Spruch:
1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB (II. des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch wegen dieses Vergehens aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.
2. Mit seiner Berufung, soweit sie sich gegen den Strafausspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida richtet, wird der Angeklagte auf die zu 1. getroffene Entscheidung verwiesen.
3. Zur Entscheidung über die Berufung, soweit sie sich gegen den Strafausspruch wegen der Finanzvergehen richtet, werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen (prozessual verfehlt auch einen Ausscheidungsbeschluß gemäß § 57 StPO) enthält, wurde Wilfried K***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (I.A.) und § 33 Abs 1 FinStrG (I.B. und C.) sowie des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Z 1 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür einerseits nach §§ 21 Abs 1, 33 Abs 5 des FinStrG zu einer Geldstrafe von 400.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und andererseits nach § 159 Abs 1 StGB zu einer - für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Trotz der unscharfen Formulierung eingangs der Beschwerdeschrift (8/II: "Hinsichtlich der Finanzvergehen erfolgt eine Anfechtung nur der Höhe nach") iVm Punkt 1. der Rechtsmittelanträge (12/II: "...., das angefochtene Urteil aufzuheben ..."), die zwar - isoliert betrachtet - die Möglichkeit der Bekämpfung auch der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages nicht auszuschließen scheint, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhalt des Beschwerdevorbringens jedoch unmißverständlich, daß der Angeklagte mit der nominell auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich den Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida (II. des Urteilssatzes) anficht und bezüglich der Finanzvergehen nur die Höhe der verhängten Geldstrafe mit Berufung bekämpft.
Das bezeichnete Kridavergehen liegt dem Angeklagten deshalb zur Last, weil er von Mitte bis Ende 1993 in Wien als (faktischer) Geschäftsführer der Ka*****GesmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, insbesondere dadurch die Zahlungsunfähigkeit der genannten Kapitalgesellschaft fahrlässig herbeigeführt hat, daß er keine ordnungsgemäße Buchhaltung führte.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) releviert der Beschwerdeführer zutreffend formale Begründungsmängel des in Rede stehenden erstgerichtlichen Schuldspruchs:
Im Urteilstenor (US 5) sowie in den beweiswürdigenden Erwägungen (US 12) wird dem Nichtigkeitswerber als einzige kridaträchtige Handlung angelastet, daß er "keine ordnungsgemäße" bzw "eine völlig untaugliche Buchhaltung" geführt hat. Inwiefern diese Tathandlung aber die konstatierte Zahlungsunfähigkeit auch wirklich verursacht hat, wird in den Gründen nicht erörtert (vgl hiezu Leukauf/Steininger Komm3 RN 24, Tschulik im WK Ergänzungsheft Rz 10 c jeweils zu § 159).
Die entscheidungswesentliche Feststellung (US 5, 8, 12) hinwieder, die von Wilfried K***** verantwortlich geführte Ka***** GesmbH sei spätestens Ende 1993 zahlungsunfähig gewesen und deren Zahlungsunfähigkeit sei von ihm fahrlässig verschuldet worden, stützt das Schöffengericht einzig und allein auf das Gutachten des Buchsachverständigen DDr.Gerhard A***** (ON 39, 483 ff/I), ohne sich mit den darin enthaltenen Ungereimtheiten im einzelnen auseinanderzusetzen, die (pauschal als unglaubwürdige Schutzbehauptung abgelehnte) jeglichen Schuldvorwurf bestreitende Verantwortung des Angeklagten näher zu erörtern und die Aussagen der Zeuginnen Sabine M*****, Maria T***** und Eva Maria Ko***** (verehelichte R*****) zu berücksichtigen, denenzufolge die Außenstände bei der Wiener Gebietskrankenkasse zwei Tage nach Konkurseröffnung bezahlt worden seien, worauf das Insolvenzverfahren offenbar wegen vollständiger Befriedigung des betreibenden Gläubigers binnen kurzer Zeit eingestellt worden und die Firma Ka***** in Wahrheit nicht zahlungsunfähig gewesen sei.
Mit Recht wendet der Nichtigkeitswerber ein, das in Rede stehende Buchsachverständigengutachten sei ungeeignet, den Kridaschuldspruch zu tragen:
Im schriftlichen Gutachten (337 f/I) legt der Buchexperte zunächst dar, das (seiner Meinung nach) fallid gewordene Unternehmen habe im Zeitraum 1990 bis 1993 eine erhebliche rechnerische Unterdeckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten von rund 4,7 Mio S aufgewiesen; dessen ungeachtet sei es aber gelungen, bis Ende 1992 diese Verbindlichkeiten fristgerecht zu bedecken; (erst) 1993 habe sich im kurzfristigen Bereich eine Liquiditätslücke ergeben, aus der für diese Zeit eine nachhaltige Zahlungsunfähigkeit abzuleiten sei; Hauptursache für deren Eintritt seien die kurzfristig fälligen Nachforderungen auf Grund der finanzbehördlichen Betriebsprüfung in Höhe von zumindest 5,7 Mio S (bei gänzlicher Stattgebung der Berufung) gewesen, wofür die mehrmonatigen Beitragsrückstände von 523.075,15 S bei der Wiener Gebietskrankenkasse im zweiten Halbjahr 1993 ein starkes Indiz für den (subjektiv erkennbaren) Eintritt der Zahlungsunfähigkeit seien.
In der Hauptverhandlung vom 18.Oktober 1995 hielt der Buchsachverständige das schriftlich erstattete Gutachten vollinhaltlich aufrecht, bestätigte den (seiner Ansicht nach durch einen im zweiten Halbjahr 1993 entstandenen Krankenkassenbeitragsrückstand erkennbaren) bis Ende 1993 erfolgten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und führte dazu im wesentlichen aus, es sei gelungen, auch 1993 die Verbindlichkeiten zu decken; es habe eine Liquidation von 3,8 Mio S gegeben; durch das Ergebnis 1993 sei ein positives Eigenkapital vorhanden gewesen; erst 1994 habe es einen großen Umsatzeinbruch gegeben, das Geschäft sei zurückgegangen, wodurch ein Verlust für das Jahr 1994 entstanden sei; 1993 sei die Innenfinanzierung deshalb nicht mehr gegeben gewesen, weil es zu einem Umsatzeinbruch (1994) gekommen sei; Eigenkapital sei immer genügend vorhanden gewesen, weil "ein positives Ergebnis da war" und man nichts entnommen habe, weshalb auch die Gewinne 1993 auf eine Mio S angestiegen seien; trotzdem sei die Zahlungsunfähigkeit der Firma Ka***** GesmbH eingetreten, "weil [nunmehr im Gegensatz zu den früheren Ausführungen - 485/I] keine entsprechende Liquidität vorhanden war".
Gerade angesichts der nachhaltigen Bestreitung des Angeklagten, die von ihm gemeinsam geführten und in engem wirtschaftlichen Konnex stehenden zwei Kapitalgesellschaften seien niemals zahlungsunfähig gewesen, was auch die Zeuginnen T***** und K***** (R*****) bejahten (hinsichtlich der Firma C *****GesmbH erging insoweit ein rechtskräftiger Freispruch), und der (in zeitlicher Hinsicht von der Zeugin M***** bestätigten) Behauptung, der offene Beitragsrückstand sei bloß aus Schlamperei um zwei Tage später beglichen worden, wäre das Erstgericht umso mehr verpflichtet gewesen, nicht nur diese entlastenden Verfahrensergebnisse in den Entscheidungsgründen hinreichend zu erörtern, sondern auch für die Beseitigung der (möglicherweise auf Übertragungsfehlern beruhenden) unlösbaren Widersprüche im Sachverständigengutachten Sorge zu tragen. Nach Lage der Dinge hätte es sich auch bei Begründung der subjektiven Tatseite nicht mit dem floskelhaften Hinweis auf die "oben angeführten Umstände" (US 12) sowie auf die starke Indizwirkung der mehrmonatigen Beitragsrückstände (US 9) begnügen dürfen.
In Stattgebung der vom Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde waren sonach der mit (im Ergebnis zu Recht aufgezeigten) Begründungsmängeln behaftete Schuldspruch des Angeklagten wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida sowie demgemäß auch der darauf beruhende Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den hiefür zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu verweisen (§§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Satz, 289 StPO), weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und demnach eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat (§ 285 e StPO). Es erübrigt sich daher, auch noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Demzufolge war der Angeklagte mit seiner gegen den Strafausspruch wegen des Kridavergehens gerichteten Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Dem Schöffengericht, das keine gesonderten Strafzumessungserwägungen für die beiden Strafaussprüche anstellte (US 13), unterlief ein als Nichtigkeit beider Strafaussprüche im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO anzusehender (vom Beschwerdeführer allerdings nicht geltend gemachter, aber an sich von Amts wegen wahrzunehmender) Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil es ungeachtet der gesonderten Sanktion für die Finanzvergehen "das Zusammentreffen eines Kridavergehens mit zwei Finanzvergehen" als erschwerend wertete, somit auch die Finanzvergehen unzulässigerweise in den Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB einbezog (SSt 56/63; 15 Os 121/94, 15 Os 1/93, 11 Os 93/92, 15 Os 69/91 uam).
Diese materielle Nichtigkeit kann aber fallbezogen auf sich beruhen, weil die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida zwangsläufig nur mehr den verbleibenden Erschwerungsgrund des Zusammentreffens zweier Finanzvergehen bestehen läßt, was der (gemäß § 285 i StPO zur Entscheidung über die Berufung betreffend den Strafausspruch wegen der Finanzvergehen berufene) Gerichtshof zweiter Instanz bei Erledigung dieser Berufung zu beachten haben wird.
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