OGH 15Os52/24x

OGH15Os52/24x26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Edermaier‑Edermayr, LL.M. (WU), in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2 zweiter Fall, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 zweiter Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. März 2024, GZ 16 Hv 126/23m‑67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00052.24X.0626.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Tat auch unter § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 zweiter Fall) StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung wegen des Verfallsausspruchs kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2 zweiter Fall und 130 Abs 2 (zu ergänzen: erster und zweiter Fall [iVm Abs 1 zweiter Fall]) StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er „am 29. November 2022 in G* als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten * H* als unmittelbare Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) und unter Mithilfe der abgesondert verfolgten * V*, * Jo* und * K* (§ 12 dritter Fall StGB) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Berechtigten der Raiffeisenbank G* eGen mbH fremde bewegliche Sachen in einem 50.000 Euro, nicht jedoch 300.000 Euro übersteigenden Gesamtwert weggenommen, nämlich Bargeld iHv 200.230 Euro, indem sie den Tresor des im Foyer der Bankfiliale der Raiffeisenbank G* in *, befindlichen Geldausgabeautomaten mittels des widerrechtlich durch Aufnahme im Weg der Kamera eines vor der Tatbegehung hinter einer Deckenpaneele des Bankfoyers versteckten, auf das Eingabefeld der Zahlenkombination des Tresors des Geldausgabeautomaten gerichteten Mobiltelefons erlangten Zugangscodes öffneten, daraus den angeführten Bargeldbetrag entnahmen und mit dem Geld flüchteten“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise Berechtigung zukommt.

[4] Zutreffend reklamiert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), dass die Begründung der Annahme einer Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (auch) mit dem Umstand, dass der Angeklagte mit seinen Mittätern „in Kroatien in unterschiedlichen Täterkonstellationen und in Absprache miteinander“ Einbruchsdiebstähle begangen habe (US 13), wobei er diesbezüglich noch nicht verurteilt sei und die Ermittlungen noch im Gange wären (US 5), einen Verstoß gegen die aus Art 6 Abs 2 MRK erhellende Unschuldsvermutung darstellt (RIS‑Justiz RS0074684 [T15] = RS0119271 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 464; Grabenwarter, WK‑StPO § 8 Rz 9; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 2.122), sodass nicht auszuschließen ist, dass diese Vermutung die Beweiswürdigung zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst hat.

[5] Auf das weitere Vorbringen der Mängelrüge sowie auf jenes der Subsumtionsrüge (Z 10), welche sich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 zweiter Fall) StGB richten, war wegen der notwendigen Aufhebung nicht einzugehen.

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen ist allerdings nicht berechtigt.

[7] Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung, das eingeholte biometrische Gutachten „dahingehend zu ergänzen, welche Körpergröße die beiden Personen auf den Bildern haben, zumal sich bei der Maßangabe erweisen wird, dass aufgrund der Körpergröße des Angeklagten der Angeklagte als Täter zu 100 % ausgeschlossen ist“ (ON 66.1, 17). Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verletzte die Abweisung dieses Antrags keine Verteidigungsrechte. Denn er legte nicht dar, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete – bloß spekulativ in den Raum gestellte – Ergebnis erbringen werde (RIS‑Justiz RS0099453), obwohl der Sachverständige sein biometrisches Gutachten, wonach der Angeklagte als Täter nicht ausgeschlossen werden konnte (ON 66.1, 13 f), ohnedies bereits unter Einbeziehung der Körpergröße des Angeklagten sowie neun weiterer Körpermaße (ON 66.1, 15 sowie ON 57, 8) erstellt hatte.

[8] Soweit der Beschwerdeführer auch in der vorangegangenen Hauptverhandlung am 13. Dezember 2023 gestellte Beweisanträge (ON 50, 14 ff) releviert, fehlt ihm die erforderliche Beschwerdelegitimation, wurden diese Anträge doch in der gemäß § 276a zweiter Satz StPO wiederholten Hauptverhandlung am 6. März 2024 nicht neuerlich gestellt. Dieser Mangel einer gehörigen Antragstellung wird weder durch das dennoch gefällte Zwischenerkenntnis (ON 66.1, 10 f) saniert (RIS‑Justiz RS0098869 [T7], RS0099099 [T12]), noch durch den Umstand, dass der gesamte Akteninhalt vor Schluss der Verhandlung gemäß § 252 Abs 1 Z 4, Abs 2 und 2a StPO einverständlich vorgetragen (ON 66.1, 18) wurde (RIS‑Justiz RS0099049; Danek/Mann, WK‑StPO § 238 Rz 4).

[9] Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780). Der Beschwerdeführer kritisiert die Gesamtheit der Festellungen zu seiner Täterschaft sowie die dazu angestellten Beweiserwägungen der Tatrichter bloß anhand eigenständiger Bewertung der Verfahrensergebnisse. Mit diesen Ausführungen gelingt es ihm nicht, erhebliche Bedenken im bezeichneten Sinn gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken.

[10] Der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11) zum Verfallsausspruch, die Tatrichter hätten für die angenommene Höhe des dem Angeklagten zugekommenen Beuteanteils keine nachvollziehbare Begründung angeführt, stellt bloß ein Berufungsvorbringen dar (vgl RIS‑Justiz RS0114233 [T2]; s im Übrigen US 15).

[11] Dass das Erstgericht beim Ausspruch der Konfiskation des Mobiltelefons des Angeklagten die gemäß § 19a Abs 2 StGB gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterlassen hätte, trifft – entgegen dem Vorbringen der weiteren Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) – nicht zu (US 16; vgl RIS‑Justiz RS0088035). Im Sinn des § 19a StGB zur Tatbegehung verwendet werden schließlich nicht nur jene Gegenstände, deren „Verwendung“ der jeweilige Tatbestand erfordert, sondern alle körperlichen Sachen, die der Täter – wie vorliegend für die Organisation der Begehung der strafbaren Handlung und auch bei der Tat – sonst unmittelbar zur Förderung des Tatgeschehens eingesetzt hat (RIS‑Justiz RS0133668; Salimi, SbgK § 19a Rz 28 ff; Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 12).

[12] Das angefochtene Urteil war daher – wie aus dem Spruch ersichtlich – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung teilweise aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen. Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[13] Mit seiner Berufung wegen des Strafausspruchs war der Rechtsmittelwerber auf die Kassation zu verweisen.

[14] Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten betreffend den Verfallsausspruch kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[15] Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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