OGH 15Os56/01 (15Os57/01)

OGH15Os56/01 (15Os57/01)23.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Friedrich und Margit K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. September 2000, GZ 11 Vr 893/98-41, sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf vom 13. September 2000, GZ 11 Vr 893/98-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchteil I sowie im Strafausspruch und in dem damit untrennbar verbundenen Widerrufsbeschluss (jedoch unter Aufrechterhaltung des Zuspruchs an die Privatbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurden Friedrich K***** und Margit K***** (I) des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Deliktsfall StGB; Margit K***** überdies (II) des Vergehens nach § 114 Abs 1 und Abs 2 ASVG schuldig erkannt.

Danach haben sie, soweit im Nichtigkeitsverfahren von Relevanz,

(I) in Unterpremstätten und anderen Orten von Anfang 1996 bis 29. Jänner 1998 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in mehrfachen Angriffen Güter in einem 500.000 S übersteigenden Wert, die ihnen als faktischer Geschäftsführer (Friedrich K*****) und Geschäftsführerin (Margit K*****) der K***** GesmbH anvertraut worden waren, nämlich aus Forderungen der GesmbH gegenüber Schuldnern resultierende, ihnen zugekommene Zahlungseingänge in der Höhe von insgesamt 4,978.676,78 S, die an die Bank für K***** AG zediert worden waren, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie die Zahlungen nicht an die Bank für K***** AG überwiesen.

Die gegen diesen Schuldspruch aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene, gemeinsam ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde beider Angeklagter erweist sich bereits aus dem letztgenannten Grund im Ergebnis als berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den hier maßgeblichen Urteilsfeststellungen räumte die Bank für K***** AG (in der Folge B***** genannt) der "K*****" am 12. Oktober 1995 einen (Kontokorrent-)Kredit über 2 Mio S ein, der (was im Urteil unerwähnt blieb) zunächst am 26. Februar 1996 um 500.000 S (S 353 bis 356 in ON 8/I) und am 10. April 1996 um 2,3 Mio S aufgestockt wurde (US 7).

Mit der am 8. November 1995 von Margit K***** und Michael K***** namens der K***** offerierten und mit Schreiben der Bank für K***** AG, Filiale Graz, vom 17. November 1995 akzeptierten Globalzessions-Vereinbarung trat die K***** zur Sicherstellung aller Forderungen, die der B***** gegen die K***** aus bereits gewährten und/oder künftig zu gewährenden Geld- und Haftungskrediten erwachsen sind, alle existenten und künftig existent werdenden Forderungen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes gegen sämtliche in- und ausländischen Kunden ab.

Unter anderem stellt die angefochtene Entscheidung fest:

"Im Punkt 9 dieses Vertrages wurde festgelegt, dass, sollten die der B***** abgetretenen Forderungsbeträge ganz oder teilweise direkt bei der Firma K***** eingehen, diese ein anvertrautes Gut bilden, welches mit dem Vermögen der K***** nicht vermengt werden darf und der B***** unter Ausschluss jeder Kompensation unverzüglich anzuschaffen ist. Dieser Zessionsvertrag war Friedrich K***** zur Gänze bekannt. Die B***** machte vorerst von der ihr in diesem Globalzessions-Vertrag eingeräumten Möglichkeit, "alle Maßnahmen und Vereinbarungen mit den Drittschuldnern zu treffen, welche ihr zur Einziehung der abgetretenen Forderung zweckmäßig erscheinen", keinen Gebrauch und ging so vor, als ob eine stille Zession vorläge. Die Angeklagten hielten sich nicht an die Zessionsvereinbarung und veranlassten im Zeitraum von Anfang 1996 bis 29. Jänner 1998 die Überweisungen von Kunden aus Forderungen von Zielverkäufen an die K***** im Betrag von 4,958.676,28 S auf deren Konto Nr 52***** der St***** Bank und Sparkassen AG sowie in den Jahren 1996 und 1997 im Betrag von 40.000 S auf deren Konto Nr 75***** der Ö***** P*****. Die Beträge wurden anschließend nicht an die B***** weitergeleitet, sondern darüber anderweitig verfügt. Die B***** war damit weder ausdrücklich noch stillschweigend einverstanden" (US 9 und 10; vgl S 357, 358 ON 8/I).

Ab Anfang Dezember 1997 wurden - nachdem an die B***** ab Ende August 1997 schleppende Zahlungseingänge von zedierten Forderungen erfolgten - Drittschuldner von der B***** von der Zession verständigt. Als eine Zessionsprüfung erfolgte, stellte sich für die B***** heraus, dass die K***** GesmbH gegen den Generalzessionsvertrag verstoßen hatte. Der Angeklagte Friedrich K***** hatte über Ersuchen der Angeklagten Margit K***** mehrere Drittschuldner auf Grund der ihm bekannten Schreiben der B***** von Anfang Dezember 1997 schriftlich aufgefordert, dieses Schreiben als gegenstandslos zu betrachten und ersucht, Zahlungen weiterhin auf das Konto der K***** GesmbH bei der ***** Bank und Sparkassen zu leisten, wobei diese Mitteilungen vom Angeklagten im Einverständnis mit der Angeklagten wider besseres Wissen erstellt wurden (US 9 und 10).

Im Ergebnis zutreffend wendet die Beschwerde in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ein, dass, legt man der rechtlichen Prüfung diese Urteilsfeststellungen zugrunde, tatbildliches Anvertrauen im Sinn des § 133 Abs 1 StGB nicht vorliegt.

Eine Sache (Gut) ist anvertraut, wenn die Verfügungsmacht darüber auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses - allerdings ohne Rücksicht auf dessen zivilrechtliche Natur oder Gültigkeit - mit der Verpflichtung erlangt wird, diese Verfügungsmacht entsprechend einer vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht im Sinne des Gewaltgebers auszuüben. Maßgebend ist dabei nicht, wer juristischer Eigentümer der Sache ist; entscheidend ist vielmehr, in wessen Vermögen sie wirtschaftlich gehört. Sie muss also für den Täter wirtschaftlich eine fremde sein (Leukauf/Steininger Komm3 RN 2 f mwN; Kienapfel BT II3 Rz 16 f, 33, 71 jeweils zu § 133 StGB; 15 Os 63/99 ua). Gut und damit taugliches Tatobjekt iSd § 133 Abs 1 StGB sind (nach ständiger Rechtsprechung: SSt 56/17 = EvBl 1985/104 = JBl 185, 688) neben körperlichen Sachen auch bei einer Bank erliegende Gelder (Giralgeld), über die der Berechtigte, sei es auch bloß auf Kreditbasis, faktisch jederzeit verfügen kann. Solche Bankguthaben sind dem Täter anvertraut, wenn ein Auftraggeber sie ihm zur Erfüllung eines Auftrages überwiesen hat oder durch Dritte hat überweisen lassen, damit der Täter für den Auftraggeber Sachen kaufe, Schulden zahle, Reparaturen oder andere Auslagen bestreite (Bertel in WK2 § 133 Rz 20).

Bei der hier gegebenen "nicht verständigten" Abtretung, die in der Kreditpraxis häufig ebenfalls als stille Zession bezeichnet wird, steht die Verständigung des Schuldners (Zessus) im Ermessen des Zessionars. Der von der Abtretung nicht verständigte Zessus darf, solange ihm der Übernehmer nicht bekannt wird, an den Zedenten (Altgläubiger) schuldbefreiend zahlen oder sich sonst mit ihm abfinden (§ 1395 letzter Satz ABGB); er ist dazu nicht mehr berechtigt, sobald ihn der Zessionar von der Abtretung verständigt hat (§ 1396 erster Halbsatz ABGB; EvBl 1975/263).

Vorliegend haben die (von der Zession nicht informierten) Firmenkunden (Kaufpreisschuldner) dem Angeklagten die in Rede stehenden Beträge nicht etwa mit dem Auftrag zur Weiterleitung an die B***** iSd § 133 Abs 1 StGB anvertraut, sondern durch die Überweisung der offenen Rechnungsbeträge auf die genannten Konten der K***** GesmbH bei der St***** AG sowie der Österreichischen Postsparkasse schuldbefreiend geleistet. An diesen (rechtlich eine Forderung der K***** GesmbH gegen die zuvor erwähnten Bankinstitute begründenden) Zahlungseingängen hat die B***** weder durch die der Darlehenstilgung dienende Globalzession noch durch die in Pkt 9 des Zessionsvertrages getroffene (allenfalls zivilrechtlich relevante) Sondervereinbarung, wonach bei der K***** GesmbH einlangende, aus abgetretenen Forderungen stammende Zahlungen "ein der B***** anvertrautes Geld bilden sollen", wirtschaftlich freies Vermögen iSd § 133 Abs 1 StGB erlangt. Vielmehr stellen diese ohne Auferlegung einer sachbezogenen Verpflichtung erfolgten Kaufpreiszahlungen, die gemäß § 371 ABGB ins Eigentum des Zedenten übergegangen sind (Schwimann/Harrer ABGB2 VII § 1392 Rz 45), einen auch wirtschaftlich der K***** GesmbH zustehendenVermögenswert dar. Der Verstoß gegen die oben genannte - nicht gegenüber den Kaufpreisschuldnern (als den Übergebern des Gutes) eingegangene - Weiterleitungsverpflichtung begründet unbeschadet allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche keine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Veruntreuung, zumal § 133 StGB keineswegs die Aufgabe hat, Vertragswidrigkeiten als solche zu pönalisieren (Leukauf/Steininger aaO RN 3 und Kienapfel aaO Rz 35 jeweils mwN).

Allerdings blieb bislang ungeprüft, ob die Angeklagten angesichts der ab Dezember 1997 an diverse Firmenkunden ergangenen Aufforderungen, die Zessionsverständigung der B***** als gegenstandslos zu betrachten und trotzdem die offenen Rechnungsbeträge auf das mehrfach erwähnte Firmenkonto bei der St***** AG zu überweisen (Blg 10 in ON 8/I und 341/II), zur Tilgung der bereits der B***** abgetretenen Forderungen mit vorgefasstem Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz listig herausgelockt haben, sodass in Ansehung dieses von der Anklage miterfassten Sachverhaltes (S 222/II) Betrug in einem noch zu eruierenden Schadensausmaß in Betracht kommen könnte, weil die Schuldner ab Verständigung durch den Zessionar von der Abtretung nicht mehr an den Zedenten (K***** GesmbH), sondern ausschließlich an den Zessionar (B*****) mit schuldbefreiender Wirkung zahlen konnten (§ 1396 erster Halbsatz ABGB; SSt 45/19).

Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht behoben werden können und sich demnach zeigt, dass eine neue Hauptverhandlung unumgänglich ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285e StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil insoweit und im Strafausspruch sowie dem diesbezüglichen Privatbeteiligtenerkenntnis aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Im Hinblick auf den Konnex zum Strafausspruch war auch der Beschluss auf Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht bezüglich des Angeklagten K***** aufzuheben.

Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht das Tatverhalten der Angeklagten aus Zielverkäufen an Kunden der K***** GesmbH im Sinne obiger Ausführungen unter dem Gesichtspunkt der möglichen Verwirklichung eines Betruges zu untersuchen haben.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten ebenso auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde.

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