European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00037.9500000.0420.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
1. Das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Wels vom 24.September 1993, GZ 16 E Vr 1407/92‑20, mit dem Franz Xaver S* (als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB), Dipl.Ing.Heinz Otto F* und Harald H* des Vergehens des (vollendeten) schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu Freiheits‑ bzw Geldstrafen verurteilt wurden, sowie
2. das (dieses Urteil im Schuldspruch bestätigende) Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18.Jänner 1994, AZ 7 Bs 380/93 (= ON 29 des Vr‑Aktes),
verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 146 StGB.
Gemäß §§ 292 letzter Satz, 288 Abs 2 Z 3 StPO werden die zu Punkt 1. und 2. bezeichneten Urteile (mit Ausnahme der darin enthaltenen Kostenaussprüche) aufgehoben, und es wird in der Sache selbst erkannt:
Franz Xaver S*, Dipl.Ing.Heinz Otto F* und Harald H* sind schuldig, und zwar
1. Dipl.Ing.Heinz Otto F* und Harald H* am 11. und 12.Oktober 1992 in Attnang‑Puchheim und Linz im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, Heinz S* unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der * VersicherungsAG, Landesdirektion O*, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Übermittlung einer von Dipl.Ing.F* namens der Versicherungsnehmerin U* GesmbH und von Harald H* als (angeblichem) Fahrzeuglenker unterfertigten Kfz‑Schadenanzeige, derzufolge Harald H* am 10.Oktober 1992 gegen 23.30 Uhr in Koppach als Lenker des beim genannten Versicherungsinstitut kaskoversicherten PKWs der Marke Alfa 164 V 6 mit dem polizeilichen Kennzeichen L 1890 E, der im Unfallszeitpunkt in Wahrheit vom alkoholisierten Franz Xaver S* gelenkt worden war, in Richtung Atzbach fahrend, in einer langgezogenen Rechtskurve von der Fahrbahn abgekommen sei, wodurch das Fahrzeug schwer beschädigt worden sei, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von Regreßforderungen gegen Franz Xaver S*, zu verleiten versucht zu haben, welche die * VersicherungsAG am Vermögen um einen 25.000 S übersteigenden Betrag, nämlich um 177.838 S, schädigen sollte,
2. Franz Xaver S* am 11.Oktober 1992 in Attnang‑Puchheim Dipl.Ing.Heinz Otto F* und Harald H* durch mündliches Ersuchen zur Ausführung der unter 1. beschriebenen strafbaren Handlung bestimmt zu haben.
Franz Xaver S*, Dipl.Ing.Heinz Otto F* und Harald H* haben hiedurch das Vergehen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (S* als Beteiligter nach dem zweiten Fall des § 12 StGB) begangen.
Sie werden hiefür nach § 147 Abs 1 StGB, und zwar
Franz Xaver S* zu 5 (fünf) Monaten Freiheitsstrafe,
Dipl.Ing.Heinz Otto F* zu 3 (drei) Monaten Freiheitsstrafe und
Harald H* unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 (einhundertachzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 90 (neunzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, wobei der Tagessatz mit 130 S bestimmt wird.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB werden die Freiheitsstrafen und die Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 366 Abs 2 StPO wird die Privatbeteiligte * VersicherungsAG mit ihren Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 24.September 1993, GZ 16 E Vr 1407/92‑20, wurden Franz Xaver S* (als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB), Dipl.Ing.Heinz Otto F* und Harald H* des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach § 147 Abs 1 StGB zu ‑ gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehenen ‑ Freiheitsstrafen von fünf Monaten (S*) und drei Monaten (Dipl.Ing.F*) bzw (unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 130 S, im Nichteinbringungsfall 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe (Harald H*), die das Berufungsgericht gleichfalls unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah, sowie alle drei Angeklagten gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und gemäß § 369 Abs 1 StPO zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von 177.838 S an die Privatbeteiligte * VersicherungsAG verurteilt.
Inhaltlich des erstgerichtlichen Schuldspruchs liegt den Angeklagten Dipl.Ing.F* und H* zur Last, am 11. und 12.Oktober 1992 in Attnang‑Puchheim und Linz im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, Franz Xaver S* unrechtmäßig zu bereichern, die zur Schadensliquidierung zuständigen Angestellten der * VersicherungsAG, Landesdirektion für O*, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Übermittlung einer von zwei Angeklagten teils namens der Versicherungsnehmerin U* GesmbH, teils als (angeblichem) Fahrzeuglenker unterfertigten Haftpflicht‑ und Kasko‑Kfz‑Schadenanzeige zur Polizze Nr. 590‑336‑883, wonach Harald H* am 10.Oktober 1992 gegen 23.30 Uhr (in Koppach) als (nüchterner) Lenker des PKWs der Marke Alfa 164 V 6 mit dem polizeilichen Kennzeichen L 8090 E, in Richtung Atzbach fahrend, in einer langgezogenen Rechtskurve von der Fahrbahn abgekommen sei, wodurch das Fahrzeug schwer beschädigt worden sei, und eine behördliche Unfallaufnahme nicht erfolgt sei, während das Fahrzeug im Unfallszeitpunkt in Wahrheit von Franz Xaver S* in alkoholisiertem Zustand gelenkt worden war, der überdies wußte, daß in dieser Sache von der Gendarmerie bereits Unfallerhebungen durchgeführt worden waren, zu einer Handlung, nämlich zur Erbringung einer Versicherungsleistung an die Versicherungsnehmerin unter Ausschluß der nach den AKHB bestehenden Leistungsfreiheit verleitet zu haben, welche die * VersicherungsAG am Vermögen in einem 25.000 S übersteigenden Betrag, nämlich um 177.838 S, schädigte (1).
Der Angeklagte S* wurde schuldig erkannt, am 11.Oktober 1992 in Attnang‑Puchheim die Angeklagten Dipl.Ing.F* und H* zur Ausführung der zu Punkt 1. geschilderten strafbaren Handlung dadurch bestimmt zu haben, daß er H* in Gegenwart des Dipl.Ing.F* (erfolgreich) ersuchte (gegenüber der genannten Versicherung) zu bestätigen, daß H* das Unfallsfahrzeug im Unfallszeitpunkt gelenkt habe (2).
Nach den wesentlichen erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (US 12 f) ging der von den Angeklagten gemeinsam gefaßte Tatplan dahin, durch die inhaltlich unrichtige Versicherungsmeldung den Angeklagten S* nicht nur vor dem drohenden Verlust seines Führerscheins zu bewahren, sondern ihn auch finanziell dadurch zu entlasten, daß nicht er selbst für den von ihm angerichteten Kraftfahrzeugschaden aufkommen muß, sondern die Versicherung zur Schadensliquidierung an die Versicherungsnehmerin verhalten wird. Diese Konstatierungen ergänzte der Einzelrichter im Rahmen der Beweiswürdigung (US 14) und in den rechtlichen Ausführungen (US 22) dahin, daß der Vorsatz aller drei Angeklagten auch die allfällige Bewahrung des S* vor einem ihm (seitens der Kaskoversicherung) drohenden Regreßanspruch umfaßt habe.
Dem Urteilssachverhalt (US 13 dritter Absatz) zufolge wurde der Betrag von 177.838 S (nach Aussage des Zeugen Wolfgang H* - 92 -) von der * Versicherungs AG, die sich mit Schriftsatz vom 12.November 1992 dem Strafverfahren gegen die drei Angeklagten als Privatbeteiligte angeschlossen hatte (ON 4), am 1.Dezember 1992 tatsächlich an die Versicherungsnehmerin (U* GesmbH) ausbezahlt.
Dieses Urteil ließen der Angeklagte S* und der öffentliche Ankläger unbekämpft.
Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18.Jänner 1994, AZ 7 Bs 380/93 (= ON 29 des Vr‑Aktes), wurde der Berufung des Angeklagten H* wegen Strafe Folge gegeben und gemäß § 43 Abs 1 StGB die gesamte über ihn verhängte Geldstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen; der Berufung des Angeklagten Dipl.Ing.F* wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wurde nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
In dem (den erstgerichtlichen Schuldspruch bestätigenden) Urteil (ON 29) führte das Oberlandesgericht in Erledigung der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) auf der Basis der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen unter anderem aus (US 12 f), daß zwar die Kaskoversicherung auch bei Kenntnis des tatsächlichen Unfallsherganges der Versicherungsnehmerin gegenüber zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, weil dieser das Verhalten des Lenkers nicht zurechenbar sei. Gemäß § 67 Abs 1 VersVG gehe jedoch der Anspruch der Versicherungsnehmerin gegen den Lenker (S*) wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls (zB bei Alkoholisierung des Lenkers) auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Da zufolge des gemeinsamen Tatplanes S* durch die unrichtige Versicherungsmeldung (auch) vor einem Regreßanspruch der Versicherung geschützt werden sollte, handle es sich bei der irrtümlichen Annahme der Angeklagten, die Versicherung sei der Versicherungsnehmerin gegenüber leistungsfrei, um einen unbeachtlichen Motivirrtum.
Die Beurteilung dieses Sachverhaltes durch die Untergerichte als vollendeter schwerer Betrug steht ‑ wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt ‑ mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Ein Vermögensschaden, mit dessen Eintritt der Betrug erst vollendeten ist (Leukauf/Steininger Komm3 RN 61, Kienapfel BT II3 Rz 252 jeweils zu § 146 mit Judikaturhinweisen), kann auch dadurch herbeigeführt werden, daß der Getäuschte eine bestimmte Vermögensverfügung (etwa die Geltendmachung eines berechtigten Anspruches) unterläßt, welche er ohne die Täuschung getroffen hätte (Leukauf/Steininger aaO RN 36, Kienapfel aaO Rz 145). Der Schaden tritt in einem solchen Fall immer schon dann ein, wenn bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise wegen der bewirkten Täuschung eine an sich bereits mögliche und auch sonst nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Inanspruchnahme des Schuldners unterbleibt (SSt 56/35; Mayerhofer/Rieder StGB4 E 95 a zu § 146). Die durch eine solche Vermögensverfügung herbeigeführte Schädigung ist allerdings nur dann als vollendeter Betrug anzusehen, wenn zwischen dem durch die Täuschung bewirkten Irrtum und der Verfügung ebenso wie zwischen letzterer und dem Eintritt des Vermögensschadens ein ursächlicher Zusammenhang gegeben ist (Leukauf/Steininger aaO RN 38, Kienapfel aaO Rz 106 f mit Judikaturzitaten). Ein solcher Kausalzusammenhang besteht indes nur, wenn sich der Getäuschte zum Zeitpunkt der schädigenden Vermögensverfügung noch in diesem Irrtum befand, nicht aber, wenn er diese Verfügung in Kenntnis des wahren Sachverhaltes getroffen hat.
Das erstgerichtliche Urteil, auf dessen Tatsachenkonstatierungen auch das Urteil des Berufungsgerichtes beruht, läßt Feststellungen vermissen, die diese essentiellen Kriterien für die Deliktsvollendung zu tragen vermögen. Nach der Aktenlage könnten solche auch in einem zweiten Rechtsgang nicht mehr nachgeholt werden, zumal sich die * VersicherungsAG bereits mit Erklärung vom 12.November 1992 (ON 4), sohin vor Erbringung der Versicherungsleistung an die U* GesmbH, dem Strafverfahren gegen alle drei Angeklagten, von denen S* und H* schon wenige Tage nach Erstattung der tatsachenwidrigen Schadenmeldung (31) Gendarmeriebeamten gegenüber geständig waren (67 ff und 74 f), als Privatbeteiligte angeschlossen hat. Von einem (irrtumsbedingten) Verzicht auf die ‑ erst nach der am 1.Dezember 1992 erfolgten Zahlung an die Versicherungsnehmerin (91 verso) mögliche ‑ Geltendmachung von Regreßansprüchen kann demnach keine Rede sein.
Bei dieser Sachlage kann daher vom Eintritt einer faktischen Vermögensverminderung, einem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz als Folge der Tat noch nicht gesprochen werden, weswegen die Angeklagten rechtsrichtig lediglich des (von S* als Bestimmungstäter begangenen) versuchten schweren Betruges hätten schuldig erkannt werden dürfen (abermals SSt 56/35; Mayerhofer/Rieder aaO E 95 a zu § 146).
Mangels eines aus der inkriminierten Straftat entstandenen tatsächlichen Schadens (§§ 4, 365, 369 StPO) erweist sich demnach auch der im Urteil erfolgte Zuspruch des Betrages von 177.838 S (somit in Höhe des vom Erstgericht angenommenen Betrugsschadens) an die Privatbeteiligte * VersicherungsAG als verfehlt.
Aus strafrechtlicher Sicht unbeachtlich ist der ‑ in einer Äußerung der Privatbeteiligten aufgeworfene ‑ Umstand, daß die Kaskomeldung der U* GesmbH nicht von deren im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer unterfertigt ist, sondern von Dipl.Ing.F*, denn die genannte Gesellschaft hatte Anspruch auf die Versicherungsleistung; strafrechtlich relevant ist allein ein durch Täuschung bewirkter Verzicht auf die Regreßforderung.
In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Beschwerde waren die bezeichneten Urteile (mit Ausnahme der darin enthaltenen Kostenentscheidungen) aufzuheben, die Angeklagten, gemäß §§ 292 letzter Satz, 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkennend, wie aus dem Spruch ersichtlich schuldig zu sprechen und die Privatbeteiligte mit ihren Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Bei der nach § 147 Abs 1 StGB vorzunehmenden Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend beim Angeklagten S*, daß er schon mehrere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen verschiedener Art begangen hat, beim Angeklagten Dipl.Ing.F* eine einschlägige Vorstrafe, beim Angeklagten H* hingegen keinen Umstand; als mildernd bei allen Angeklagten die Tatsache, daß es beim Versuch des Betrugs geblieben war, bei den Angeklagten S* und H* überdies deren reumütiges Geständnis und beim Angeklagten H* sein bisher ordentlicher Lebenswandel.
Unter Abwägung der Zahl und des Gewichtes der gegebenen Strafzumessungsgründe sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) entsprechen die über die Angeklagten S* und Dipl.Ing.F* verhängten Freiheitsstrafen sowie die über den Angeklagten H* unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB ausgesprochene Geld- (und Ersatzfreiheits‑)Strafe ‑ ungeachtet des auf Grund der geänderten Sachentscheidung zusätzlich zu berücksichtigenden mildernden Umstandes des Versuchs, dem jedoch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nach Lage des Falles nur geringes Gewicht zukommt, ‑ sowohl der personalen Täterschuld der Angeklagten als auch dem Unrechtsgehalt der Straftat.
Die Höhe des einzelnen Tagessatzes war auf der Basis der erstgerichtlichen Feststellungen (US 6 erster Absatz) zu bemessen.
Die bedingten Strafnachsichten (§ 43 Abs 1 StGB) waren allen Angeklagten schon wegen des Verschlimmerungsverbotes (§ 290 Abs 2 StPO) zu gewähren.
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