Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich H***** - nach Wiederaufnahme seines Strafverfahrens - (neuerlich) der Verbrechen der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144, 145 Abs 2 Z 1 StGB (1) sowie der Vergehen der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (2) und der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB
(3) schuldig erkannt.
Danach hat Friedrich H***** in Innsbruck
1. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und gewerbsmäßig nachangeführte Personen durch gefährliche Drohung zu Handlungen, nämlich zur Zahlung von Geld, zu nötigen versucht, und zwar
a) am 14. Februar 2002 die Silvia T***** durch die Äußerung: „Du hast schon gehört von der neuen Regelung, einen Tausender pro Tag, sonst gibt es für dich kein langes Stehen mehr!",
b) im Jänner 2002 die Birgit K***** (früher P*****) durch die Äußerung: „Du weißt ja Bescheid, wir wollen alles drauf (gemeint: den gesamten Straßen- und Wohnungsstrich in Innsbruck), ihr müsst alle pecken, schau sonst hänge ich dein Kind beim Fenster hinaus und lasse es fallen, damit du deine Meinung änderst!";
2. Anfang 2002 gemeinsam mit den abgesondert verfolgten Alois O***** und Konrad S***** eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an einer solchen als Mitglied beteiligt;
3. am 11. Februar 2002 die Manuela B***** durch gefährliche Drohung, sie solle ihren Hund wegtun, sonst würde er sie zusammen mit ihrem Hund einbuddeln, zu einer Handlung, nämlich zum Beiseitenehmen ihres Hundes, zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und lit b sowie 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Eine erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 2 des § 281 Abs 1 StPO scheitert bereits daran, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht gegen die Verlesung der von der Staatsanwaltschaft aufgenommenen Protokolle verwahrt hat. Im Übrigen hat die Anklagebehörde keine Untersuchungshandlungen vorgenommen, sondern - wie die Tatsachenrüge richtig anführt - die Selbstanzeigen der Zeuginnen Silvia T*****, Ina R*****, Andrea Ha***** und Manuela B***** (ON 223, 225) entgegengenommen. Dazu war sie gemäß § 8 Abs 2 DV-StAG verpflichtet.
Nach § 151 Abs 1 Z 3 StPO dürfen Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit nur dann nicht vernommen werden, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Aussage wegen ihrer Leibes- und Gemütsbeschaffenheit außer Stande sind, die Wahrheit anzugeben. Die Zeugin Claudia N***** hat bei ihrer Aussage in der Hauptverhandlung im Wesentlichen bekundet, sie verfüge nur über ein Kurzzeitgedächtnis, sie könne sich daher an die Vorfälle nicht mehr im Detail erinnern. Sie verwies auf die früher vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter deponierten Angaben und bestätigte, dass sie immer die Wahrheit gesagt habe (S 141 ff/VII). Wieso diese Zeugin nicht in der Lage gewesen wäre, die Wahrheit anzugeben, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht dargelegt und damit der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.
Entgegen der Beschwerdebehauptung, eine Schöffin sei nicht zu Beginn der Hauptverhandlung beeidet worden, ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll, dessen Berichtigung nicht begehrt wurde, dass die Schöffin nach der Vernehmung des Angeklagten zu den persönlichen Verhältnissen (§ 240 StPO), aber noch vor dessen Vernehmung zur Sache beeidet wurde (S 119/VII). Dieses Vorgehen entspricht den Anordnungen des § 240a StPO.
Die Verfahrensrüge (Z 4) versagt, weil der relevierte Beweisantrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins und auf Vernehmung der Zeugin Claudia Has***** zwar in einem Schriftsatz (ON 296) gestellt, in der Hauptverhandlung aber nicht wiederholt wurde. Die Verlesung des gesamten Akteninhaltes und damit auch des schriftlich gestellten Antrages vermag daran nichts zu ändern, weil nur in der Hauptverhandlung gestellte oder wiederholte Beweisanträge beachtlich sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 309 ff).
Unter dem Aspekt der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) moniert der Beschwerdeführer, das Urteil lasse nicht erkennen, „welche Feststellungen jeweils zur subjektiven Tatseite getroffen wurden und aus welchen Gründen dies geschah". Er übergeht dabei aber die ausführlichen, nicht nur die Gewerbsmäßigkeit betreffenden Konstatierungen über das innere Vorhaben zu den jeweiligen Taten (vgl insbesondere US 6 Mitte und 8 erster Absatz) sowie die hiezu gegebene Begründung (US 33 f). Diese Ausführungen lassen unzweifelhaft erkennen, welche entscheidenden Tatsachen festgestellt wurden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419).
Auch eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt nicht vor. Wie die Beschwerde selbst zugesteht, haben die Tatrichter die Aussage der Zeugin Birgit K***** in ihre Erwägungen miteinbezogen (US 11). Dass der Eintritt des angestrebten Erfolges nicht in einer fernen Zukunft erfolgen sollte, ergibt sich aus den weiteren Urteilsgründen, wonach Birgit K***** bereits zum Tatzeitpunkt wieder insofern im Prostituiertenmilieu tätig war, als sie Stand- und Schutzgeld sowie überhöhten Mieten von anderen Prostituierten kassierte (US 12). Die vom Rechtsmittel zitierte Begründung zur subjektiven Tatseite des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung (US 33) bezieht sich nur auf das Grunddelikt, nicht aber auf die Gewerbsmäßigkeit. Für diese findet sich vielmehr ein eigener, vom Nichtigkeitswerber allerdings übergangener Begründungsteil auf US 34, welcher keineswegs unzureichend ist (Z 5 vierter Fall) und weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.
Die Gründe, welche das Schöffengericht zu den Feststellungen zum Vergehen der kriminellen Vereinigung führten, werden von der Beschwerde lediglich als nicht „konkret" bezeichnet. Damit wird aber kein Begründungsmangel aufgezeigt, sondern die freie Beweiswürdigung der Tatrichter in unzulässiger Weise bekämpft.
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) kritisiert, die Tatrichter hätten die Zeugen nicht ausführlich genug befragt und daher die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung vernachlässigt, legt sie nicht dar, warum der Angeklagte und sein Verteidiger an der Ausübung ihres Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, sowie an ihrem eigenen Fragerecht gehindert waren (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Wieso „eine an Willkür grenzende Scheinbegründung" dadurch vorliegen sollte (der Sache nach Z 5), dass vom Schöffengericht Teile von (in der Beschwerde nicht einmal als unrichtig oder mangelhaft bezeichneten) Gründen aus dem Urteil gegen die abgesondert verfolgten Mittäter Alois O***** und Konrad S***** übernommen wurden, wird nicht begründet dargelegt und damit keine Tatsachen konkret und bestimmt bezeichnet, welche den Nichtigkeitsgrund bilden sollen. Soweit der Beschwerdeführer in den weiteren Ausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund (Z 5a) einzelne Aussagen von Zeugen oder Teile davon herausgreift und sie einer isolierten Betrachtung unterzieht, missachtet er damit die vom Erstgericht rechtsrichtig vorgenommene Gesamtschau der Beweisergebnisse und deren Würdigung in ihrem inneren Zusammenhang. Mit der besonders hervorgehobenen Selbstanzeige der Zeuginnen R*****, Ha***** und T***** sowie der Aussage des Zeugen Arnold A***** hat sich das Tatgericht in logisch einwandfreier Weise ausführlich auseinandergesetzt (US 16 ff und 24 f). Dass aus den Beweisergebnissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich wären, vermag den Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491).
Insgesamt gelingt es der Beschwerde somit nicht, aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert den Vergleich des zur Anwendung gebrachten Rechts, einschließlich der Berücksichtigung prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem gesamten zur objektiven und subjektiven Tatseite festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).
Beim Tatbestand der gefährlichen Drohung stellt der Sinngehalt einer Äußerung eine Tatfrage dar, welche nicht mit Rechts- oder Subsumtionsrüge bekämpft werden kann (Ratz, aaO Rz 404). Nur die Beurteilung, ob eine Drohung geeignet ist, begründete Besorgnis zu erzeugen, ist eine Rechtsfrage.
Wenn daher die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, zum Schuldspruch 1 a liege eine gefährliche Drohung nicht vor, weil keine konkrete Drohung ausgesprochen wurde, und zum Schuldspruch 1 b sei die Äußerung nicht ernst gemeint gewesen, wird nur die Tatfrage bekämpft, übrigens ohne damit inhaltlich einen Begründungsmangel konkret aufzuzeigen. Die Eignung der Drohung beim Faktum 1 b, begründete Besorgnis einzuflößen, wird von der Beschwerde lediglich unsubstanziiert bestritten.
Im Übrigen übergeht die Rüge, dass Birgit K***** nach den Urteilsfeststellungen die Prostitution am Südring in Innsbruck kontrollierte und daher bereits in diesem Milieu tätig war (US 6). Auch zum Schuldspruch wegen versuchter Nötigung (3) bekämpft die Rechtsrüge den Sinngehalt und die Ernstlichkeit der Drohung und damit die Tatfrage, wobei sie sich in einer Bestreitung der erstgerichtlichen Feststellungen erschöpft, keine Gegenargumente vorbringt und daher auch den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.
Die gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht, dass die Absicht des Angeklagten darauf gerichtet war, sich durch wiederholte Begehung von Erpressungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Eine gesetzmäßige Ausführung dieses materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hätte die Darstellung erfordert, warum das im Tatzeitpunkt in Geltung stehende, mit gleichem Strafsatz ausgestattete Vergehen der Bandenbildung im Hinblick auf diese Absicht für den Angeklagten günstiger gewesen wäre, als das Vergehen der kriminellen Vereinigung. Dass die versuchten Verbrechen der Erpressung nicht zur Verwirklichung von § 278 Abs 1 StGB ausreichen, wird nur behauptet, aber nicht aus dem Gesetz abgeleitet und darüber hinaus nicht dargestellt, warum vorliegend § 15 Abs 1 StGB nicht zum Tragen käme.
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO macht das Rechtsmittel geltend, am 10. Dezember 2003 sei eine Hauptverhandlung ohne entsprechende Anklage durchgeführt worden und wäre der Angeklagte daher gemäß § 259 Z 1 StPO freizusprechen gewesen, womit das Verfolgungsrecht der Staatsanwaltschaft ausgeschlossen gewesen wäre.
Tatsächlich wurde vom Landesgericht Innsbruck, obwohl sich die Sache infolge Wiederaufnahme des Verfahrens im Stand der Voruntersuchung befand (§ 359 Abs 1 StPO) eine Hauptverhandlung für den 10. Dezember 2003 anberaumt, ohne dass zuvor von der Staatsanwaltschaft Innsbruck neuerlich eine schriftliche Anklage eingebracht worden wäre. Der Nichtigkeitswerber legt jedoch nicht dar, warum, obwohl in dieser Hauptverhandlung kein Freispruch gefällt wurde, ein solcher von der später gesetzeskonform eingebrachten Anklageschrift (ON 283) hätte erfolgen sollen.
Die gegen die Annahme der Qualifikation des § 145 Abs 2 Z 1 StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet erneut prozessordnungswidrig die unmissverständlichen Konstatierungen der Tatrichter zur gewerbsmäßigen Absicht des Angeklagten (US 8) und bekämpft mit dem Hinweis auf die Ausführungen in der Mängelrüge nur unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffensenates und die - wie dargelegt - formal einwandfrei zustandegekommenen Sachverhaltsfeststellungen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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