Spruch:
Die im Anschluß an eine am 23. August 1995 beschlossene Wiederaufnahme erfolgte Verfahrensfortsetzung durch eine Hauptverhandlung des Schöffengerichtes verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 359 StPO.
Das in dieser Hauptverhandlung gefällte Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. November 1995, GZ 8 a Vr 10.878/95-92, wird daher aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, dem Gesetze gemäß zu verfahren.
Mit ihren gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsmitteln werden die Staatsanwaltschaft Wien und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Im Verfahren AZ 8 a Vr 10.878/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde Norbert E***** im zweiten Rechtsgang mit einem schöffengerichtlichen Urteil vom 2. Dezember 1993 (ON 60) von einer wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB erhobenen Anklage (ON 21) gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verfügte jedoch mit Beschluß vom 23. August 1995 (ON 82) die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, womit (iSd § 358 StPO) auch das freisprechende Urteil aufgehoben wurde.
Nach Rechtskraft dieses Beschlusses ordnete das Gericht für den 13. November 1995 eine Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht an, in der es über die ursprüngliche Anklage verhandelte und den Angeklagten (nunmehr) wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (§§ 206 Abs 1, 212 Abs 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilte.
Rechtliche Beurteilung
Das genannte Urteil wird von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde, vom Angeklagten überdies mit Berufung bekämpft; über diese Rechtsmittel wurde noch nicht entschieden.
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der Vorgang, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien nach Stattgebung der Wiederaufnahme über die ursprüngliche Anklage eine Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht durchführte, mit § 359 StPO nicht im Einklang. Gemäß dieser Bestimmung war nämlich die Strafsache in das Stadium der Voruntersuchung getreten. Demnach hatten auf das Verfahren die für die Einstellung der Voruntersuchung und die Versetzung in den Anklagestand geltenden Vorschriften Anwendung zu finden. Die formlose Fortführung des Verfahrens aufgrund der erledigten ursprünglichen Anklage ist gesetzlich nicht gedeckt (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 359 E 1 und 2).
Durch das gesetzwidrige Vorgehen des Schöffengerichtes wurde zwar entgegen dem Standpunkt der Staatsanwaltschaft Wien in dem zulässigerweise (SSt 47/50) nach Angleichung der Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil ergänzten Rechtsmittelvorbringen kein Nichtigkeitsgrund verwirklicht (EvBl 1975/181), jedoch ist hiedurch eine Beeinträchtigung von Prozeßrechten des (den Schuldvorwurf in Abrede stellenden) Angeklagten nicht auszuschließen, weshalb im Sinne des § 292 letzter Satz StPO eine Erneuerung des betroffenen Verfahrensteils geboten ist und demnach spruchgemäß zu entscheiden war.
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