Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung "wegen Schuld" werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung "wegen Strafe" und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde Hannes L*****, alias Hodina, alias Müller, des Verbrechens des "schweren gewerbsmäßigen" (richtig: gewerbsmäßig schweren) Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Deliktsfall StGB (I) sowie der Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 161, 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB (II) und nach § 114 Abs 2 ASVG (III) schuldig erkannt.
Mit einer aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte den Schuldspruch zu I, wonach er mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Nachgenannte durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, zu nachstehend angeführten Handlungen verleitet, die nachgenannte Personen und Firmen an ihrem Vermögen um einen 25.000 S übersteigenden Betrag schädigten, und zwar
in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Isabella St***** als Beteiligte (§ 12 StGB)
1) im November 1994 in Zeillern Angestellte der Firma L***** zur Erstellung eines Bau- und Einreichplanes, Schaden 26.040 S,
2) vom 17. März bis 1. Juni 1995 in Guntramsdorf Johanna W***** zur Überlassung einer Ferienwohnung, Schaden 14.700 S;
alleine
3) Ende 1994 in Hickersberg die Tierärztin Dr. Elisabeth L***** zur Behandlung von Pferden, Schaden etwa 3.500 S,
4) am 29. September und 12. Oktober 1995 in Wien Mag. Thomas S***** zur Gewährung von zwei Darlehen, Schaden 29.000 S,
5) am 19. September 1995 in Wien Gerhard Sch***** zur Übergabe von 6.000 S,
6) am 7. Dezember 1995 zudem unter dem Falschnamen "Müller" Jovan P***** zur Übergabe von 5.000 S, am 16. Dezember 1995 von 2.000 DM und am 17. Dezember 1995 von 16.000 S,
7) im Jänner 1996 Mohamed El-R***** zudem unter dem Falschnamen "Müller" zur Übergabe von 23.432 S,
8) am 31. Jänner 1996 Gertrude Sch***** zudem unter dem Falschnamen "Müller" zur Übergabe von 15.000 S,
9) von etwa Mitte bis gegen Ende Jänner 1996 Paula P***** zudem unter dem Falschnamen "Müller" zur Übergabe von 1.000 S,
10) von November bis Dezember 1996 in Wien den Notar Dr. Stefan K***** zu Leistungen im Zusammenhang mit der Durchführung eines Liegenschaftsverkaufsvertrages, der Errichtung einer Aktiengesellschaft und der Umwandlung verschiedener Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Schaden 40.000 S,
11) Anfang 1997 in Wien den Architekten Dipl. Ing. Peter K***** zu Planungsarbeiten für eine Konditorei, Schaden etwa 7.000 S;
in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der I***** Handels-GesmbH
12) am 24. und 28. Oktober 1994 in Scheibbs Rudolf K***** zur Ausfolgung von Blumen und Allerheiligenwaren, Schaden 25.027,20 S,
13) vom 20. bis 31. Jänner 1997 in Oyenhausen und Wien Angestellte der Firma S***** A & Co GmbH zur Lieferung von Baumaterial, Schaden 38.693,17 S,
14) im Februar und März 1997 in Wien Michael M***** zur Vornahme von Elektroinstallationen, Schaden 40.000 S, und Christian M***** zur Durchführung von Installationsarbeiten, Schaden etwa 10.000 S und
15) am 14. Jänner 1997 in Wien Angestellte der Firma M***** Austria AG zur Überlassung einer Telefonnummer für ein A-Netz Handy, wofür bis 13. März 1997 Telefongebühren aufliefen, Schaden 4.584,33 S;
in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A***** K***** Handels- und Werkstätten GesmbH
16) im Oktober 1996 in Pottenstein den Notar Dr. Friedrich H***** zur Errichtung eines Bestandvertrages und zu notariellen Beglaubigungen, Schaden 12.120 S,
17) am 13. November 1996 in Wien Angestellte der Firma M***** Austria AG zur Überlassung einer Telefonnummer für ein A-Netz Handy, wofür bis 11. März 1997 Telefongebühren aufliefen, Schaden 21.002 S,
18) am 15. November und 23. Dezember 1996 in Wien Angestellte der Firma M***** T***** GesmbH zur Ausfolgung von Waren, Schaden 2.812,94
S,
19) vom 9. Dezember 1996 bis 25. Februar 1997 in Wien die Inhaber der Pension K*****-Hotellerie-BetriebsgesmbH zur Überlassung von Quartier, Schaden 36.800 S,
20) am 13. Dezember 1996 in Wien Friedrich Sch***** zur Leistung einer Anzahlung für einen Garagenplatz, Schaden 50.000 S,
21) am 2., 16., 20. und 21. Jänner 1997 in Wien Angestellte der Firma E***** GesmbH zur Vornahme von Elektroinstallationen und Ausfolgung verschiedener Waren, Schaden 10.783,60 S,
22) am 10. Jänner 1997 in Wien den Inhaber der Firma Papier K***** zur Lieferung von Büromaterial, Schaden 1.404 S,
23) am 8. März 1997 in Orth an der Donau den Architekten Dipl. Ing. Peter K***** zur Übernahme von Bürgschaft, Schaden 4.000 S.
Rechtliche Beurteilung
Zur Verfahrensrüge (Z 4) ist der Beschwerdeführer deshalb nicht legitimiert, weil dem - vollen Beweis machenden - Protokoll über die am 3. Juni 1998 gemäß § 276a StPO neu durchgeführte Hauptverhandlung, dessen Berichtigung der Angeklagte nicht begehrt hat, ein (neuerlicher) Antrag (vgl hiezu S 163 f und 177 ff/IV) auf Erstattung eines Sachverständigengutachtens durch einen beeideten Wirtschaftsprüfer mit der Modifizierung, "daß die Buchhaltungsunterlagen im Zuge einer Ausführung durch persönliche Suche mit dem Angeklagten beigeschafft werden müßten" (s ON 85/IV, insbesondere S 283 unten), nicht zu entnehmen ist. Eine nachträgliche, demnach prozessual verspätete, Rüge kann indes das Unterbleiben einer zeitgerechten (neuerlichen) Antragstellung nicht sanieren (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 1, 4, 4g, 15, 31).
Mit dem undifferenziert auf Z 5 und Z 5a gestützten Vorbringen behauptet der Nichtigkeitswerber zunächst ganz allgemein, aber urteilsfremd (vgl US 11, 30 und Fakten 2, 5 bis 9 und 20), bei allen ihm zu Last gelegten Betrugstaten handle es sich um Geschäftsverbindlichkeiten, die er im Zuge von wirtschaftlichen Tätigkeiten als Geschäftsführer der von ihm geführten Kapitalgesellschaften eingegangen sei. Bei der Schilderung seines Lebenslaufes (US 9 ff) werde "in einer das Gebot des fair trial gemäß Art 6 MRK verletzenden Weise" die Tatsache verwertet, daß er "mehrfach einschlägig vorbestraft" sei. Für das Tatbestandselement der Täuschung (über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit) fehle es bei den einzelnen Delikten an einer konkreten Begründung; denn zur "Täuschungs- und Bereicherungsabsicht" habe sich das Erstgericht im wesentlichen nur darauf bezogen, daß er zufolge der vielen einschlägigen Vorstrafen eben zu betrügerischen Handlungen neige. Andere günstigere Beweiswürdigungsaspekte etwa im Zusammenhang mit seinen Versuchen, die durch die Haftsituation stark beeinträchtigten Unternehmen wieder halbwegs in geordnete Bahnen zu bringen, seien hingegen außer acht geblieben. Insoweit seine Einwände betreffend den Eintritt eines großen Schadens aus einer frostgeschädigten Blumenlieferung und einer nichtbetriebenen Forderung aus dem Projekt "Große Mohrengasse" mit "vorauseilender Beweiswürdigung" als unglaubwürdig abgetan würden, sei auch diese "fragwürdig".
Zu den einzelnen Betrugsfällen, deren Schadensbeträge als noch immer unberichtigt aushaftend zugestanden werden, trachtet die Beschwerde (vermeintliche) Begründungsmängel dahin aufzuzeigen, daß der Angeklagte
* zu 1) und 2) die Auftraggeber von vorneherein getäuscht habe;
* zu 3) keine Geldmittel gehabt hätte, "derart kleine Beträge zu bezahlen", weshalb dieser Sachverhalt - nach Meinung der Beschwerde - eher dem Kridatatbestand zuzuordnen wäre;
* zu 4) von Anfang an getäuscht und mit Bereicherungsvorsatz gehandelt habe, wobei das Erstgericht seine Verantwortung nur unvollständig berücksichtigt habe, weshalb auch dieses Faktum eher unter den Kridatatbestand einzureihen gewesen wäre;
* zu 6) mit "bedenklicher Beweiswürdigung" als unglaubwürdig hingestellt und die (für den Angeklagten sprechenden) Aussagen des Zeugen Jovan P***** übergangen würden, aber trotzdem nicht begründet werden könne, daß der Angeklagte schon bei Übernahme der Akonti "wissen hätte müssen", daß das Fahrzeug nicht lieferbar wäre;
* zu 7) bereits bei einem Inkasso der Anzahlung einer Betrugsabsicht gehabt habe;
* zu 10) zu Unrecht bezichtigt werde, den Notar Dr. Kralik getäuscht zu haben.
Zu 8) wendet der Nichtigkeitswerber ein, seine Verantwortung, wonach es sich beim kassierten Betrag von 15.000 S um eine "Beteiligung" der Gertrude Sch***** gehandelt habe, werde durch deren Zeugenaussage im wesentlichen bestätigt, zumindest aber nicht widerlegt, sodaß "im Zweifel" zu seinen Gunsten davon auszugehen sei.
Bezüglich der Betrugsfakten 11 und 13 bis 23 moniert der Beschwerdeführer schließlich eine ausreichende Begründung für den "Betrugstatbestand in subjektiver und objektiver Hinsicht", weil man ihm - unter Zugrundelegung seiner Verantwortung - nicht den Vorsatz (nicht einmal in Form der "bewußten Fahrlässigkeit") vorwerfen dürfe, daß er schon zum Zeitpunkt des Eingehens der Verbindlichkeiten von vorneherein damit "rechnen mußte", diese "nie" bezahlen zu können, und er daher auch keine Täuschungshandlung gesetzt habe. Im übrigen unterstelle ihm das Erstgericht insoferne nur "Vorsatz zumindest in der Form bewußter Fahrlässigkeit". Zudem bleibe seine Verantwortung ungeprüft, daß er die im November 1996 eingegangenen Verbindlichkeiten aus den zu erwartenden Entgelten für erbrachte Leistungen zum Projekt "Große Mohrengasse" leicht habe bezahlen können (vgl aber hiezu US 47). Bei Abschluß des Bestandsvertrages im Oktober 1996 (Faktum 16) hinwieder "mußte er" nach Meinung der Beschwerde "noch nicht damit rechnen", daß er diese Forderung durch die spätere Verhaftung nicht mehr werde bezahlen können.
Solcherart wird indes keiner der relevierten, unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten Anfechtungstatbestände prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil die Beschwerde unter Außerachtlassung des Gebotes, nicht nur Spruch und Gründe als Einheit, sondern auch die Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit zu beachten, bloß wiederholt auf die insgesamt für unglaubwürdig beurteilte Verantwortung des Angeklagten verweist und einzelne, teils isoliert aus dem Gesamtzusammenhang gelöste, teils sinnentstellt wiedergegebene Beweisdetails in den Vordergrund stellt. Damit kritisiert sie lediglich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die zum Nachteil des Nichtigkeitswerbers ausgefallene Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, ohne in Wahrheit formale Begründungsfehler aufzuzeigen (Z 5) noch erhebliche Bedenken gegen entscheidungswesentliche Feststellungen darzutun (Z 5a; vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 1, 2, 4, 4a; § 281 Z 5a E 1, 4, 16, 17 uam). Dies erhellt besonders deutlich aus der wiederholten Forderung nach Anwendung des Zweifelsgrundsatzes, womit eine im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens nicht zulässige Beweiswürdigungsmaxime ins Spiel gebracht wird (Mayerhofer aaO § 258 E 42).
Demgegenüber haben die Erkenntnisrichter - bei gebotener Betrachtung des Urteils in seiner Gesamtheit - in einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau aller maßgebenden Beweisergebnisse (einschließlich der Einlassungen des Angeklagten zu jedem Anklagepunkt), vielfach illustriert durch aktenkundige, wenngleich nicht unter Anklage gestellte Tatsachen, sowie unter Verwertung des von seiner Person gewonnenen Eindrucks gemäß dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) aus einer Mehrzahl tragfähiger Prämissen alle für die Erfüllung des Betrugsverbrechens erforderlichen objektiven Tatbestandselemente und spezifischen Vorsatzkomponenten der Täuschung, Schädigung und unrechtmäßigen Bereicherung mängelfrei festgestellt. Sie haben aber auch in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung und zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), demnach formal einwandfrei dargelegt, aus welchen Erwägungen sie die Vorsatzschuld des Angeklagten schon bei Eingehen der jeweiligen Verpflichtungen als erwiesen angenommen, hingegen seiner leugnenden Verantwortung und den von ihm vorgebrachten Gegenargumenten den Glauben versagt haben (vgl insbesonders US 10 f, 15, 24 f, 28 ff, 42, 46 ff, 50 ff). Damit wurde aber auch die subjektive Tatseite hinreichend begründet.
Die Einbeziehung des Vorlebens des Angeklagten in seine Persönlichkeitsbeurteilung ist dem dagegen erhobenen Beschwerdevorwurf zuwider keine Verletzung des Art 6 MRK.
Die Rechtsrügen (Z 9a und Z 10) enthalten keine gesetzmäßige Ausführung der geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgründe. Diese erfordert nicht nur das strikte Festhalten am gesamten objektiven und subjektiven Tatsachensubstrat des Urteils, sondern auch den ausschließlich auf dieser Basis geführten Nachweis einer fehlerhaften Anwendung des (konkreten) Strafgesetzes zufolge eines Feststellungsmangels oder Rechtsirrtums. Dabei darf kein konstatierter Umstand verschwiegen oder bestritten werden, noch kann die Tatsachengrundlage eigenmächtig erweitert werden. Zudem muß die Subsumtionsrüge jene Strafnorm konkretisieren, die nach ihrer Ansicht den Urteilssachverhalt qualifiziert.
Diesen prozessualen Geboten zuwider verweist die Beschwerde - unzulässig - im wesentlichen nur auf das Vorbringen zur Mängel- und Beweisrüge, kritisiert erneut die Urteilsbegründung als mangelhaft, bestreitet ausdrücklich, wiederholt und in allen Fällen pauschal, die
- wie dargelegt formal einwandfrei begründeten - subjektiven Tatbestandselemente des Betruges und fordert letztlich - inkonsequent
- einerseits aus Z 9 lit a seinen gänzlichen Freispruch, andererseits aus Z 10 seine Verurteilung global "im Sinne des § 159 StGB", wobei sie insoweit prozeßordnungwidrig offen läßt, nach welcher realkonkruierenden Variante des § 159 Abs 1 Z 1 oder Z 2 StGB dies erfolgen sollte.
Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt gemäß § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits bei nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Dasselbe Schicksal teilt die ausgeführte Berufung wegen "Schuld", weil ein derartiges Rechtsmittel gegen ein schöffengerichtliches Urteil der Strafprozeßordnung fremd ist (vgl §§ 283 Abs 1, 294 Abs 4 StPO).
Auf die vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Rechtsmittelausführung (eingelangt beim Obersten Gerichtshof am 21. Jänner 1999) war nicht einzugehen, weil das Gesetz nur eine (formgerechte) Ausführung vorsieht (Mayerhofer aaO § 285 E 36 ff).
Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die zudem ergriffene Berufung und Beschwerde des Angeklagten (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
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