OGH 15Os54/99

OGH15Os54/996.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Leitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Josef D***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB, AZ 18 E Vr 252/97 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 15. September 1998, AZ 11 Bs 162/98 (= ON 40 des Vr-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, jedoch in Abwesenheit von Dr. Josef D***** und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Dr. Josef D***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB, AZ 18 E Vr 252/97 des Landesgerichtes Klagenfurt, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 15. September 1998, AZ 11 Bs 162/98, § 223 Abs 2 StGB.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. Oktober 1997, GZ 18 E Vr 252/97-33, wurde Dr. Josef D***** des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 28. Jänner 1997 in Klagenfurt als (im Klubsekretariat der sozialdemokratischen Abgeordneten zum Kärntner Landtag Dienst versehender) Landesbeamter unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit dadurch, daß er einen vom Klubobmann Dr. Peter A***** unterfertigten und von ihm mit den nachgepausten Unterschriften der Abgeordneten Max K*****, Ing. Reinhart R***** und Dietmar W***** versehenen Antrag auf Abhaltung einer Aktuellen Stunde zum Thema "Kärntner Krankenhausreform" in der für den 30. Jänner 1997 einberufenen Sitzung des Kärntner Landtages beim Landtagsamt einbrachte, eine falsche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis der gemäß § 52 Abs 1 und 4 Kärntner Landtagsgeschäftsordnung (K-LTGO) für die Abhaltung einer Aktuellen Stunde erforderlichen Antragstellung von mindestens vier demselben Klub angehörenden Landtagsmitgliedern gebraucht.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte Dr. Josef D***** als Sekretär des sozialdemokratischen Landtagsklubs insbesondere Landtags- und Ausschußsitzungen vorzubereiten, war für die form- und fristgerechte Erstellung und Einbringung von Anträgen zuständig und trug überhaupt die alleinige Verantwortung für die Umsetzung aller im Klub beschlossenen inhaltlichen Vorgaben (US 4 f).

Bei Sitzungen des Kärntner Landtages ist seit Neufassung der Geschäftsordnung zum 1. Jänner 1997 (LGBl Nr 87/1996, ON 5) vor Eingehen in die Tagesordnung eine Aktuelle Stunde abzuhalten, wenn dies mindestens vier Landtagsmitglieder, die demselben Klub angehören, unter Angabe des Themas beantragen. Solche Anträge dürfen frühestens nach Beendigung einer Landtagssitzung und nur für die nächste Sitzung gestellt werden. Sie sind spätestens zwei Tage vor Beginn der Sitzung des Landtages, in der die Aktuelle Stunde abgehalten werden soll, dem Präsidenten schriftlich zu übergeben. Entspricht ein Antrag nicht diesen Bestimmungen, so ist er den Antragstellern vom Präsidenten unverzüglich zurückzustellen und gilt als nicht eingebracht (§ 52 Abs 1, 4 und 5 K-LTGO).

Selbständige Anträge, zu deren Stellung jedes Mitglied des Landtages berechtigt ist, müssen die Unterschrift des Antragstellers und mindestens eines weiteren Landtagsmitglieds tragen (§ 16 Abs 1 und 2 K-LTGO). Dringlichkeitsanträge bedürfen der Unterfertigung durch mindestens vier Mitglieder des Landtages (§ 19 Abs 1 K-LTGO).

In einer vorbereitenden Sitzung des Klubs der sozialdemokratischen Abgeordneten am 27. Jänner 1997, bei der nur der Abgeordnete Dietmar W***** fehlte, wurde einstimmig beschlossen, bei der Landtagssitzung am 30. Jänner 1997 eine Aktuelle Stunde zum Thema "Kärntner Krankenhausreform" zu beantragen (US 5 f). Es wurde aber nicht darüber gesprochen, welche Abgeordneten formell den Antrag stellen und ihn auch unterfertigen sollen. Nach der Sitzung verließen die Abgeordneten sofort das Haus, ohne vorher einen Antrag auf Abhaltung einer Aktuellen Stunde unterschrieben zu haben (US 7 f).

Zur Umsetzung der Beschlußfassung erstellte der Klubsekretär Dr. Josef D***** am 27. Jänner 1997 einen mit 28. Jänner 1997 datierten Entwurf des schriftlichen Antrages auf Abhaltung einer Aktuellen Stunde bei der Sitzung des Kärntner Landtages am 30. Jänner 1997 und legte ihn dem Klubobmann Dr. Peter A***** vor, der eigenhändig unterfertigte. Weitere sozialdemokratische Abgeordnete waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Landhaus anwesend. Dr. D***** wußte, daß der Antrag spätestens am 28. Jänner 1997, 10.00 Uhr, beim Landtagspräsidenten eingebracht sein mußte, um behandelt zu werden. Er ging davon aus, daß für die Antragstellung noch Unterschriften von drei weiteren Abgeordneten erforderlich waren (US 8 f).

Am 28. Jänner 1997 morgens informierte Dr. D***** telefonisch den Abgeordneten Dietmar W***** über die Klubsitzung, der sich mit dem Antrag auf Abhaltung einer Aktuellen Stunde und mit dem Thema einverstanden erklärte. Über eine Unterschriftsleistung wurde nicht gesprochen (US 10).

Als Dr. D***** danach von der Absicht des Landtagspräsidenten erfuhr, den Beginn der Sitzung am 30. Jänner 1997 auf 9.00 Uhr vorzulegen, geriet er in der Annahme, daß dadurch auch das Ende der Einbringungsfrist am 28. Jänner 1997 auf 9.00 Uhr vorgezogen werde, in enormen Zeitdruck.

Da es ihm nicht mehr möglich war, Unterschriften von Abgeordneten einzuholen, machte er auf dem Antrag die Unterschriften der Abgeordneten K*****, Ing. R***** und W***** nach, indem er sie von einem anderen Antrag abpauste. Dr. Josef D***** hatte keine Ermächtigung erhalten, im Namen eines der drei genannten Abgeordneten zu unterschreiben, und insbesondere nicht, Namen nachzuzeichnen. Er wollte beim Präsidenten des Landtages den Eindruck erwecken, daß die nachgemachten Unterschriften von den Abgeordneten stammen, und vortäuschen, daß die formellen Voraussetzungen der Antragstellung erfüllt sind. Am 28. Jänner 1997 wurde dieser Antrag beim Kärntner Landtagsamt eingebracht (US 11 bis 13).

Das Oberlandesgericht Graz gab der gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt erhobenen Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit mit Urteil vom 15. September 1998, AZ 11 Bs 162/98 (ON 40 des Aktes), Folge und fällte einen Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes verneinte es die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz steht - wie der Generalprokurator zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB begeht, wer eine falsche oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht. Falsch ist eine Urkunde, wenn sie von einer anderen Person stammt als der, die in der Urkunde als Austeller aufscheint. "Falsch" ist somit hier im Sinn von "unecht" zu verstehen: Es wird über die Identität des Urkundenausstellers getäuscht (Leukauf/ Steininger Komm3 § 223 RN 24, § 147 RN 7, Kienapfel in WK § 223 Rz 136, 147 mwN).

Aussteller einer Urkunde ist, wer eine zu rechtserheblichen Zwecken dienende Erklärung selbst schriftlich abgibt oder sie in seinem Namen durch einen anderen schreiben läßt (Leukauf/Steininger aaO § 223 RN 3, 17, Kienapfel aaO Rz 7, 53, 75 bis 77; JBl 1993, 736).

Das Oberlandesgericht Graz vertrat in der Berufungsentscheidung die Rechtsansicht, bei Beurteilung einer Urkunde als echt oder falsch komme es ausschließlich darauf an, ob dem Erklärungsempfänger "der authentische Wille der als Aussteller der Urkunde aufscheinenden Personen übermittelt wird" (S 15 der Entscheidung). Es habe der Dienstpflicht des Angeklagten entsprochen, die angeführte Beschlußfassung in der Klubsitzung "frist- und formgerecht" an den Präsidenten des Landtages zu übermitteln. Daß ihm die Ermächtigung gefehlt habe, die Unterschriften nachzuzeichnen, sei nach der - vom Oberlandesgericht in einer bestimmten Ausformung herangezogenen - "Geistigkeitstheorie" nicht erheblich.

Diese Sicht geht jedoch am dargelegten Begriff des Urkundenausstellers vorbei und widerstreitet auch der mit dem Aussteller verbunden, durch § 223 StGB strafrechtlich geschützten Garantiefunktion von Absichtsurkunden (vgl Kienapfel aaO Rz 9, 48, Leukauf/Steininger aaO RN 15, je zu § 223). Das geäußerte Vorhaben, eine bestimmte Erklärung schriftlich abzugeben, macht entsprechende Schriftstücke, die von anderen Personen hergestellt und eigenmächtig mit fremdem Namen unterzeichnet werden, entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichtes Graz nicht zu echten Urkunden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes läuft darauf hinaus, daß jemand, der bloß den Willen zur Abfassung einer rechtserheblichen schriftlichen Erklärung bestimmten Inhalts kundtut, durch einen anderen, der den fremden Namen ohne (allenfalls verdeckte) Gestattung verwendet, zum Aussteller einer Urkunde gemacht werden könnte.

Das Nachmachen fremder Unterschriften auf dem Antrag bewirkte schon deshalb eine falsche Urkunde, weil nach den Feststellungen keine Ermächtigung zum Unterzeichnen mit fremdem Namen vorlag (JBl 1993, 736, 15 Os 49/92, zust Schwaighofer JBl 1994, 223 ff). Auf ein Gebot eigenhändiger Unterfertigung kommt es bei dieser Fallgestaltung von vornherein nicht an.

Die festgestellte Gesetzesverletzung gereichte dem Angeklagten zum Vorteil; sie war daher bloß festzustellen, der Entscheidung aber keine konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 StPO).

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