OGH 15Os27/97

OGH15Os27/973.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, im Verfahren gegen Waltraud L***** wegen ihrer Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5.Dezember 1996, GZ 12 Vr 1616/96-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Waltraud L***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am 5.Juni 1996 in Graz unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, die minderjährigen Kerstin W***** und Christiana B***** durch die Äußerung, "ich bring euch um, ich stech euch ab !", wobei sie ein Butterfly-Messer in der linken Hand hielt, mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, mithin eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat, die ihr außerhalb dieses Zustandes als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zugerechnet würde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung der Betroffenen.

Dem Rechtsmittel ist zunächst grundsätzlich zu erwidern, daß im Einweisungsverfahren lediglich der Ausspruch über die Grundvoraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB (Anlaßtat, Zurechnungsfähigkeit, geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad) mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar ist (Mayerhofer StPO4 § 433 E 4). Jene Entscheidungen, bei denen dem richterlichen Ermessen Spielraum eingeräumt ist, wie die Gefährlichkeitsprognose, können nur mit Berufung bekämpft werden (Mayerhofer aaO E 1); lediglich jenem Element der Gefährlichkeitsprognose, das die Rechtsfrage der Qualifikation der zu befürchtenden strafbaren Handlung mit schweren Folgen betrifft, wäre auch mit Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzutreten. Hinsichtlich aller weiteren Prognoseelemente können demnach Einwendungen gegen die Ablehnung von Beweisanträgen und formelle Begründungsmängel nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden, sondern allein mit Berufung (15 Os 53/95 mwN).

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 5.Dezember 1996 gestellten Antrages auf Vernehmung der Zeugin Dr.Eva K***** und Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen mit Lehrbefugnis an einer in- oder ausländischen Universität, "zum Beweis dafür, daß die Sachverständige Dr.Eva K***** am 22.7.1996 eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung der Frau Waltraud L***** nicht angenommen hat und aus psychiatrischer Sicht die Verlegung in den offenen Bereich als durchaus möglich angesehen hat", während die im Strafverfahren beigezogenen Sachverständigen Dr.Heinz H***** und Dr.Richard Z***** mit den Ergebnissen der Untersuchung durch Dr.K***** nicht übereinstimmen (381 f).

Abgesehen davon, daß damit die Einholung eines Drittgutachtens durch Dr.K***** - sie war nicht Tatzeugin - und eines weiteren Sachverständigen angestrebt wird, ohne daß die in §§ 125 f StPO hiefür normierten Voraussetzungen im Beweisantrag dargetan wurden, ist dieser unter der ihm zugrundeliegenden Prämisse eines Ausschlusses einer Selbst- oder Fremdgefährdung nur auf den allfälligen Erweis einer günstigen Zukunftsprognose gerichtet. Damit betrifft er aber - im Sinne der einleitenden Ausführungen - nur die durch Berufung bekämpfbare Ermessensentscheidung des Schöffengerichtes, nicht aber die Grundvoraussetzungen der Einweisung oder den in der Gefährlichkeitsprognose enthaltenen Rechtsbegriff.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) eine Unvollständigkeit behauptet, weil im angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden sei, daß die Betroffene vor der Anlaßtat von den bedrohten Kindern gehänselt und beschimpft worden sei und daß die Mutter eines der Kinder erst rund eineinhalb Stunden nach der Tat Anzeige bei der Polizei erstattet habe, betreffen diese begehrten Feststellungen keine für die Entscheidung wesentlichen Umstände, weil für das Grunddelikt nur von Bedeutung ist, ob und welche Drohung die Betroffene ausgesprochen hat und welche Absicht sie damit verband.

Die übrigen unter diesem Nichtigkeitsgrund monierten Mängel, aus dem Beweisverfahren habe sich ergeben, daß eine Therapie für die Betroffene auch außerhalb einer Anstalt möglich sei und daß keine Begründung dafür vorliege, "in welcher Form Frau L***** weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen wird", betreffen wiederum nur die mit Berufung bekämpfbare Gefährlichkeitsprognose, wobei das Schöffengericht zu letzterem Einwand ohnedies Stellung genommen hat (US 4).

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behauptet die Beschwerdeführerin lediglich, die angefochtene Entscheidung habe keine zur Begründung einer Einweisung geeignete Tat festgestellt, weil es sich "bei der Äußerung von Frau L***** um eine milieubedingte Unmutsäußerung, allerhöchstens eine Beleidigung im Sinne des § 115 StGB handle". Damit übergeht sie einerseits die ausdrücklichen Feststellungen der Tatrichter insbesondere über das Unterstreichen der Drohung mit einem Butterflymesser (US 3), andererseits wurde die aufgestellte Behauptung in keiner Richtung begründet, sodaß der Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gelangte (Mayerhofer aaO § 285 a E 44 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Graz zukommt (§ 285 i StPO).

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