OGH 15Os51/11f

OGH15Os51/11f25.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bütler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gottfried E***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 26. Jänner 2011, GZ 9 Hv 8/10y-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gottfried E***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in O*****

I./ von Herbst 2009 bis Mai 2010 in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich an seiner am 14. März 2004 geborenen Enkeltochter Michelle E***** vorgenommen, indem er ihre Scheide betastete, als er mit ihr im Bett lag oder auf der Toilette war;

II./ durch die zu Punkt I./ geschilderten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Mit seiner auf Z 3 gestützten Verfahrensrüge bemängelt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Bestimmung des § 159 Abs 3 StPO, weil die Zeugin Michelle E***** als Enkelin (Angehörige im Sinne des § 72 StGB) des Angeklagten anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren (ON 14) nicht altersgerecht über das Vorliegen der Aussagebefreiung nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO belehrt worden sei. Er übersieht, dass die Z 3 des § 281 Abs 1 StPO ihrem Wortlaut nach nur auf Vorgänge in der Hauptverhandlung abstellt, die Zeugin aber in derselben nicht ausgesagt hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 192). Gegen die Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen der Vernehmung im Ermittlungsverfahren hingegen hat sich der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung (ON 29 S 4) nicht verwahrt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 191; Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 22), der Verlesung des Vernehmungsprotokolls sogar zugestimmt (ON 29 S 31). Der Verfahrensrüge kommt daher auch unter dem Aspekt der Z 2 keine Berechtigung zu (RIS-Justiz RS0121050).

Im Übrigen konnte die vom Beschwerdeführer angenommene Formverletzung keinen für den Angeklagten nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung üben (§ 281 Abs 3 StPO), weil die Aussage der Zeugin bei der kontradiktorischen Vernehmung ohnehin bloß dessen Verantwortung stützte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 734 ff).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen logisch und empirisch einwandfrei aus der Zeugenaussage und dem in der Hauptverhandlung verlesenen klinisch-psychologischen Befund (ON 21 S 7 ff) der (Kinder-)Psychologin Mag. H***** sowie aus dem Gutachten der im Verfahren beigezogenen Sachverständigen Mag. Dr. E*****, denen gegenüber das Tatopfer ihren Großvater wiederholt wegen der inkriminierten sexuellen Übergriffe belastet hatte, abgeleitet, ohne dabei die - im Rahmen der freien Beweiswürdigung als beeinflusst und daher wahrheitswidrig gewerteten - entlastenden Angaben der Zeugin Michelle E***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung außer Acht zu lassen (US 7 und 8).

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die entlastende Aussage der Zeugin Michelle E***** verbunden mit eigenen beweiswürdigenden Überlegungen zu den Ausführungen der Sachverständigen Mag. Dr. E***** die erstgerichtlichen Feststellungen zu den Tathandlungen in Zweifel zu ziehen versucht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 451), wendet er sich in unzulässiger Weise gegen die Lösung von Tatfragen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Die Tatsachenrüge (Z 5a) setzt sich nämlich über den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes hinweg, dessen Wesen und Ziel es ist, an Hand aktenkundiger Umstände unter Berücksichtigung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen (RIS-Justiz RS0119583). Indem der Beschwerdeführer die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Urteilsfeststellungen durch eigene Bewertung der Aussage der Zeugin Mag. H***** und des Gutachtens der Sachverständigen Mag. Dr. E***** einerseits und Hervorhebung der entlastenden Angaben der Zeugin Michelle E***** andererseits bekämpft, will er lediglich seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch verhelfen. Es gelingt ihm damit nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Konstatierungen entscheidender Tatsachen zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers (§ 24 StPO) - bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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