Spruch:
Die Urteile des Landesgerichtes Innsbruck vom 22.September 1992, GZ 25 Vr 1908/92-13, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 9. Dezember 1993, AZ 7 Bs 475/92, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 222 Abs 1 StGB.
Diese Urteile werden aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
1. Selamettin B***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 11.Juni 1992 in Weerberg drei Schafe roh mißhandelt und ihnen unnötige Qualen zugefügt, indem er mit einem Messer von unten beginnend den Kopf bis zur Mitte schnitt, ohne die Schafe vorher betäubt zu haben, und habe hiedurch das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB begangen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
2. Das Strafverfahren gegen Johann W***** wegen des Vergehens der Tierquälerei als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 222 Abs 1 StGB wird zufolge seines Todes eingestellt.
Text
Gründe:
Mit dem im Spruch genannten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck wurden der türkische Staatsangehörige Selamettin B***** und der österreichische Staatsbürger Johann W***** wegen des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB, letzterer als Beteiligter nach § 12 (ergänze: dritter Fall) StGB, schuldig erkannt und zu bedingt nachgesehenen Geldstrafen verurteilt.
Das Gericht stellte - kurz zusammengefaßt - folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Angeklagte B***** lebt seit zwanzig Jahren in Österreich. Er gehört der islamischen Religionsgemeinschaft an. Der Angeklagte W***** betreibt in Weerberg eine Landwirtschaft und eine Schafzucht, wobei er Schafe auch zum Verkauf anbietet.
Einige Tage vor dem 11.Juni 1992, dem Tag des türkischen Kurbanfestes, hatten mehrere Türken beim Angeklagten W***** dreißig Schafe bestellt, die auf seinem Anwesen von den Türken selbst geschlachtet werden sollten. W***** hatte von einigen der Türken vernommen, daß die Schafe geschächtet werden sollten. Er wußte zwar grundsätzlich, daß das Schächten in Österreich verboten sei; einer der Türken sagte aber zu ihm, daß auf Grund eines Abkommens zwischen Österreich und der Türkei das Schächten von Schafen beim Opferfest, eben am 11.Juni, erlaubt sei. W***** holte jedoch keine Erkundigungen über die Richtigkeit dieser Behauptung ein und überließ den Türken die Schafe. Elf davon wurden am 11.Juni 1992 zwischen 8 und 10 Uhr tatsächlich geschächtet, und zwar drei vom Angeklagten B***** und acht von namentlich nicht bekannten türkischen Staatsangehörigen. Keines der Tiere wurde betäubt; vor dem Schächten wurde jeweils aus dem Koran vorgelesen. B***** schnitt den drei lebenden Schafen langsam von unten beginnend den Hals auf, sodaß sie ausbluteten. Als die Schafe tot waren, wurden ihre Köpfe abgetrennt. Alle elf Schafe wurden auf diese Weise getötet. Der Angeklagte B***** war der Meinung, daß das Schächten von Schafen in Österreich erlaubt sei.
Nach dem Koran ist das Ausblutenlassen der Schlachttiere beim Opferfest ein einzuhaltender religiöser Ritus. Schafe erleiden beim Schächten eine langsame Blutentziehung, die schließlich zum Tod führt. Schächten ohne Betäubung ist bei diesen Tieren mit erheblichen Angstzuständen und größten Schmerzen in der Dauer von zumindest 25 bis 40 Sekunden verbunden. Durch Schächten werden Schafe roh mißhandelt und es werden ihnen unnötige Qualen zugefügt. Die Angeklagten haben dies ernstlich bedacht und sich damit abgefunden. Es mangelte ihnen am Mitgefühl für die unnötig leidenden Tiere.
In rechtlicher Hinsicht erachtete das Landesgericht alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB, hinsichtlich des Angeklagten W***** in der Täterschaftsform nach § 12 dritter Fall StGB verwirklicht. Es gestand beiden Angeklagten zwar einen Rechtsirrtum nach § 9 Abs 1 StGB zu, doch beurteilte es diesen als vorwerfbar.
Mit dem gleichfalls im Spruch genannten Urteil gab das Oberlandesgericht Innsbruck den Berufungen der beiden Angeklagten gegen das erwähnte Urteil des Landesgerichtes Innsbruck wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe nicht Folge.
Das Berufungsgericht gestand dem Angeklagten B***** zwar zu, die Tat in Ausübung eines religiösen Ritus begangen zu haben, doch hielt es ihm entgegen, daß er die Vorschriften des Korans über das Schlachten - insbesondere die von ihm zitierte Sure 108 - falsch auslege, welche unter anderem geradezu darauf abzielen, Qualen für das Tier zu verhindern. In den Koran-Suren sei zwar vom Betäuben der Tiere nicht die Rede, doch gäbe es auch keinen Hinweis dafür, daß das Tier vor dem Schlachten nicht betäubt werden dürfe, solle oder müsse. Schrieben die Vorschriften des Korans jedoch das Schlachten von Schafen und anderen Tieren ohne Betäubung vor, so müßte ein in Österreich lebender Muslim auf eine Schlachtung überhaupt verzichten. Die in Art 9 Abs 1 MRK verbriefte Religionsfreiheit bedeute nicht, daß religiöse Vorschriften den Vorrang vor staatlichen Gesetzen hätten; vielmehr stelle Art 9 Abs 2 MRK klar, daß die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein dürfe, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind. Zur öffentlichen Ordnung gehöre aber auch der Tierschutz, welcher in Österreich durch die Tierschutzgesetze der Länder geregelt sei. Das Tiroler Tierschutzgesetz schreibe ua vor, daß das Schlachten von Tieren nur nach vorheriger Betäubung erfolgen dürfe, und verbiete das Entbluten von Tieren ohne vorherige Betäubung.
Zur Frage, ob den Tieren vom Angeklagten B***** unnötige Qualen zugefügt oder ob sie roh mißhandelt wurden, holte das Berufungsgericht in Ergänzung des Beweisverfahrens ein tierärztliches Sachverständigengutachten ein. Auf Grund dieser Expertise gelangte der Gerichtshof zweiter Instanz zum Schluß, daß B***** durch die Schlachtung von nicht betäubten Schafen auf die von ihm vorgenommene Weise den Tieren unnötige Qualen zugefügt und sie roh mißhandelt habe.
Hinsichtlich des Angeklagten W***** teilte das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes, daß ihm sein Rechtsirrtum über die Erlaubtheit des Schlächtens als schuldhaft vorzuwerfen sei.
Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat nach § 42 StGB erachtete der Gerichtshof zweiter Instanz aus generalpräventiven Gründen für nicht gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, stehen die erwähnten Urteile mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach der gegen Tierquälerei gerichteten Bestimmung des § 222 Abs 1 StGB ist zu bestrafen, wer ein Tier roh mißhandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt. Beide Begehungsarten dieses Vergehens sind jedoch auf Tat- handlungen eingeschränkt, die mit den Werten, die der österreichischen Rechtsordnung zugrundeliegen, nicht im Einklang stehen. Hingegen sind Eingriffe in das Leben oder das Wohlbefinden eines Tieres, die ein von der Rechtsordnung anerkanntes Ziel verfolgen und nicht zu diesem außer Verhältnis stehen, nicht strafbar.
Der Koran - zwar nicht die vom Berufungsgericht genannte Sure 108, wohl aber die Suren 5 (Vers 2 und 4), 6 (Vers 146) und 22 (Vers 31) - gebietet, Fleisch nur von vorschriftsmäßig geschlachteten Tieren zu essen; dies ist eine der zentralen Vorschriften der islamischen Religion. Die rituelle Schlachtung verlangt, daß Luft- und Speiseröhre des Tieres (und damit die anliegenden Blutgefäße) scharf durchschnitten werden und bezweckt, daß im Körper kein Blut zurückbleibt, was nur durch eine rasche Trennung der Halsschlagader geschehen kann (S 147, 187). Eine Betäubung des Schlachttieres ist in den religiösen Vorschriften nicht vorgesehen, aber auch nicht ausdrücklich verboten. Eine Betäubung stand - jedenfalls bis in jüngste Zeit - nie zur Diskussion und wird in der Praxis der rituellen Schlachtung nicht gehandhabt (S 163; vgl Schwaighofer in Harrer/Graf, Tierschutz und Recht 159). Erst in den letzten Jahren befassen sich islamische Tierärzte und Religionsgelehrte mit der Frage einer (das Tier nicht tötenden) Betäubung durch Elektroschock (Nachweise bei Gaisbauer, Das Schächten nach islamischen Ritus als strafbare Tierquälerei, ZfV 1996, 40 ff Anm 15 ff).
Art 14 Abs 1 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21.Dezember 1967, RGBl 142, gewährleistet jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Nach Art 63 Abs 2 des Staatsvertrages von St.Germain, StGBl 1920/303, haben alle Einwohner Österreichs das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.
Noch detaillierter sind die Regelungen des Art 9 EMRK: Nach Abs 1 hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- oder Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie der Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. Art 9 Abs 2 EMRK sieht vor, daß die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein darf, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte oder Freiheiten anderer sind.
Mit diesen allesamt im Verfassungsrang stehenden Normen ist das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit in Österreich verfassungsmäßig gewährleistet.
Der Islam nach hafenitischem Ritus wurde mit Gesetz vom 15.Juli 1912, RGBl 159, als Religionsgesellschaft anerkannt. Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1987 (G 146, 147/87) hat der Verfassungsgerichtshof die Einschränkung der Anerkennung auf den hafenitischen Ritus als verfassungswidrig aufgehoben. Der Islam ist somit insgesamt anerkannte Religionsgemeinschaft.
Schon zu Zeiten der Monarchie hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß das Schächten zum rituellen Gebrauch des israelitischen Kultus - für den ähnlichen Vorschriften für die Schlachtung von Vieh gelten - gehört und die Nichtgestattung der Schächtung eine Beein- trächtigung der verfassungsgemäß gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit darstelle (VwGH-Erkenntnis 10.666/1897). Die Schächtung der Schlachttiere gehöre - nach einem weiteren Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes - zu den alten religiösen Satzungen und Gebräuchen des Judentums, sodaß sie nicht als tierquälerische oder unsittliche Handlung angesehen werden könne; die Religionsübung einer staatlich anerkannten Religionsgesellschaft hinsichtlich gebräuchlicher, auf den Satzungen der Religion beruhender Handlungen sei auch nach der Auffassung der Staatsgewalt keineswegs unsittlich (VwGH-Erkenntnis 5248/A/1907).
Für die staatlich anerkannte Religionsgesellschaft des Islam kann nichts anderes gelten. Das rituelle Schächten von Schlachttieren stellt daher sowohl für die Angehörigen der israelitischen als auch der islamischen Glaubens- gemeinschaft einen Akt der Religionsausübung dar, der nicht als unsittlich zu werten ist (vgl Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte, 362) und der dem Interesse der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer nicht entgegensteht (Art 9 Abs 2 MRK).
Daran vermögen auch die Tierschutzgesetze jener Bundesländer nichts zu ändern, die generell eine Betäubung des Tieres vor der Schlachtung vorsehen. Der Freiheit der Religionsausübung wird von den Ländern Wien, Burgenland und Kärnten auch insoweit Rechnung getragen, als sie das rituelle Schächten jeweils ausdrücklich erlauben (Schwaighofer aaO).
Demnach ist in der rituellen Schlachtung der Schafe ein sozial adäquates Verhalten zu erblicken, das die Rechtswidrigkeit ausschließt. Da die mangelnde Rechtswidrigkeit ein negatives Tatbestandsmerkmal des Vergehens der Tierquälerei darstellt, vermag die Schlachtung von Tieren nach den religiösen Vorschriften der Mohammedaner und der Juden den Tatbestand des erwähnten Delikts nicht zu erfüllen (s Mayerhofer/Rieder StGB4 § 222 Anm 4; Schwaighofer aaO 159 f; Bertel/Schwaighofer BT II § 222 Rz 4 und 7; aM Pallin im WK § 222 Rz 28). Dies gilt für das gesamte Bundesgebiet, zumal die Tierschutzbestimmungen der Länder die Sozialadäquanz einer anerkannten Religionsausübung nicht (partiell) zu beseitigen vermögen.
Soweit das Oberlandesgericht Innsbruck dem Angeklagten B***** eine falsche Auslegung des Korans vorwirft, indem es ausführt, nach dem Koran sei eine Betäubung des Opfertieres vor der Schlachtung nicht verboten, es sei zwar von einem Betäuben vor dem Schächten nicht die Rede, es gäbe aber auch keinen Hinweis dafür, daß das Tier vorher nicht betäubt werden darf/soll/muß, läßt es die in der in der Rechtsmittelentscheidung zitierte Auskunft des Institutes für Orientalistik der Universität Wien an den Sachverständigen Dr.S***** festgehaltene Mitteilung außer acht, wonach eine Betäubung offenbar nicht vorgesehen ist, wenn ein Tier nach islamischem Recht geschlachtet werden soll, und das Schweigen islamischer Quellen zur Möglichkeit einer Betäubung ersichtlich damit zu erklären ist, daß eine Betäubung "wohl doch nie zur Diskussion stand" (S 163), vielmehr klassisch-arabische Rechtsliteratur - richtig interpretiert - darauf abziele, "daß das Tier wohl nicht betäubt werden sollte" (S 164). Geht nun aber zur Frage der Religionsvorschrift über die Erlaubtheit oder das Verbot einer Betäubung des Tieres vor der Schlachtung selbst die Meinung von Experten in die Richtung des Unterbleibens einer Betäubung oder ist diese Frage unter Experten zumindest strittig, ist einem einfachen Angehörigen der islamischen Religionsgemeinschaft die Unterlassung einer Betäubung der Tiere vor der Schächtung nicht vorwerfbar.
Jedenfalls kann aber - entgegen Gaisbauer (aaO) - auf der Basis des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutzes auch religiöser Gebräuche in ihrer traditionellen Ausformung nicht durch strafrechtliche Sanktionen eine Abkehr vom Bestand dieser Bräuche oder eine Modifikation dieser Bräuche im Sinne neuerer - und ersichtlich noch vereinzelter - Ansichten erzwungen werden; dies muß einem Wandel innerhalb der in Frage kommenden Religionsgemeinschaften überlassen bleiben.
Im übrigen kommt es bei Beurteilung der Frage, ob ein Verhalten Religionsausübung darstellt, nicht darauf an, ob es auf einer zwingenden religiösen Vorschrift beruht oder gar Ausdruck eines unabdingbaren Glaubenssatzes ist; viel- mehr unterliegen nicht nur rituelle Vorgänge, sondern auch bloß religiöse Gebräuche, wie etwa das Läuten von Kirchenglocken für Zwecke des Gottesdienstes, dem Grund- recht der Glaubens- und Gewissensfreiheit (vgl Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, RN 623).
Sowohl nach der Rechtsansicht des Landesgerichtes (S 89) als auch nach dem Inhalt des Berufungsurteils (S 231), das sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr.S***** (S 199, 221) stützt, wurden - wie bereits ausgeführt - die Schafe bei der Schächtung roh mißhandelt und es wurden ihnen auch unnötige Qualen zugefügt.
Auch dieser Rechtsstandpunkt ist verfehlt.
Das Tatbestandsmerkmal der "rohen Mißhandlung" besteht in einer Tätlichkeit gegen das Tier, die auf Grund der Intensität und des Ausmaßes der Handlung sowie der dem Tier zugefügten Schmerzen in Verbindung mit dem Fehlen eines vernünftigen und berechtigten Zwecks eine gefühllose Gesinnung des Täters erschließen läßt. "Unnötige Qualen" setzen eine gewisse Dauer des für das Tier unangenehmen Zustandes voraus, welche die Grenzen des Vertretbaren überschritten und zugleich als Mittel angewendet werden, die einem sozial adäquaten Verhalten entgegenstehen (Pallin aaO Rz 8, 11, 14; Foregger/Kodek StGB6 Erl II; Mayerhofer/Rieder aaO Anm 2-4; Leukauf/Steininger Komm3 RN 4; je zu § 222).
Nach dem vorher Gesagten haben weder der Angeklagte B***** noch die im Schuldspruchfaktum 3 genannten unbekannten türkischen Staatsangehörigen rechtswidrig gehandelt. Weil sie überdies die Tiere im Rahmen eines nach ihren Religionsvorschriften vernünftigen und berechtigten Zweckes sowie eines sozial adäquaten Verhaltens getötet haben, wurden die Schafe weder "roh" mißhandelt, noch ihnen "unnötige" Qualen zugefügt. Auch aus diesem Grund ist der dem Schuldspruch zugrundegelegte Tatbestand schon in objektiver Hinsicht nicht erfüllt.
Demnach sind die dem Angeklagten B***** und den unbekannt gebliebenen türkischen Staatsangehörigen im Faktum 3 vorgeworfenen Tathandlungen nach § 222 Abs 1 StGB nicht strafbar; dies hat zur Folge, daß auch die dem Angeklagten W***** zur Last gelegte Beitragstäterschaft gemäß § 12 dritter Fall StGB in Anbetracht der limitiert quantitativen Akzessorietät der Beitragstäterschaft (vgl Leukauf/Steininger aaO § 12 RN 50) keine strafbare Handlung darstellt.
Es waren daher die Gesetzesverletzung festzustellen und die Schuldsprüche zu kassieren.
Aus einer vom Obersten Gerichtshof aus Anlaß eines Postfehlberichtes eingeholten Sterbeurkunde ergibt sich, daß der Angeklagte W***** am 22. April 1995 verstorben ist.
Ungeachtet des Todes dieses Angeklagten war der Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung auch in Ansehung seiner Person durchzuführen und über die Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden.
Das Institut der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes dient nämlich seiner Zielsetzung nach auch der Gewährleistung der Richtigkeit und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung (Pallin in Hundert Jahre österreichische Strafprozeßordnung 172; Foregger/Kodek StPO6 433) und ist insoweit von Parteieninteressen losgelöst (Lohsing/Serini Öst Strafprozeßrecht4 603). Diesem Ziel widerspräche es, die Feststellung einer Gesetzwidrigkeit daran zu knüpfen, ob der Angeklagte zum Zeitpunkt der Entscheidung noch am Leben ist (EvBl 1981/67). Dazu kommt, daß der Verurteilte W***** am 26.Jänner 1994 die ihm auferlegten Kosten des Strafverfahrens bezahlte, deren Rückführung an seinen Nachlaß oder seine Erben die Kassation des Schuldspruches zur Voraussetzung hat.
Indes war mit einem Freispruch nur in Ansehung des Angeklagten B***** vorzugehen; bezüglich des verstorbenen Angeklagten W***** war hingegen das Verfahren wegen des mit seinem Tod erloschenen Strafanspruches einzustellen (RZ 1988/8; ÖJZ-LSK 1995/212; Bertel Grundriß4 Rz 285; aM Platzgummer Grundzüge6 74).
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