OGH 15Os57/91

OGH15Os57/916.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Springer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther L***** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27. Februar 1991, GZ 28 Vr 2221/90-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil, das auch einen unangefochtenen Freispruch enthält, wurde Günther Karl L***** des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB - begangen dadurch, daß er am 1.November 1990 in Linz in der Wohnung der Petra P*****, die sich in dem im Eigentum der G***** stehenden Haus Linz, A*****straße 35, befindet, Papier und Textilien anzündete und somit vorsätzlich an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Berechtigten eine Feuersbrunst zu verursachen versuchte - schuldig erkannt.

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge (Z 4) vorerst den in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen Ing. H***** polemisch als "jung, unerfahren und nicht beeidet" abzuqualifizieren sucht, stützt er sich zum Teil auf Umstände, die er in erster Instanz nicht zur Begründung seines Antrages auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen (S 230) vorgebracht hat, sodaß sie bei Prüfung des Zwischenerkenntnisses des Schöffengerichtes keine Berücksichtigung finden können (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 40 und 41 zu § 281 Abs. 1 Z 4); weder das Alter noch eine mangelnde Beeidigung wurden als Grund für die behauptete Notwendigkeit der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen angeführt. Auf eine Beeidigung des Sachverständigen Ing. H***** hat der Beschwerdeführer im übrigen ausdrücklich verzichtet (S 203), sodaß er sich auch deshalb nicht durch deren Unterbleiben beschwert erachten könnte.

Begründet wurde der Antrag auf Beiziehung eines (weiteren) Sachverständigen damit, daß Ing. H***** - auf der Grundlage der Aussage des Zeugen T***** unzutreffend - ausgeführt habe, im Bad der Wohnung sei nicht mit Wasser gelöscht worden, und daß seine Ausführungen über die Branddauer jenen des erfahrenen Feuerwehrangehörigen T***** widersprächen (S 230).

Die Frage, ob die im Badezimmer der Wohnung bei Einsatz der Feuerwehr nur mehr glimmende Wäsche (S 228) mit aus einem mitgeführten Hochdruckrohr zerstäubendem Wasser (S 227, 228) gelöscht wurde oder auf sonstige Weise, ist indes unerheblich, denn vorliegend war für die Beurteilung der Branddauer sowohl nach dem Gutachten des Sachverständigen Ing. H***** als auch nach der Einschätzung des Zeugen T***** der Brandherd im Wohnzimmer der Wohnung maßgebend.

Davon hinwieder, daß das Gutachten des Sachverständigen Ing. H***** dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen sei (§ 125 StPO), kann keine Rede sein. Das Vorliegen der drei erstbezeichneten Voraussetzungen vermag der Beschwerdeführer selbst nicht zu behaupten. Bei der vom Zeugen T***** vorgenommenen "Schätzung" der Branddauer, die durch den Verteidiger veranlaßt wurde (S 229), handelt es sich hingegen um keinen erhobenen Tatumstand, der Zeuge wurde vielmehr zu einer Art Expertise veranlaßt. Zudem wies das Erstgericht in seinem Zwischenerkenntnis zutreffend darauf hin, daß es sich bei dieser "Schätzung" um eine ohne nähere Vorbereitung oder Befundaufnahme abgegebene "spontane" Äußerung des Zeugen T***** in der Hauptverhandlung gehandelt hatte, wogegen der Sachverständige Ing. H***** sein Gutachten über die Branddauer auf einen von ihm unter ähnlichen Voraussetzungen wie am Tatort angestellten Brandversuch stützte (S 232 iVm S 205 f), bei dem erst 25 Minuten nach der Entzündung Einbrände an einer Hartfaserplatte und an Fichtenbrettern festzustellen waren, die jedoch nicht so intensiv waren wie jene an der Hartfaserplatte und den Parkettfußbodenbrettern im Wohnzimmer der Zeugin P*****; die Annahme einer Mindestzeitdauer von 35 Minuten zwischen Entzündung und Löscheinsatz (S 205) erscheint demnach durchaus schlüssig.

Die begehrte Einholung eines veterinärmedizinischen Gutachtens darüber, daß eine in der Wohnung befindliche Katze "angesichts der vom Brandsachverständigen geschilderten Umstände nicht überlebt hätte", war entbehrlich, weil die Katze, die nach der Aussage des Zeugen T***** auf den Balkon der Wohnung sprang, nachdem die Feuerwehr die Balkontür eingeschlagen hatte, nach der weiteren Aussage dieses Zeugen im Vorraum oder im Badezimmer der Wohnung, wo keine intensiven Brände herrschten, überleben konnte, zumal sich am Boden eines Raumes mehr Sauerstoff befindet (S 227).

Auch die beantragte Durchführung eines "Brandversuches im Verhältnis 1 : 1" (gemeint ist damit ersichtlich ein Brandversuch in einem eigens mit gleichen Materialien wie die Wohnung der Zeugin P***** errichteten Wohnobjekt - vgl. S 206), die zum Beweis dafür begehrt wurde, daß der Angeklagte zum Zeitpunkt der Brandverursachung bei seiner früheren Ehefrau war (S 207 f), konnte ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Denn der Sachverständige Ing. H***** legte dar, daß ein derartiger, den von ihm ohnedies angestellten Brandversuch präzisierender weiterer Versuch nur zu einer zeitlichen Eingrenzung innerhalb der von ihm angenommenen Branddauer von 35 bis 50 Minuten führen könnte, nicht aber zur Annahme einer Zeitdauer weniger als 35 Minuten (S 207, 209). Für den Angeklagten, der, wie das Erstgericht zutreffend ausführte, schon bei Annahme einer Brandzeitdauer von (nur) 35 Minuten nicht über das von ihm behauptete Alibi verfügt, war somit bei näherer Eingrenzung innerhalb des genannten Zeitraumes nichts zu gewinnen.

Der Antrag auf "Beischaffung der von der Kriminalpolizei genommenen Fingerabdrücke" (S 229 iVm S 220) konnte vom Schöffengericht gleichfalls sanktionslos abgewiesen werden, weil es ohnedies die Möglichkeit nicht ausschloß, daß eine fremde Person die Wohnung durch die vom Angeklagten offengelassene Tür betreten haben könnte (S 233). Von dieser Begründung abgesehen wäre außerdem unzweifelhaft erkennbar, daß das abweisende Zwischenerkenntnis keinen den Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung üben konnte, denn die - wenngleich erst nach der Urteilsfällung angestellte - Anfrage des Vorsitzenden des Schöffengerichtes bei der Bundespolizeidirektion L***** ergab, daß bei den (vorgenommenen) Erhebungen keine verwertbaren Spuren vorgefunden wurden (S 283). Daß eine derartige jedenfalls dem Obersten Gerichtshof zustehende Einholung tatsächlicher Aufklärungen über behauptete Formverletzungen oder Verfahrensmängel (§ 285 f StPO) ohne Auftrag des Obersten Gerichtshofes vom Vorsitzenden des Schöffensenates anläßlich der ihm obliegenden Prüfung einer eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 b Abs. 1 StPO) veranlaßt wurde, ändert daran nichts. Der ein negatives Ergebnis einer angestrebten Beweisaufnahme vorwegnehmenden und somit prozessual verfehlten Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses (S 232 f) kommt nach dem Gesagten demnach keine Relevanz zu (§ 281 Abs. 3 StPO).

Weitere Erhebungen darüber, ob überhaupt Fingerabdruckspuren gesichert wurden und warum dann keine verwertbaren Spuren vorgefunden worden sein sollten, wie dies der Beschwerdeführer in einer ihm - vom Obersten Gerichtshof anläßlich der Bekanntgabe des Ergebnisses der (nachträglichen)

Erhebungen - anheimgestellten Äußerung begehrt, sind entbehrlich. Wurde eine Spurenerhebung unterlassen, dann können nunmehr keine Beweise darüber aufgenommen werden. Daß bei Spurensicherung aber häufig kein verwertbares Ergebnis erzielt wird, ist auf die kriminalistische Erfahrungstatsache zurückzuführen, daß Fingerabdrücke wegen rauhen Untergrundes, Verwischungen udgl. nicht immer in einem solchen Maße gesichert werden können, daß die für eine zweifelsfreie Identifikation erforderliche Anzahl der spezifischen anatomischen Merkmale der Papillarlinien festgestellt werden kann.

Der Antrag auf "erneute" Vernehmung der (ohnedies in der Hauptverhandlung - zum Teil mehrfach - vernommenen) Zeugen Barbara L***** und Heinz G*****, der zum Beweis dafür gestellt worden war, daß der Angeklagte "durch ca. 10 Minuten an der Balkontür der Genannten geklopft" habe (S 229 iVm S 220), konnte ebenfalls abgewiesen werden. Denn abgesehen davon, daß es dem Beschwerdeführer freigestanden wäre, die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen - namentlich anläßlich der Bekundung eines mehrmaligen Klopfens (S 211) - zu diesem Umstand näher zu befragen, vermag der Beschwerdeführer (auch in der Beschwerde) nicht darzustellen, warum dieses mehrmalige Klopfen ein Ausmaß von ca. 10 Minuten erreicht haben sollte, zumal Barbara L***** wach war und einen Fernsehfilm ansah, als der Angeklagte erschien (S 183 f).

Die Verfahrensrüge ist somit in keinem Punkt berechtigt.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über seine Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darzutun.

Die dabei relevierte Annahme einer Geh- und Fahrzeit von drei Minuten zwischen der Wohnung der Zeugin P***** und jener seiner vormaligen Ehefrau Barbara L***** im erstgerichtlichen Urteil ist nicht willkürlich, sondern beruht auf sicherheitsbehördlichen Erhebungen (S 200) unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer eingestandenen Tatsache, daß er in der Nacht der Brandlegung den PKW der Zeugin P***** zur Verfügung hatte (S 175) und auch mit diesem zur Wohnung seiner früheren Ehefrau fuhr (S 173).

Eine Selbststellung und ein Leugnen der Tat (auch der Lebensgefährtin P***** gegenüber unter Eingeständnis der verübten Sachbeschädigung in der Wohnung) sowie die Aufforderung an seine geschiedene Frau, die Wohnung der Zeugin P***** zu besichtigen (die im übrigen durchaus als Verschleierungsmaßnahme angesehen werden kann), sind gleichfalls nicht geeignet, erhebliche Bedenken im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO zu erwecken.

Daß man "auch unter Annahme einer Branddauer von 35 Minuten zu einem Ausschluß der Täterschaft des Angeklagten" gelangen sollte, ist - unter Beachtung, daß es sich bei allen Zeitannahmen nicht um völlig präzise Zeiträume und Zeitpunkte handelt - nicht zutreffend.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Berufung fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285 i StPO).

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