OGH 15Os61/87

OGH15Os61/8726.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen August C*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Jänner 1987, GZ 6 a Vr 9545/86-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Fuchs, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte August C*** der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (Punkt A des Urteilssatzes), des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 3 Z 1 und 2 StGB (Punkt B) und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt C) schuldig erkannt.

Darnach

(zu A) hat er am 19.August 1986 in Vösendorf Manfred P*** durch Faustschläge ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, was bei dem Genannten eine an sich schwere Verletzung, und zwar einen Bruch des Unterkiefers, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte,

(zu B) war er am 19.August 1986 in Vösendorf mit Gewalt und durch Drohung mit Gewalt in die Wohnstätte des Manfred P*** eingedrungen, wobei er gegen eine darin befindliche Person Gewalt zu üben beabsichtigte und eine Waffe mit sich führte, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern, indem er die Eingangstüre der Wohnung des Genannten aufdrückte, wobei er rief, er bringe ihn um, und, wenig später mit einem Fixiermesser bewaffnet, nach Aushängen der Tür neuerlich die Wohnung betrat, wobei er rief, er schneide P*** den Kopf ab,

(zu C) hat er durch Faustschläge ins Gesicht andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1. Anfang August 1986 in Hennersdorf Josef K***, was einen Bluterguß unterhalb des linken Auges des Genannten zur Folge hatte,

2. am 19.August 1986 in Vösendorf Sonja K***, was bei dieser eine blutende Nasenwunde zur Folge hatte.

Der nur gegen die Punkte A und C 1 des Schuldspruches gerichteten, auf die Z 5 und "9" (S 221) bezw. "9 a" (S 218), der Sache nach jedoch 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers in der Mängelrüge (Z 5) zu Punkt A des Schuldspruches liegt ein Begründungsmangel nicht vor. Denn die Angaben des Zeugen P***, auf die sich das Schöffengericht stützte, lassen keinen Zweifel offen, daß ihnen zufolge dessen Kieferbruch ausschließlich auf das tätliche Vorgehen des Angeklagten zurückzuführen ist. Das gegenteilige Vorbringen in der Mängelrüge, wonach P*** in der Hauptverhandlung nur eine Vermutung "über die Herkunft" der Verletzung geäußert und weiters angegeben habe, nicht genau sagen zu können, wo "er sich" den Kieferbruch zugefügt habe (S 219), wobei jeweils auf die S 157 des Aktes Bezug genommen wird, stellt sich teils als eine irreführende Beurteilung und teils als eine unzutreffende Wiedergabe der Aussage dieses Zeugen dar, die insoweit einer aktenmäßigen Grundlage entbehrt.

Der Zeuge war nämlich (in der Hauptverhandlung vom 18. November 1986) lediglich in Ansehung des (nicht entscheidenden) Umstandes unsicher, ob diese Verletzung die Folge der ihm vom Angeklagten versetzten - und von letzterem gar nicht in Abrede gestellten (S 35, 149, 153, 154 und 171) - Schläge ins Gesicht oder eines ihm von diesem, nachdem er als Folge der Schläge zu Boden gestürzt war, außerdem versetzten Fußtrittes war (S 157 und 359). Ausdrücklich verneinte er aber die Möglichkeit, daß der Kieferbruch erst bei seinem nachfolgenden Sprung aus dem Klosettfenster auf der Flucht vor dem Angeklagten entstanden sein könnte, weil er "breitspurig" mit den Füßen auf einen Lichtkasten aufgesprungen, dabei nicht umgefallen und nicht mit dem Kopf aufgefallen sei und sich auch nirgends angeschlagen habe (S 158, 160). Angesichts dieser klaren Deponierungen war das Schöffengericht auch nicht gehalten, sich noch mit dem Umstand auseinanderzusetzen, daß dem Zeugen die Tatsache des Kieferbruches erst im Spital zur Kenntnis gebracht wurde.

Die rein spekulative Überlegung des Beschwerdeführers, der Zeuge könne beim Aufsprung eingeknickt und dabei könne der Kopf mit den Knien in Kontakt geraten sein, stellt sich demnach bloß als im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehener und daher unzulässiger Versuch dar, die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu bekämpfen. Damit wird nämlich ein in der Aktenlage nicht gedeckter, rein hypothetischer Sachverhalt behauptet, der deshalb einer sachlichen Erörterung von vornherein nicht zugänglich ist.

In bezug auf das Urteilsfaktum C 1 beruft sich der Beschwerdeführer nunmehr (erstmalig) auf den Rechtfertigungsgrund der Notwehr und macht in diesem Zusammenhang dem angefochtenen Urteil unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO zum Vorwurf, bei der Sachverhaltsermittlung die Darstellung des Zeugen Josef K*** in der Hauptverhandlung (am 9.Dezember 1986) unberücksichtigt gelassen zu haben, derzufolge die tätliche Auseinandersetzung zwischen ihnen vor dem Gasthaus von letzterem durch ein Ausholen mit dem Fuß gegen ihn eröffnet worden und er dem nur durch Schläge ins das Gesicht des Angreifers zuvorgekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit macht er der Sache nach einen dem angefochtenen Urteil (vermeintlich) anhaftenden Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO geltend, der darin gelegen sein soll, daß vom Erstgericht ein sich aus der Aussage des Zeugen K*** ergebender Tatumstand außer acht gelassen worden sei, der in rechtlicher Beziehung die Annahme zulassen würde, daß er bei seinen Tätlichkeiten gegen jenen in Ausübung gerechter Notwehr (und demnach nicht rechtswidrig) gehandelt habe.

Diesem Einwand kann aber keineswegs gefolgt werden. Nach den - auch durch dessen Verantwortung gedeckten (S 39 und 155) - Feststellungen des Schöffengerichtes wurde der Angeklagte beim Kartenspiel in einem Gasthof von seinem Spielpartner K*** wegen Falschspielens geohrfeigt, worauf er jenen aufforderte, mit ihm aus dem Lokal zu gehen, um die Auseinandersetzung (in Form eines Raufhandels) im Freien auszutragen. Dieser Aufforderung leistete K*** Folge, worauf es vor dem Gasthaus zwischen den beiden tatsächlich zu einem Raufhandel kam, bei dem der Angeklagte seinem Widersacher durch Schläge ins Gesicht einen Bluterguß unterhalb eines Auges zufügte (S 203).

Der Angeklagte hatte sich weder im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung auf Notwehr berufen, sondern sich vielmehr ohne Einschränkung einer an K*** begangenen Körperverletzung schuldig bekannt (S 150, 155, 171, 173, 195).

Durch die an jenen gerichtete Aufforderung, mit ihm (zur Austragung eines Raufhandels) vor das Gasthaus zu kommen, ließ sich der Angeklagte nicht nur bewußt in einen Raufhandel ein, sondern er initiierte diesen sogar. Dadurch, daß bei einem gewollt herbeigeführten Raufhandel der Gegner die Tätlichkeiten eröffnet, entsteht aber für den Täter, der sich in eben diesen Raufhandel einläßt, noch keine Notwehrsituation. Denn das Wesen eines Raufhandels liegt ja gerade in einem Wechsel von Angriffs- und Verteidigungshandlungen der daran Beteiligten; bei dessen Austragung kommt daher Notwehr auch dann nicht in Betracht, wenn dieser - wie im vorliegenden Fall - vom Gegner mit Angriffshandlungen, die für einen Raufhandel adäquat sind, eröffnet wird. Die bloße Einleitung der Tätlichkeiten durch den Widersacher allein kann einer einseitigen unangemessenen Eskalation der Auseinandersetzung, die allenfalls eine Notwehrsituation begründen könnte, keineswegs gleichgehalten werden (vgl. Nowakowski, WK zum StGB, RZ 31 zu § 3; Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 84 zu § 3; Foregger-Serini, StGB 3 , S 33 f; ÖJZ-LSK 1978/179 und 1976/37 ua).

Das Schöffengericht war daher weder zu einer näheren Erörterung der vom Beschwerdeführer aufgegriffenen Bekundungen des Zeugen K***, wonach jener zwar zu einem Fußtritt gegen den Angeklagten ausholte, aber sein Ziel gar nicht erreichte, weil er bereits vorher von letzterem einen Schlag ins Gesicht erhalten hatte, noch zu dieser Aussage entsprechenden Feststellungen über die Einzelheiten des Raufhandels verhalten, weil nach dem zuvor Gesagten eine Notwehrsituation von vornherein nicht in Betracht kommen kann. Der der Sache nach damit relevierte Feststellungsmangel (Z 9 lit. b) liegt demnach nicht vor.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen dreier Vergehen, die gravierenden einschlägigen Vorstrafen und einen relativ raschen Rückfall nach Verbüßung der letzten Strafe, als mildernd dagegen das Geständnis. Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe an.

Die in der Berufung reklamierten mildernden Umstände liegen allerdings in Wahrheit nicht vor.

Daß der Zeuge P*** den Angeklagten mit einem Schlüsselbund attackierte und ihm dabei eine (leichte) Verletzung zufügte, war unmittelbare Folge eines deliktischen Verhaltens des Angeklagten. Er kann sich diese Verletzung daher nicht als ins Gewicht fallenden Milderungsgrund zugute halten.

Desgleichen kann den Ohrfeigen, die der Zeuge K*** dem Angeklagten versetzt hatte, keine mildernde Wirkung zugebilligt werden, wurden diese doch durch sein eigenes unredliches Verhalten beim Kartenspielen ausgelöst (vgl. hiezu S 173).

Die Strafzumessungsgründe wurden somit vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend erfaßt und ihrem Gewicht nach richtig gewertet. Das in einschlägiger Richtung schwer getrübte Vorleben des Angeklagten erfordert die Verhängung einer entsprechenden Freiheitsstrafe. Eine Herabsetzung kommt demnach nicht in Betracht. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

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