OGH 15Os63/09t

OGH15Os63/09t3.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schneider als Schriftführer in der Strafsache gegen Zouhir B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Privatbeteiligten Ayoub B*****, Aya B***** und Faten B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 3. Dezember 2008, GZ 9 Hv 6/08a-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Zouhir B***** (zu I./A./) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und (zu I./B./1./a/ und b/ sowie 2./) mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Eisenstadt

I./A./ am 5. Juni 2007 seine Ehegattin Basma Sayeh Ep B***** mit Gewalt zur Vornahme des Beischlafs genötigt, indem er sie ins Wohnzimmer zerrte, zu Boden stieß, ihr von hinten die Kleidung vom Leib riss, sie mit dem Rücken auf den Boden drehte, sich auf sie kniete, ihren Oberkörper zwischen seine Knie zwängte, mit seinen Beinen ihre Beine gewaltsam auseinander zwängte, mit seinem Penis in sie eindrang und einen Vaginalverkehr durchführte;

B./ nachfolgende Personen am Körper verletzt, und zwar 1./ Basma Sayeh Ep B*****

a./ im November/Dezember 2005, indem er sie mit dem Gürtel schlug, wobei sie Hämatome an den Oberschenkeln erlitt;

b./ im Zeitraum von März bis 5. Juni 2007 in mehrfachen Angriffen, indem er mit dem Besenstiel auf sie einschlug, ihr mit der Hand und mit dem Gürtel Schläge versetzte, sie mit den Füßen trat, an den Haaren riss und ihr in die Hand biss, wobei sie Hämatome, Schürfwunden und eine Bissverletzung erlitt;

2./ seine Kinder Ayoub B***** Aya B***** und Faten B***** im Zeitraum vom 27. Februar 2005 bis 5. Juni 2007 in mehrfachen Angriffen, indem er ihnen mit einem Besenstiel, einem Gürtel sowie mit der Hand Schläge gegen ihre Körper, überwiegend Oberkörper und Beinbereich, versetzte, wobei sie Hämatome und Schürfwunden erlitten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge nach Z 3 behauptet einen nichtigkeitsbegründenden Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO, weil die Aussagen der Zeugen Ayoub B*****, Aya B***** und Faten B*****, die im Vorverfahren kontradiktorisch vernommen worden waren, verlesen und die Ton- und Bildaufnahmen über diese Vernehmungen vorgeführt wurden, obwohl die genannten Zeugen nicht erklärt hatten, in der Hauptverhandlung die Aussage zu verweigern. Ein „konkretes" Einverständnis der Parteien zur Verlesung der Vernehmungsprotokolle und zur Abspielung der Bild- und Tonaufnahmen sei nicht vorgelegen.

Damit argumentiert die Beschwerde aktenfremd, erfolgte doch die Verlesung sämtlicher Vernehmungsprotokolle des Vorverfahrens einverständlich (S 4 in ON 14) und damit gesetzeskonform (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO). Weil Ton- und Bildaufnahmen über Vernehmungen sich von den Protokollen über diese nur durch die Form der Dokumentation ein und derselben Beweisaufnahme unterscheiden und diesen daher grundsätzlich gleichgestellt sind, ist aus dem Parteieneinverständnis über die Verlesung der Protokolle bei Fehlen gegenteiliger Parteienäußerungen zur Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen von einer Zustimmung auch zu letzterer auszugehen (vgl RIS-Justiz RS0112877, RS0099242). Dem weiteren Vorbringen zuwider sind die zu B./ angeführten Taten im Urteil hinreichend individualisiert, sodass ein Verstoß gegen § 260 Abs 1 Z 1 StPO nicht vorliegt. Dem dort verlangten Teil des Erkenntnisses kommt nur die Aufgabe zu, die in den Entscheidungsgründen festgestellten Tatsachen, soweit sie für die rechtlichen Unterstellungen entscheidend sind, im Urteilsspruch zum Zweck der Abgrenzung von anderen Taten festzuhalten (RIS-Justiz RS0116587). Soweit der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO eine sichere Individualisierungsgrundlage bezweckt, streiten aber daraus resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen des aus dem 16. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses (RIS-Justiz RS0120226). Von der gegenständlichen Verurteilung sind - mit Ausnahme des bereits zu AZ 7 U 125/05k des Bezirksgerichts Eisenstadt diversionell mit Beschluss vom 23. Dezember 2005 erledigten Vorwurfs der Körperverletzung zum Nachteil der Basma Sayeh Ep B***** am 15. Juni 2005 - sämtliche vom Angeklagten den im Urteil angeführten Opfern in den angeführten Tatzeiträumen vorsätzlich zugefügten Verletzungen erfasst und können damit nicht Gegenstand einer späteren strafgerichtlichen Verurteilung sein. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat sich das Schöffengericht mit den Aussagen der Ehegattin und der Kinder des Angeklagten eingehend auseinandergesetzt und dabei auch die Widersprüche in den Angaben des Ayoub B***** im Rahmen seiner kontradiktorischen Vernehmung (US 7 f) und in den Angaben der Basma Sayeh Ep B***** bei der Anzeigeerstattung (S 21 bis 27 in ON 3 in ON 2), im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 9 in ON 2) und in der Hauptverhandlung vom 16. Oktober 2008 (S 12 bis 21 in ON 10) erörtert (US 8 bis 10).

Soweit die Beschwerde mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Ehegattin und der Kinder des Angeklagten in Frage zu stellen sucht, macht sie keinen Begründungsmangel geltend, sondern kritisiert in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung. Gleiches gilt für eigenständige medizinische Schlussfolgerungen des Beschwerdeführers. Die Angaben des Angeklagten ließ das Schöffengericht nicht unbeachtet, maß ihnen aber keine Glaubwürdigkeit zu (US 9 f). Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf Widersprüche in den Aussagen der Zeugen Basma Sayeh Ep B***** und Ayoub B***** sowie mit eigenen Beweiswerterwägungen betreffend die Glaubwürdigkeit der genannten Zeugen keine aus den Akten abzuleitenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite betreffend die auf Vergewaltigung gerichtete Gewaltanwendung, vernachlässigt dabei jedoch die Konstatierungen US 7 erster Absatz.

Mit der Forderung nach Feststellungen hinsichtlich des Umstands, „wie der Angeklagte es bewerkstelligen konnte, trotz des vom Erstgericht festgestellten Bisses in den Penis und den damit logischerweise verbundenen Schmerzen noch den Geschlechtsverkehr" durchzuführen, macht der Angeklagte keinen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend, sondern kritisiert auch unter diesem Nichtigkeitsgrund in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Sanktionsrüge (Z 11) reklamiert den vom Schöffengericht mit dem Hinweis, dass der Angeklagte „schon in der Vergangenheit mehrfach zu Gewalttätigkeiten neigte" trotz seiner gerichtlichen Unbescholtenheit verweigerten Milderungsgrund eines ordentlichen Lebenswandels (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), macht aber damit lediglich einen Berufungsgrund geltend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Privatbeteiligten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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