European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00068.9300000.0617.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen ‑ ebenso wie der in den Urteilsspruch aufgenommene Beschluß auf Widerruf der im Verfahren AZ 26 Vr 1928/89 des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Strafnachsicht ‑ unberührt bleibt, teils demzufolge, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO im Schuldspruch zu Punkt 3 a und zu Punkt 3 c sowie demgemäß auch im Strafausspruch (ausgenommen den Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben.
Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
1. Edgar Fritz H* wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 26.Jänner 1991 in Traun vorsätzlich die Birgit D* durch Versetzen eines Schlages, der einen Bluterguß und Schwellungen zur Folge hatte, am Körper verletzt und (auch) hiedurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
2. Für die ihm weiter zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 1 des Schuldspruches), das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB (Punkt 2 des Schuldspruches) und das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkt 3 b des Schuldspruches) wird Edgar Fritz H* gemäß §§ 28 Abs 1, 201 Abs 3 zweiter Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Jahren und 10 (zehn) Monaten verurteilt.
II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die unter I. getroffene Entscheidung verwiesen.
IV. Der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß wird nicht Folge gegeben.
V. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde der Angeklagte Edgar Fritz H* (1) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, (2) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und 3, zweiter und dritter Fall StGB und (3) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er in Traun
(zu 1) Renate H* Ende Dezember 1990 durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten und durch Würgen sowie durch die Äußerung "Wenn du dich scheiden läßt, bring ich dich um", sohin durch Gewalt und durch gefährliche Drohung, wobei er mit dem Tod gedroht hat, zur Unterlassung der Einleitung des Scheidungsverfahrens genötigt;
(zu 2) in der Zeit zwischen 6. Juni und 8.Juni 1992 (nach den Entscheidungsgründen allerdings: in der Nacht zum 7.Juni 1992) dadurch, daß er Renate H* an den Handgelenken und Fußknöcheln am Bett etwa 40 Minuten lang festband, an ihr einen Geschlechtsverkehr vollzog und durch sie einen Oralverkehr vornehmen ließ, eine Person mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs und Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die vergewaltigte Person längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde;
(zu 3) nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt und zwar:
a) Ende Dezember 1990 Renate H* durch die unter Punkt 1 geschilderte Tathandlung in Form von Blutergüssen am Rücken, am Kopf und im Bereich der linken Brust sowie Würgemalen;
b) am 19.Juni 1992 Renate H* durch Versetzen von Schlägen und Fußtritten in Form von Schwellungen im Bereich beider Augen und Ohrenschmerzen;
c) am 26.Jänner 1991 Birgit D* durch Versetzen eines Schlages in Form eines Blutergusses und Schwellungen.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt nur in Ansehung des Schuldspruches zu Punkt 3 c Berechtigung zu; im übrigen ist sie nicht berechtigt.
Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer einerseits die trotz seines Widerspruchs erfolgte Vorführung des sichergestellten Videofilms betreffend das dem Schuldspruch zu Punkt 2 zugrundeliegende Geschehen und andererseits die Abweisung seines Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des Gendarmeriebeamten M*, durch welche zu klären gewesen wäre, ob es sich bei der sichergestellten Videokassette um das Original des Filmstreifens handelt bzw. welche Abweichungen zum Originalvideofilm bestehen (S 224, 249, 250); ohne Feststellung der Identität des Filmes sei dessen Vorführung und Verwertung unzulässig gewesen.
Das Schöffengericht hat den sichergestellten Videofilm als Beweismittel zugelassen und besichtigt, den Vernehmungsantrag jedoch abgewiesen, weil der Originalfilm, falls es tatsächlich einen solchen gäbe, wofür sich keine Hinweise fanden, nach den Verfahrensergebnissen von dem vorgeführten Film nicht wesentlich abweiche und daher eine weitere aufklärende Zeugenvernehmung nicht erforderlich sei.
Dem ist beizupflichten.
Der Angeklagte gab nämlich bereits vor der Filmvorführung in der erneuerten Hauptverhandlung vom 1.März 1993 an, daß der Inhalt des in seiner Gegenwart bereits in der Hauptverhandlung vom 19.Oktober 1992 abgespielten Videofilms und das darüber aufgenommene Protokoll den Tatsachen entspreche (S 235 iVm S 163 ff). Auch nach Besichtigung des Films in der erneuerten Hauptverhandlung wendete er lediglich ein, es fehle bloß am Anfang die Äußerung seiner Frau: "Ich schlafe auch so mit dir" (S 250). Eine solche Äußerung könnte aber situationsbedingt nichts anderes besagen, als daß seine Frau mit einem durch Fesselung erzwungenen Beischlaf ebensowenig einverstanden ist als mit einem Oralverkehr unter diesen Bedingungen. Dazu kommt, daß eine inhaltlich gleichartige Äußerung der Frau ohnedies auch aus dem in den Hauptverhandlungen abgespielten Videofilm zu entnehmen ist (S 164). Selbst wenn daher am Beginn dieses Videofilms die in Rede stehende Äußerung der Renate H* fehlt, durfte der Film in der Hauptverhandlung als Beweismittel vorgeführt werden, wobei der Angeklagte sich hiezu äußern konnte und sich auch geäußert hat, sodaß von einer Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte nicht die Rede sein kann. Daran vermag auch das weitere Vorbringen in der Mängel‑ und Tatsachenrüge nichts zu ändern, wonach auf dem Originalfilm auch ein zu einem anderen Zeitpunkt stattgefundener, mit Zustimmung der Frau aufgenommener Geschlechtsverkehr zu sehen sein müßte. Denn zum einen kommt es darauf nicht an, weil dieser Geschlechtsverkehr nicht Gegenstand des Verfahrens ist, zum anderen ließe die Gestattung des Verfilmens eines freiwilligen Geschlechtsverkehrs keine Rückschlüsse auf eine Zustimmung zu Geschlechtsakten in gefesseltem Zustand zu.
Die Vernehmung des Gendarmeriebeamten M* hinwieder, die zum Beweis dafür beantragt wurde, daß es sich bei dem sichergestellten Film nicht um den "Originalfilm" handle, konnte schon deshalb sanktionslos unterbleiben, weil nicht dargetan wurde, weshalb dieser Gendarmeriebeamte etwas über ein allfälliges Überspielen des Filmes bekunden und über die Tatsache der Sicherstellung des dem Gericht übermittelten Films ‑ worüber ohnedies die Gendarmeriebeamten G* und L* berichteten (S 239 f) ‑ hinausgehende Aussagen machen könnte.
Was letztlich die als Verfahrensmangel gerügte, auf § 252 Abs 2 StPO gestützte Verlesung der Angaben der Barbara D* und der Manuela N* vor der Gendarmerie (S 249) betrifft, so übersieht die Beschwerde, daß diese Verlesung ohne Widerspruch des Angeklagten und sohin nicht aufgrund eines gegen seinen Antrag ergangenen Zwischenerkenntnisses erfolgte, womit sie einer Anfechtung aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO entzogen ist. Auf die Vernehmung dieser Zeugen wurde schon in der Hauptverhandlung vom 19.Oktober 1992 ausdrücklich verzichtet (S 155), ihre Angaben bei der Einvernahme durch Gendarmerieorgane (S 33 ff, 37 f) konnten daher als sonstige Schriftstücke von Bedeutung nach der zitierten Gesetzesstelle verlesen werden. Da dieses Beweismaterial durch die Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, widerspricht die Verwertung der Aussagen (US 11) auch nicht dem § 258 Abs 1 StPO, sodaß auch der Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO insoweit nicht gegeben ist. Es wäre Sache des Verteidigers gewesen, die Einvernahme der beiden Zeuginnen vor dem erkennenden Gericht zu beantragen, falls er ihre Aussagen als zur Entlastung des Angeklagten geeignet gehalten hätte; einen solchen Antrag hat er nicht gestellt, womit alle Einwände gegen die Verlesung der erwähnten Protokolle unbegründet sind.
In den nicht getrennt ausgeführten Mängel‑ und Tatsachenrügen (Z 5 und 5 a) wird keiner der in diesen Gesetzesstellen genannten Urteilsmängel konkret bezeichnet; der Sache nach wird damit insgesamt nur die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft. Soweit sich der Beschwerdeführer zunächst mit der allgemeinen Schilderung des Ehelebens im Urteil befaßt und betont, daß er im Zusammenhang mit dem Sexualleben zwar gelegentlich "Tetschen" angedroht, aber keine Gewalt geübt habe, betrifft dies Vorgänge, die nicht Gegenstand des Strafverfahrens sind, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist. Zum Schuldspruch zu Punkt 2 beruft sich der Beschwerdeführer auf die Äußerung seiner Ehegattin, er möge sie losbinden, sie wäre zum Geschlechtsverkehr mit ihm ohnedies bereit. Daraus ergäbe sich, daß es der Fesselung und der damit verbundenen Gewaltausübung nicht bedurft hätte, um zum Geschlechtsverkehr zu gelangen, sodaß eine Vergewaltigung nicht vorliege. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach den aufgrund der überzeugenden Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere der Videoaufzeichnungen, mängelfrei getroffenen Urteilsfeststellungen Renate H* zwar zu einem unter normalen Bedingungen stattfindenden Geschlechtsverkehr bereit war, nicht aber zu einem solchen in gefesseltem Zustand. Das die Tatbestandsmäßigkeit der Vergewaltigung ausschließende Einverständnis des Tatopfers muß sich selbstverständlich nicht nur auf einen Geschlechtsverkehr an sich, sondern auf das konkrete Vorhaben des Täters unter den von ihm geschaffenen Begleitumständen beziehen. Gerade der vorgeführte und vom Erstgericht entsprechend gewürdigte Videofilm (vgl. die Inhaltsangaben S 39 f, 163 ff) läßt aber keinen Zweifel daran, daß dieses Einverständnis objektiv nicht vorlag und der Angeklagte es auch nicht vermuten konnte. Daß es im Zuge der durch die Fesselung ausgeübten Gewalt zu zusätzlichen Erniedrigungen des Tatopfers durch die "Pißspiele" des Angeklagten kam, ist für die Annahme der Qualifikationsmerkmale des § 201 Abs 3 StGB bedeutsam, nicht aber für die Tathandlung selbst, denn dabei handelt es sich, wie in der Beschwerde zutreffend, aber ins Leere gehend hervorgehoben wird, nicht um beischlafsähnliche Handlungen. Ob der Angeklagte diese Erweiterung seines Tatplans schon bei der Fesselung oder erst später bedachte, ist außerdem nicht entscheidend.
Zum Schuldspruch zu Punkt 3 (Verletzung der minderjährigen Birgit D*) bringt der Beschwerdeführer vor, er habe die Verletzung des Kindes nicht bedacht und sich mit ihrem Eintritt nicht abgefunden. Mit dieser bloßen Bestreitung des festgestellten Verletzungsvorsatzes (US 5 und 12) wird keiner der geltendgemachten Nichtigkeitsgründe (Z 5 oder 5 a) prozeßordnungsgemäß dargestellt.
Desgleichen wird die Überzeugungskraft der erstgerichtlichen Feststellung einer Bedrohung mit dem Tod nicht dadurch erschüttert, daß der Beschwerdeführer detaillierte Feststellungen, aus denen die Ernsthaftigkeit einer verbalen Drohung mit dem Tod (Umbringen) abgeleitet werden könnte, vermißt. Bei Berücksichtigung des gesamten, mit brutalen Mißhandlungen und dem Würgen mit einem Schal oder einem Pulloverkragen verbundenen Tatgeschehens können gegen die erstgerichtliche Feststellung der Ernstlichkeit der Todesdrohung keine erheblichen Bedenken im Sinne einer Tatsachenrüge erweckt werden.
In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet der Beschwerdeführer zum Schuldspruch zu Punkt 2 abermals seinen auf Tatbestandsverwirklichung gerichteten Vorsatz, weil er die schon zu Beginn des Vorgangs abgegebene Erklärung seiner Ehegattin, ohne Fesselung mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden zu sein, dahin verstanden habe, daß sie zwar nicht mit der Fesselung, wohl aber mit der Vornahme "sonstiger geschlechtlicher Handlungen" (gemeint offenbar der erzwungene Oralverkehr) einverstanden sei. Für die Frage der Einwilligung sei entscheidungswesentlich, wie der Empfänger sie verstehe; im Fehlen einer diesbezüglichen Feststellung liege ein die rechtliche Beurteilung hindernder Mangel, den er (ebenso wie einen allfälligen Irrtum über die Einwilligung) hilfsweise auch als möglichen Rechtfertigungsgrund im Sinne der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO geltend mache.
Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß das Fehlen der Einwilligung Tatbestandsmerkmal ist, weil die Abnötigung eines Verhaltens sich begrifflich nur auf die Beugung oder Brechung des widerstrebenden Willens des Tatopfers beziehen kann. Die Prüfung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund (analog etwa der für Körperverletzung oder Gefährdung der körperlichen Sicherheit aufgestellten Vorschrift des § 90 StGB) kommt daher ebensowenig in Betracht wie die eines Irrtums über einen rechtfertigenden Sachverhalt nach § 8 StGB. Entgegen dem Beschwerdevorbringen traf das Erstgericht vielmehr ohnedies die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Aus diesen ergibt sich zwingend, daß auch ein Irrtum des Angeklagten über ein von ihm nur vermutetes Einverständnis seiner Ehegattin nicht vorlag. Angesichts des Inhalts der Videoaufzeichnung wären Feststellungen über einen derartigen Irrtum auch nicht möglich gewesen.
Zum Schuldspruch zu Punkt 3 c bestreitet der Beschwerdeführer die Feststellung seines Vorsatzes, weil sich aus dem Urteil nicht ergebe, daß er sich mit dem möglichen Eintritt von Verletzungen auch tatsächlich abgefunden habe. Dieses Vorbringen ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil es sich über gegenteilige Urteilsfeststellungen hinwegsetzt (siehe insbesondere US 12). Die bezüglich dieses Faktums geltend gemachte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO wegen Verjährung liegt hingegen vor. Die Tat wurde am 26.Jänner 1991 begangen, die Verjährungsfrist beträgt angesichts der sechs Monate nicht übersteigenden Strafdrohung des § 83 StGB ein Jahr (§ 57 Abs 3 StGB); sie endete daher am 26.Jänner 1992. Da eine Verlängerung der Verjährungsfrist durch eine andere während der Frist begangene Tat (§ 58 Abs 2 StGB) nicht eintrat und das Strafverfahren erst am 22.Juni 1992 eingeleitet wurde (S 1), liegt daher tatsächlich der Strafaufhebungsgrund der Verjährung vor.
Dies gilt auch, was in der Beschwerde nicht geltend gemacht wird, gemäß § 290 Abs 1 StPO aber, da es sich um einen materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrund handelt, von amtswegen wahrzunehmen ist, für die Ende Dezember 1990 begangene, dem Schuldspruch zu Punkt 3 a zugrundeliegende Körperverletzung. Mag diese auch zugleich und eintätig mit der mit höherer Strafe bedrohten und daher nicht verjährten schweren Nötigung (Punkt 1 des Schuldspruches) verwirklicht worden sein, so ist doch auch bei eintätigem Zusammentreffen die Verjährung hinsichtlich jeder der zusammentreffenden Taten selbständig zu prüfen (Foregger im WK § 57 Rz 4, Leukauf‑Steininger Komm3 § 57 RN 19). Auf das ‑ mit der ständigen Rechtsprechung allerdings im Widerspruch stehende ‑ Beschwerdevorbringen, die in Rede stehende Körperverletzung sei durch Verwirklichung des Tatbestands der Nötigung konsumiert, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Mit seiner Subsumtionsrüge (Z 10) bekämpft der Beschwerdeführer die vom Erstgericht in Ansehung der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB herangezogene Qualifikation des § 201 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB (qualvoller Zustand und besondere Erniedrigung).
Das Erstgericht erblickte diese erschwerenden Tatumstände in der Fesselung der Renate H* und im "Anurinieren" (US 13 f). Diese rechtliche Beurteilung ist fehlerfrei. Es ist zunächst klarzustellen, daß es sich nicht um zwei eigenständige Qualifikationen handelt, sondern um bloße Spielarten einer einzigen Qualifikation (EvBl 1990/119). Ein qualvoller Zustand im Sinne des § 106 Abs 1 Z 2 StGB (Leukauf‑Steininger Komm3 § 201 RN 31) ist entgegen dem Beschwerdevorbringen angesichts der Zeitdauer der Fesselung von etwa 40 Minuten, verbunden mit vielfältigem körperlichen Ungemach (vgl. abermals die Inhaltsangaben des Videofilms insb die Äußerungen der Renate H* über Kälte und Schmerzen) zu bejahen. Insbesondere aber liegt eine besondere Demütigung darin, daß die durch die Fesselung vom Partner des Geschlechtsverkehrs sinnfällig zum reinen Lustobjekt erniedrigte Frau in dieser Lage gefilmt und zusätzlich durch die erzwungene Aufnahme des Urins des Täters in den Mund nicht nur einem peinvollen körperlichen Ungemach ausgesetzt, sondern auch in ihrer Menschenwürde gröblichst verletzt wurde.
Auch die Qualifikation der dem Schuldspruch zu Punkt 1 zugrundeliegenden Tat als schwere Nötigung nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB bekämpft der Beschwerdeführer, weil eine ernstzunehmende Drohung mit dem Tode nicht vorgelegen sei. Bei der Frage, ob der Vorsatz des Täters auf eine ernstliche Drohung mit dem Tod gerichtet war, handelt es sich jedoch um eine Tatfrage, sodaß von den eindeutigen gegenteiligen Konstatierungen des Schöffengerichtes auszugehen ist, das dabei insbesondere auf den Zusammenhang zwischen dem erfahrungsgemäß Todesangst bewirkenden Würgen und der verbalen Todesdrohung hinwies (US 5, 13). Die Rüge ist daher insoweit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Die Todesdrohung war im übrigen nach Lage des Falles auch objektiv geeignet, bei der Bedrohten den Eindruck zu erwecken, der Angeklagte sei willens und in der Lage, ihr das angedrohte Übel auch tatsächlich zuzufügen.
Aus den angeführten Erwägungen war der Nichtigkeitsbeschwerde daher in Ansehung des Schuldspruches zu Punkt 3 c Folge zu geben und das angefochtene Urteil in diesem Punkt sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO auch im Punkt 3 a des Schuldspruches und demzufolge im Strafausspruch aufzuheben; im Umfang der Aufhebung war sogleich in der Sache selbst zu erkennen, der Punkt 3 a des Schuldspruches aus dem Urteil (durch die Aufhebung bloß) auszuschalten ‑ die Tat bleibt als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB strafbar ‑ und der Angeklagte von der Anklage der an Birgit D* verübten Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkt 3 c) gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zu verwerfen.
Bei der nach Kassation des Strafausspruches erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die auf die gleiche schädliche Neigung zurückzuführenden Vorverurteilungen des Angeklagten, als mildernd hingegen sein Geständnis, das hinsichtlich seiner Schuldeinsicht allerdings kein nennenswertes Gewicht hat.
Der vom Angeklagten für sich ins Treffen geführte Umstand, daß das Oberlandesgericht Linz im Vorstrafverfahren AZ 26 Vr 1928/89 des Landesgerichtes Linz das damals vom Angeklagten verübte Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB als "eher an der Untergrenze der vom Tatbestand umfaßten geschlechtlichen Handlungen angesiedelt" ansah, hatte für die Strafbemessung in jenem Verfahren Bedeutung, ist aber kein Strafzumessungsumstand im nunmehrigen Verfahren.
In Abwägung der oben angeführten Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 Abs 3 StGB) war die im Spruch angeführte Freiheitsstrafe zu verhängen. Sie entspricht der gravierenden personalen Täterschuld und der Schwere der verschuldeten Rechtsgutverletzung.
In Anbetracht der Wirkungslosigkeit der im Verfahren AZ 26 Vr 1928/89 des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Strafnachsicht ist, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, der Widerruf der bedingten Strafnachsicht geboten (§ 53 Abs 1 StGB). Es war deshalb der im Spruch des erstgerichtlichen Urteils enthaltene, wenngleich nicht gesondert als solcher bezeichnete Widerrufsbeschluß aufrechtzuerhalten, zumal einer Aufhebung eines sachgerechten Widerrufsbeschlusses im Zuge einer Strafneubemessung und einer sogleich darauf folgenden Wiederherstellung nur die Bedeutung eines überflüssigen Formalaktes zukäme (15 Os 106/89, 16 Os 41/89 uam).
Der Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß war aus den angeführten Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
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