Rechtssatz
Während in Fällen eines einheitlichen, das heißt - in der Regel aufgrund zeitlichen Zusammenfallens - nicht sinnvoll in Einzelhandlungen zu zerlegenden Gesamtgeschehens der Grundsatz vom Primat des strafbarkeitsausschöpfenden Tuns zielführend ist, bedürfen einzelne Akte eines Geschehensablaufs, die - in der Regel auf Grund einer erkennbaren zeitlichen Abfolge - einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, einer gesonderten Prüfung. Ergibt sich dabei, dass zwei oder mehr Akte des Geschehens je für sich als tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen sind und zum strafrechtlich missbilligten Erfolg geführt haben, so hat anschließend eine Wertungsentscheidung nach den Regeln der Konkurrenz stattzufinden (WK² § 2 Rz 25). Ergibt sich bei einem mehrphasigen Geschehen eine Erfolgsherbeiführung durch auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhendes aktives Tun gefolgt von anschließendem Unterlassen, tritt infolge materieller Subsidiarität eine auf dem Ingerenzprinzip beruhende strafbare Handlung durch Unterlassen hinter jene durch aktives Tun - ungeachtet der jeweiligen Beteiligungsform im Sinne des § 12 StGB - zurück.
14 Os 89/15t | OGH | 17.11.2015 |
Auch; Beisatz: Der Satz vom „Primat des Tuns“ kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn das Tun eine Gefahr herbeigeführt oder vergrößert, sohin den Erfolg (mit‑)verursacht hat und den Unwert des Gesamtverhaltens vollständig ausschöpft. (T1) |
Dokumentnummer
JJR_20061212_OGH0002_0150OS00069_06W0000_003
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