OGH 15Os47/06k

OGH15Os47/06k7.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang M***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, § 161 Abs 1 erster Satz StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 9. März 2006, GZ 7 Hv 86/05t-75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang M*****, soweit für die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2, § 161 Abs 1 erster Satz StGB (I.) und (gemeint, vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 159 Rz 5 f, 96) der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 4 Z 1 und Abs 5 Z 1, 3, 4 und 5, § 161 StGB und nach § 159 Abs 2 und Abs 5 Z 1, 3, 4 und 5, § 161 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Mattighofen und an anderen Orten in der Zeit von 1989 bis Mai 2001 als Geschäftsführer der L***** GmbH, der H*****-GmbH, der L*****-GmbH „sowie weiterer Tochterunternehmen im Firmengeflecht der Firmengruppe L*****"

I) „als Schuldner mehrerer Gläubiger einen Bestandteil des Gesellschaftsvermögens verheimlicht, beiseite geschafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorgeschützt oder anerkannt oder sonst das Gesellschaftsvermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt hat" und zwar

1) indem er am 14. August 1995 vom Sparbuch Nr. ***** der L***** GmbH mit der Bezeichnung „Dir. M***** Wolfgang" bei der Oberbank Mattighofen, welches am 26. Mai 1995 mit einer Einlage von 1,2 Mio S eröffnet worden war, „den Betrag von 1,199.990 S behob und diesen Betrag dem Gesellschaftsvermögen entzog (Faktum 3 des SV-GA, GA S 130-132, 177-179);"

2) indem er sich nachstehende Versicherungsleistungen, die der L***** GmbH zugestanden wären, auf ein Privatkonto überweisen ließ und damit dem Gesellschaftsvermögen entzog, nämlich

a) am 2. Jänner 2001 einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 383.651 S aus einer Transportschadenversicherung bei der D***** Versicherungs AG (Polizze *****) auf sein Konto Nr. *****, BLZ *****, lautend auf „M*****";

b) am 20. Jänner 2000 mittels Scheck einen Kulanzentschädigungsbetrag über 550.000 S von der D*****-Versicherungs AG für einen Schaden in Indonesien (Schadensnummer: *****), „wobei hiefür im Gegenzug eine für das Jahr 1999 errechnete Gewinnbeteiligung der L***** GmbH zur Polizze Nr. ***** ausgeglichen wurde (Faktum 4 im SV-GA, GA S 133-134, 179-180)";

3) indem er mittels Bankeinzug von einem L*****-GmbH-Konto 400.000 „Prämien für seine private Lebensversicherung, Polizze Nr. ***** bei der D***** Versicherungs AG, bezahlte (Faktum 5 des SV-GA, GA S 135-136, 180)";

4) indem „er - zusätzlich zu seinen (ohnedies sehr hohen) Geschäftsführerbezügen - erhebliche Beträge durch stetige Entnahmen über seine Verrechnungskonten dem Unternehmen entzog, ohne diese jemals auszugleichen", nämlich

a) einen Betrag in Höhe von 2,7 Mio S „über sein Verrechnungskonto bei der L***** GmbH (Band III, S 523)" und

b) einen Betrag in Höhe von 1,3 Mio S „über sein Verrechnungskonto bei der L***** B***** GmbH (Band III, S 525)";

II) grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der genannten Unternehmen dadurch herbeigeführt, dass er kridaträchtig handelte (§ 159 Abs 5) „und dadurch einen 800.000 Euro übersteigenden Befriedigungsausfall seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkte, indem er entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens

Z 1: einen bedeutenden Bestandteil seines Vermögens zerstörte, beschädigte, unbrauchbar machte, verschleuderte oder verschenkte;

Z 3: übermäßigen, mit seinen Vermögensverhältnissen oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb;

Z 4: Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterließ oder so führte, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde, oder sonstige geeignete oder erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschaffen sollten, unterließ und Z 5: Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er verpflichtet gewesen wäre, zu erstellen unterließ oder auf eine solche Weise oder so spät erstellte, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurden

und zwar, indem er

Forderungen gegenüber Tochtergesellschaften und anderen (teilweise nahestehenden) Unternehmen anhäufte, die sich später als uneinbringlich erwiesen (etwa gegenüber der L***** GmbH S*****, E***** AG, ...);

Beteiligungskäufe durch die Gesellschaft selbst und nicht durch die Erwerber dieser Beteiligungen finanzierte;

Gesellschaftsvermögen den einzelnen Gesellschaftern zur Verfügung stellte, vor allem sich selbst, das auf Verrechnungskonten zwar teilweise erfasst wurde, dessen Rückzahlung jedoch nicht eingefordert wurde und auch nicht vorgesehen war;

finanzielle Mittel in großem Ausmaß für private Zwecke entnahm, die er nicht in angemessener Zeit in das Gesellschaftsvermögen zurückführte;

ab 1995 es unterließ, die Geschäftsbücher so ordnungsgemäß zu führen, dass ein Überblick über die Vermögens- und Ertragslage der Firmengruppe daraus ersichtlich gewesen wäre, insbesondere auch durch Verzeichnung fehlerhafter Aktivposten, die das Umlaufvermögen überhöht darstellten und Verzeichnung von uneinbringlichen Forderungen in erheblichem Ausmaß, die nicht zeitgerecht wertberichtigt wurden;

1997 bei der L***** GmbH M***** gegenüber der Tochtergesellschaft L***** S***** 47,573.835 S als außerordentlichen Aufwand ausbuchen ließ (Forderungswertberichtigungen sowie außerplanmäßige Abschreibungen der Beteiligung S*****), wodurch die Vermögenssituation der L***** GmbH M***** als auch die der L***** GmbH S***** unrichtig dargestellt wurde (Faktum 7, SV-GA, GA S 182 f);

zumindest die Jahresabschlüsse 1998 und 1999 zu spät erstellten ließ (Faktum 1 des SV-GA, GA S 100-116, 171-176)."

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 3 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund wird mangelnde Individualisierung zu Punkt II des Schuldspruches geltend gemacht, indem auf jene Elemente der Tatschilderung Bezug genommen wird, wonach der Angeklagte „Gesellschaftsvermögen den einzelnen Gesellschaftern zur Verfügung stellte, vor allem sich selbst, das auf Verrechnungskonten zwar teilweise erfasst wurde, dessen Rückzahlung jedoch nicht eingefordert wurde und auch nicht vorgesehen war und finanzielle Mittel in großem Ausmaß für private Zwecke entnahm, die er nicht in angemessener Zeit in das Gesellschaftsvermögen zurückführte" (US 4). So sei nicht ersichtlich, dass „sämtliche Privatentnahmen größeren Ausmaßes im Sinn von Punkt II des Schuldspruches" abschließend umschrieben werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, „dass auch die Schuldsprüche unter I)1) bis 4) von Punkt II) des Urteilsspruchs mit umfasst werden". Von mangelnder Individualisierung kann jedoch keine Rede sein. Der Grund, warum § 260 Abs 1 Z 1 StPO zur Individualisierung ein Referat der als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen, deren der Angeklagte solcherart „schuldig befunden worden ist", verlangt, liegt darin, dass das den Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) begründende historische Geschehen von anderen strafbarkeitsrelevanten Sachverhalten letztlich nach Maßgabe von Tatbestandskategorien - maW entscheidenden Tatsachen - abgegrenzt werden muss (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 272 f).

Aus dem Urteilsspruch geht hervor, welche Handlungen des Angeklagten dem Tatbestand des § 156 StGB und welche den Tatbeständen des § 159 StGB zugeordnet wurden. Demnach erfasst der Schuldspruch wegen betrügerischer Krida [I)1) bis 4)] die dazu im Urteilstenor einzeln beschriebenen Handlungen, während die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit der vom Erstgericht genannten Gesellschaften sowie das Gläubiger schädigende Weiterwirtschaften nach erkennbarem Eintritt der Insolvenz den Tatbeständen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen unterstellt wurde. In der Subsumtionsrüge (Z 10) wird vorgebracht, Vergehen nach § 159 StGB könnten mit einem Verbrechen nach § 156 StGB ausschließlich in Realkonkurrenz vorliegen. Im gegebenen Fall sei nicht auszuschließen, dass die im Urteil bereits unter Punkt I)1) bis 4) des Schuldspruchs erfassten Tathandlungen auch von Punkt II) mit umfasst werden „und daher contra legem ideal konkurrieren".

Auch dieser Einwand ist nicht stichhältig. In den Urteilsgründen legt das Erstgericht die entscheidungswesentlichen Tatsachen ausführlich dar, indem es zu jeder einzelnen Handlung Stellung nimmt (US 10 ff). Die Beschwerde geht - nicht an der Prozessordnung orientiert - darüber hinweg, dass die angesprochenen Verhaltensweisen dabei ohnedies (auch im Hinblick auf die Subsumtion) gesondert betrachtet wurden. Auf welcher Grundlage die vorgetragene Ansicht beruhen soll, dass allenfalls Idealkonkurrenz angenommen worden sei, ist im Blick auf die auch insoweit unmissverständlichen Entscheidungsgründe (insbesondere US 14) nicht ersichtlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher entgegen der Äußerung des Verteidigers zur Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte