Beweismittels abstellend: Tipold, SbgK § 293 Rz 26 ff; Hinterhofer, BT II4 § 293 Rz 9). Demzufolge können Urkunden, die sowohl echt als auch - für sich genommen - inhaltlich richtig sind, kein falsches Beweismittel iSd § 293 StGB darstellen.

Da sich die Eigenschaft „falsch“ allein aus dem betreffenden Beweismittel selbst ergeben muss, macht es alleine der Umstand, dass sich ein im Rahmen seiner Vorlage hiezu erstattetes - den Inhalt der Urkunde aber an sich nicht berührendes, solcherart also ergänzendes - Vorbringen als falsch erweist, noch nicht zu einem falschen Beweismittel, mag deren Verwendung aus anderen - etwa psychologischen - Gründen auch geeignet sein, die Überzeugung von der Richtigkeit dieses ergänzenden Vorbringens zu beeinflussen.

Dies gilt auch für den Fall der - einem entsprechenden Vorbringen widersprechenden - nachträglichen Errichtung einer selbst keine Angabe zum Zeitpunkt ihres Entstehens enthaltenden, sonst jedoch echten und inhaltlich richtigen Urkunde.

Ausgehend von den vorliegenden Feststellungen, wonach die verfahrensgegenständliche Bestätigung tatsächlich vom Angeklagten Dr. A***** unterzeichnet wurde (US 22 zweiter Absatz), ist diese jedenfalls echt.

Indem das Erstgericht ausdrücklich festhielt, dass das Schicksal des verfahrensgegenständlichen Bargeldes „nach Übergabe des Koffers von J***** an M***** am Abend des 29. Jänner 2009“ nicht geklärt (US 16 unten) und nicht festgestellt werden konnte, welche bzw ob überhaupt eine der von den Angeklagten Mag. K***** und Dr. A***** dargelegten Sachverhaltsversionen - also dass die Geldübergabe an Dr. A***** tatsächlich gar nicht stattfand oder zwar stattfand, aber nicht urkundlich belegbar war - der Wahrheit entspricht (US 22; vgl auch US 46), beantwortete es die Frage des Vorliegens bzw Nichtvorliegens einer inhaltlich unrichtigen Bestätigung mit einem „non liquet“ und traf solcherart abschließende - einen Feststellungsmangel somit ausschließende - Konstatierungen. Diese lassen eine Bejahung des betreffenden Tatbestandsmerkmals - falsch im Sinne von inhaltlich unrichtig - nicht zu, zumal die konstatierte Gewissheit, dass die als Beilage 8./ zur schriftlichen Stellungnahme ON 15 vorgelegte Übernahmebestätigung nicht anlässlich einer Übergabe im Jänner/Februar 2009 ausgestellt, sondern nachträglich als Beweismittel für das Ermittlungsverfahren hergestellt wurde, um damit die behauptete Geldübergabe zu beweisen (US 21 letzter Absatz und US 22 zweiter Absatz), den Inhalt der Urkunde, die weder den Zeitpunkt der (angeblichen) Übergabe noch jenen der Errichtung nennt, und damit die Frage deren Richtigkeit, gar nicht berührt.

Somit vermögen die vom Erstgericht getroffenen Urteilsannahmen mangels Konstatierung eines inhaltlich falschen und/oder unechten Beweismittels die daraus abgeleitete Verwirklichung des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB nicht zu tragen.

Die dem Schuldspruch des Angeklagten Mag. K***** anhaftende materielle Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO macht somit dessen Aufhebung erforderlich. Auf Basis der getroffenen Feststellungen war in der Sache selbst ein Freispruch zu fällen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Da die dargelegte Nichtigkeit auch dem Schuldspruch des Angeklagten Dr. A***** anhaftet, war diese zu seinen Gunsten von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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