OGH 15Os74/87

OGH15Os74/8726.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Momcilo J*** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a und § 11 FinStrG, AZ 26 a Vr 1347/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 2.März 1987 (AZ 21 Bs 84/87), ON 88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren zum AZ 26 a Vr 1347/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 2.März 1987 (AZ 21 Bs 84/87), ON 88, das Gesetz in den Bestimmungen des § 53 Abs. 4 FinStrG nF in Verbindung mit Art II § 3 Abs. 2 FinStrGNov 1985 verletzt.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird diese Entscheidung unter Wiederherstellung des damit kassierten Beschlusses vom 23. Jänner 1987, ON 77, aufgehoben und über die Beschwerde des Zollamtes gegen jenen Beschluß in der Sache selbst erkannt:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Im oben bezeichneten Strafverfahren stellte die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 23.Jänner 1987, ON 77, gemäß § 202 Abs. 1 und Abs. 3 FinStrG fest, daß die Gerichte in Ansehung jener Taten, die dem David T***, der Marusi B***,

dem I*** M***, dem Ariel D***, der Elena

G***, der Fani V***, dem Vladimir S***, der Maria

Z***, dem Boris G***, dem Mosche GIl, dem Daniel

T*** und dem Michael S*** im Schlußbericht des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 16. Jänner 1986, ON 74, als Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit a FinStrG, der Elena G*** in Tateinheit mit

Monopolhehlerei nach § 46 Abs. 1 lit a FinStrG, zur Last gelegt werden, zu deren Ahndung als Finanzvergehen nicht zuständig seien, weil die Voraussetzungen nach § 53 Abs. 1 lit a oder Abs. 2 (lit b) FinStrG nicht vorlägen und auch eine Zuständigkeit (kraft objektiver Konnexität) nach § 53 Abs. 4 FinStrG in der vor dem Inkrafttreten der FinStrGNov 1985 in Geltung gestandenen Fassung nach deren Art II § 3 im Hinblick darauf nicht in Betracht komme, daß gegen die genannten Personen bis dahin ein gerichtliches Finanzstrafverfahren nicht anhängig gewesen sei.

Das Oberlandesgericht Wien gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Zollamtes mit Beschluß vom 2.März 1987 (21 Bs 84/87), ON 88, Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und wies den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Feststellung der Unzuständigkeit der Gerichte (terminologisch ungenau :) "zur Verfolgung" der zuvor angeführten Personen "wegen" der darin bezeichneten Taten ab; zu dieser Entscheidung gelangte es aus der Erwägung, daß auf Grund der am 5. Jänner 1984 vorgenommenen Erlassung von Hausdurchsuchungsbefehlen "gegen" die "Beschuldigten", womit "die im Spruch dieser Entscheidung genannten", der Abgaben- und der Monopolhehlerei verdächtigen Personen gemeint sind, "bzw gegen die von ihnen vertretenen Firmen" schon vor dem Inkrafttreten der FinStrGNov 1985 "ein Strafverfahren gegen sie bei Gericht anhängig gewesen" sei, sodaß nach Abs. 2 des Art II § 3 der in Rede stehenden Novelle die durch § 52 Abs. 4 FinStrG aF bereits im Jahr 1984 auch für sie als Abgaben- und als Monopolhehler begründete gerichtliche Zuständigkeit aufrecht bleibe.

Der Beschluß des Beschwerdegerichtes steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Eine Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehöriger Räumlichkeiten, auf die es dabei entscheidend abstellte, darf nämlich (unter anderem) dann, wenn begründeter Verdacht vorliegt, daß sich daselbst Gegenstände befinden, deren Besitz oder Besichtigung für eine bestimmte Untersuchung von Bedeutung sein könne, durchaus auch bei anderen Personen vorgenommen werden als bei den der betreffenden Straftat Verdächtigen (§ 139 Abs. 1 StPO; vgl Lohsing-Serini S 265); eben das aber war bei den hier aktuellen Hausdurchsuchungen der Fall.

Das vorliegende Verfahren war nämlich bei der Erlassung der sie anordnenden (und weiterer) Hausdurchsuchungsbefehle (ON 16 bis 34) nicht etwa auch gegen die nunmehr der Abgaben- und der Monopolhehlerei Verdächtigen anhängig, sondern nur gegen Momcilo J*** und drei andere Personen, gegen die am 30. Dezember 1983 wegen des Verdachtes des (gewerbsmäßigen) Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a und § 11 FinStrG die Voruntersuchung eingeleitet worden war (S 4); ausschließlich auf dieses Verfahren gegen jene vier Beschuldigten bezog sich dementsprechend auch die gleichzeitige "Betrauung des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz gemäß § 197 FinStrG mit der Durchführung der weiteren notwendigen Erhebungen".

Gleichfalls in diesem Sinn ergingen aber auch (ohne eine zwischenzeitige weitere gerichtliche Verfügung sechs Tage später) die in Rede stehenden Hausdurchsuchungsbefehle "in der Strafsache gegen Momcilo J*** u.a." zum Zweck der Auffindung und Beschlagnahme von Gegenständen, deren Besitz oder Besichtigung "für das gegenständliche Strafverfahren" von Bedeutung sein könne, wobei in Ansehung eines dringenden Tatverdachts ausschließlich auf J***, hinsichtlich der von der Durchsuchung betroffenen "Firmeninhaber" aber lediglich auf den Verdacht, daß sich in den im Spruch genannten Räumlichkeiten die dort angeführten Gegenstände befinden könnten, deren Sicherstellung zur Klärung "des Sachverhalts" erforderlich sei, Bezug genommen wird. Unter diesen Umständen kann der Auffassung des Beschwerdegerichtes, daß mit den Hausdurchsuchungsbefehlen, deren Durchführung im übrigen keineswegs in allen Fällen eine Anzeigeerstattung gegen die davon Betroffenen (wegen des Verdachts der Abgaben- oder Monopolhehlerei) nach sich zog, gegen eben jene - im angefochtenen Beschluß prozessual verfehlt (vgl § 38 StPO) als "Beschuldigte" bezeichneten - Personen, bei denen die Durchsuchung vorgenommen werden sollte (vgl § 140 Abs. 1 StPO), "bereits gerichtliche Verfolgungsmaßnahmen ... gesetzt worden" seien, weil der Untersuchungsrichter damit zum Ausdruck gebracht habe, daß er sie (wegen Abgaben- oder Monopolhehlerei) verfolgen wolle, nicht beigepflichtet werden: waren doch diese Verfolgungsschritte nach dem Inhalt der Hausdurchsuchungsbefehle in Verbindung mit dem Verfahrensstand zur Zeit ihrer Erlassung nach dem Gesagten eindeutig nur zur Sicherung von Beweisgegenständen in dem gegen Momcilo J*** und die drei übrigen wegen Schmuggels Beschuldigten anhängigen Verfahren bestimmt, nicht aber (auch) gegen andere, (allenfalls) der Abgaben- oder der Monopolhehlerei verdächtige Personen gerichtet, sodaß sich eine Erörterung der Frage, ob sich aus den Durchsuchungsbefehlen überhaupt deren unverwechselbare Individualisierung entnehmen ließe (vgl Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 27 zu § 58), erübrigt. Auf sonstige, vor dem Inkrafttreten der FinStrGNov 1985 (mit 1. Jänner 1986) getroffene strafgerichtliche Maßnahmen gegen die eingangs bezeichneten zwölf Personen jedoch hat sich das Beschwerdegericht nach der Aktenlage zu Recht nicht berufen. Denn bei deren Vernehmung als Verdächtige durch das Zollamt (ON 60), die sich im übrigen nicht auch auf Mosche G*** erstreckte, handelte es sich jedenfalls nicht um gerichtliche Verfolgungsschritte gegen sie, weil der diesen Ermittlungen zugrunde gelegene Erhebungsauftrag des Untersuchungsrichters wie schon gesagt ausschließlich die Klärung des Sachverhalts in bezug auf jenen Tatverdacht betraf, der gegen Momcilo J*** sowie die drei anderen wegen Schmuggels Beschuldigten vorlag (und als solcher Gegenstand der gerichtlichen Voruntersuchung war); bei sicherheits- oder finanzbehördlichen Erhebungen gegen eine bestimmte Person kann aber von der Anhängigkeit eines gerichtlichen Strafverfahrens gegen letztere nur dann gesprochen werden, wenn die betreffenden Ermittlungen vom Gericht zur Überprüfung eines gegen eben diese Person vorgelegenen Tatverdachts angeordnet wurden (vgl Leukauf-Steininger aaO RN 20; Foregger im WK, Rz 10 zu § 58), wobei in solchen Fällen die Gerichtsanhängigkeit schon mit der betreffenden Anordnung eintritt, weil bereits diese den maßgebenden richterlichen Verfolgungswillen zum Ausdruck bringt. Zu einer daran anschließenden gerichtlichen Verfolgungsmaßnahme gegen die darnach Verdächtigen jedoch gab das in Rede stehende Erhebungsergebnis keinen Anlaß: der Untersuchungsrichter übermittelte nämlich nach dessen Einlangen (am 27.Februar 1984) die Akten (tags darauf) lediglich "zur Antragstellung bzw Äußerung" hiezu an die Staatsanwaltschaft, welche sie (am 13.April dJ) mit dem Vermerk "nach Einsicht" ohne Antragstellung wieder an ihn zurückleitete (S 3 g vso/I).

Aus alledem folgt, daß gegen die der Abgaben- und der Monopolhehlerei Verdächtigen am 1.Jänner 1986 kein Strafverfahren anhängig war; dementsprechend hat das Beschwerdegericht seiner Entscheidung rechtsirrig die Übergangsbestimmung des Art II § 3 Abs. 2 der FinStrGNov 1985 zugrundegelegt, derzufolge die durch dieses Bundesgesetz eingetretenen Änderungen der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte und Finanzstrafbehörden auf bereits anhängige Strafverfahren keinen Einfluß haben. Die solcherart unterlaufene Fehlbeurteilung hatte zur Folge, daß es bei der Prüfung der Frage, ob der entscheidungsgegenständliche Verdacht der Abgaben- und Monopolhehlerei ein gerichtlich strafbares Finanzvergehen betraf, auf § 53 Abs. 4 FinStrG in der alten anstatt in der neuen Fassung abstellte. Auf dieser Grundlage gelangte es - im Ergebnis verfehlt -, zur Bejahung der gerichtlichen Zuständigkeit. Richtigerweise hätte es im Hinblick auf die mit der FinStrGNov 1985 vorgenommene Beseitigung der vordem normiert gewesenen gerichtlichen Strafbarkeit solcher Fälle einer Abgaben- oder Monopolhehlerei, in denen diese rechtliche Qualität der Tat ausschließlich durch jene der betreffenden Vortat begründet worden war (objektive Konnexität), zu deren Verneinung kommen müssen. In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war demnach die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen und, da sie die davon Betroffenen zu Unrecht der Gefahr einer gerichtlichen Strafverfolgung aussetzte, nach § 292 letzter Satz StPO wie im Spruch zu beheben.

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