Spruch:
Dem Angeklagten Franz Rudolf B***** sen. wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche erteilt.
II. zu Recht erkannt:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Franz Rudolf B***** sen. und Franz Rudolf B***** jun. wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 zweiter Fall und § 15 StGB (Punkt I), des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 2 StGB (Punkt II) und (insoweit gemäß § 289 StPO) des Vergehens der Erschleichung einer Leistung nach § 149 Abs. 2 StGB (Punkt IV) sowie demzufolge auch in den Strafaussprüchen und in den Aussprüchen über die Vorhaftanrechnungen, die privatrechtlichen Ansprüche und die Einziehung von 21 Stück Steckschlüssel und Lehren aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerden auch gegen den Schuldspruch Punkt IV gerichtet sind, sowie mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Franz Rudolf B***** sen. und Franz Rudolf B***** jun. auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurden Franz Rudolf B***** sen. und sein am 7.März 1973 geborener, mithin jugendlicher Sohn Franz Rudolf B***** jun. (I) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 zweiter Fall sowie § 15 StGB, (II) des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 2 StGB und (IV) des Vergehens der Erschleichung einer Leistung nach § 149 Abs. 2 StGB sowie außerdem Franz Rudolf B***** sen. (III) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG und Franz Rudolf B***** jun. (V) des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB und (VI) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt der Schuldsprüche, soweit sie Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens sind, haben die Angeklagten
(zu I) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien (gemeint: von schwerem Betrug) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich indem sie jeweils das Zählwerk der Guthabensanzeige von Spielautomaten verstellten und den Automateninhabern Spielgewinne vorspielten, also unter Verwendung eines verfälschten Beweismittels, nachgenannte Personen zu Handlungen verleitet, nämlich zur Auszahlung von Gewinngeldern, die diese am Vermögen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Betrag schädigten, und zwar
1. zwischen April 1988 und April 1989 in R***** in mehrfachen Angriffen den Paul KÖ***** und die Ilse KÖ***** zur Auszahlung von zumindest 300 S,
2. am 14.April 1989 in R***** die Brigitte SCHR***** und den Wolfgang SCHR***** zur Auszahlung einer nicht näher bekannten Gewinnsumme,
3. zwischen Mai 1988 und Dezember 1988 in R***** in mehrfachen Angriffen den Siegfried LI***** zur Auszahlung von zumindest 300 S,
4. im April oder Oktober 1989 (nach der Aktenlage - Beilage 4 zu den Hauptverhandlungsprotokollen - allerdings am 6.Oktober 1988) in G***** den Johann SCHM***** zur Auszahlung von zumindest 300 S, wobei es hinsichtlich weiterer 10.000 S beim Versuch geblieben sei (gemeint: geblieben ist),
5. im April 1989 in G***** die Johanna HU***** zur Auszahlung von zumindest 300 S,
6. zwischen Jänner 1988 und Herbst 1988 in A***** den Franz SCHA***** zur Auszahlung von zumindest 300 S und
7. im Februar 1989 in E***** die Iva LA***** zur Auszahlung von zumindest 300 S;
(zu II) sich durch die im Punkt I beschriebenen Taten gewerbsmäßig an Spielen beteiligt, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen;
(zu IV) teils allein, teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken in den über I hinausgehenden Fällen, in denen kein unredlicher Gewinn ausbezahlt oder zumindest angestrebt wurde, sich die nicht in einer Ware bestehende Leistung von Spielautomaten durch Manipulationen am Zählwerk verschafft, ohne das Entgelt dafür zu entrichten, und zwar
1. in mehreren Angriffen zwischen April 1988 und April 1989 in R***** die Automatenbenutzung zum Nachteil des Paul KÖ***** und der Ilse KÖ*****,
2. am 14.April 1989 in R***** die Automatenbenutzung zum Nachteil der Brigitte SCHR***** und des Wolfgang SCHR*****,
3. im Mai 1988 und Dezember 1988 (gemeint ersichtlich: zwischen Mai und Dezember 1988) in R***** mehrfach die Automatenbenutzung zum Nachteil des Siegfried LI***** und
4. zwischen Jänner 1988 und Herbst 1988 in A***** die Automatenbenutzung zum Nachteil des Franz SCHA*****.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese eben bezeichneten Schuldsprüche richten sich die getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, die jeweils auf § 281 Abs. 1 Z 5 sowie Z 9 lit. a und b StPO gestützt sind. Der Angeklagte Franz Rudolf B***** sen. hat überdies beantragt, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (gegen das Adhäsionserkenntnis) zu erteilen; dieser Antrag wurde (erst) gemeinsam mit den ausgeführten Rechtsmitteln vorgelegt.
Zum Wiedereinsetzungsantrag:
Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichteten Berufung des Angeklagten Franz Rudolf B***** sen., der sich nach der Urteilsverkündung am 6.Dezember 1990, einem Donnerstag, Bedenkzeit vorbehalten hatte, wurde erst am 11.Dezember 1990, einem Dienstag, zur Post gegeben und mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbunden. Darin wird vorgebracht, daß Maria KO*****, eine langjährige, sonst verläßliche Angestellte des Verteidigers dieses Angeklagten, aus einem ihr erstmals unterlaufenen Versehen am Montag, dem 10.Dezember 1990, den zur Postaufgabe bestimmten Schriftsatz mit der Rechtsmittelanmeldung irrtümlich in der dafür vorgesehenen Gerichtspostmappe liegen ließ. In einer eidesstattlichen Erklärung bekräftigte die Genannte dies und beteuerte, daß ihr ein derartiges Versehen in ihrer fest 10jährigen Praxis als Rechtsanwaltssekretärin noch nie unterlaufen sei.
Ausgehend von dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und der Erklärung der Maria KO*****, gegen deren Richtigkeit keine aus den Akten ersichtliche oder notorische Umstände sprechen, war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Rechtsmittelanmeldung zu erteilen, weil demnach die Säumnis auf einem unabwendbaren Umstand beruht, der weder auf ein Verschulden des Wiedereinsetzungswerbers noch auf ein solches seines Vertreters zurückzuführen ist (§ 364 Abs. 1 Z 1 StPO).
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:
Sowohl den Mängelrügen (Z 5) als auch den Feststellungsmängel reklamierenden Rechtsrügen (Z 9 lit. a) kommt Berechtigung zu.
Zur Feststellung eines aus Manipulationen an Spielautomaten resultierenden Betrugsschaden "durch Auszahlung von Gewinngeldern" (Urteilstenor S 218/II) oder "Spielgewinnen" (Entscheidungsgründe S 226/II) brachte das Jugendschöffengericht zum Ausdruck, daß die Aussagen der als Zeugen vernommenen Gastwirte und Kellner von Lokalen, in denen die von den Angeklagten benützten Spielautomaten aufgestellt gewesen waren, "für eine sichere Feststellung der Schadenshöhe bzw. des Umstandes, ob es sich nur bei den ausgezahlten Beträgen auch um ehrliche Spielgewinne handelte", nicht hinreichend tauglich seien (S 232/II), sondern daraus nur eine "gewisse Wahrscheinlichkeit" für eine solche Möglichkeit hervorgehe (S 234/II). Es bezog sich daher hinsichtlich seiner - von der Anklage
abweichenden - Annahme eines eingetretenen Betrugsschadens von jeweils "zumindest 300 S" (in den Schuldspruchfakten A 1 und 3 bis 7) auf die Verantwortung des Angeklagten B***** sen. vor der Gendarmerie (S 25 ff/I), in der dieser noch eine Veränderung des Zählerstandes (über vorhandenes Spielguthaben) im Bereich "mehrerer hundert Schilling" einräumte (S 228, 242/II), wobei das Gericht dies mit "mindestens 300 S" gleichsetzte (S 234/II).
Die demnach vom Jugendschöffengericht bei seinen Überlegungen zum Vermögensschaden als alleinige Grundlage herangezogene Aussage des Angeklagten B***** sen. vor der Gendarmerie stellt sich jedoch unzweifelhaft nur als Geständnis dahin dar, daß er die Guthabenszählerstände der Automaten jeweils um mehrere hundert Schilling zu seinen Gunsten veränderte, nicht aber, daß gerade dadurch Gewinnauszahlungen veranlaßt wurden. Manipulationen zur Ermöglichung weiterer (somit in Wahrheit unbezahlter) Spiele an den Automaten sah das Schöffengericht indes als Erschleichung von Leistungen (Urteilsfaktum IV) an.
Solcherart enthält somit das Ersturteil überhaupt keine tragfähige Begründung für die Annahme eines Betrugsschadens von (jeweils) auch nur "zumindest 300 S".
Geradezu im Gegensatz zu dieser (offenkundig unzureichenden) Begründung der Konstatierung einer Erlistung von nur "zumindest 300 S" steht die weitere Urteilsannahme, daß im einzigen Fall, in dem der Betrug beim Versuch geblieben sein sollte (Schuldspruchfaktum A 4 zweiter Teil), ein Deliktserfolg von 10.000 S hätte erzielt werden sollen. Das Schöffengericht stützte sich dabei zwar nominell auf die Aussage des Zeugen SCHM***** (S 233/II), den es aber unmittelbar zuvor als "sehr unverläßlich insgesamt" beurteilte. Weshalb es aber gerade dem Teil seiner Aussage, der sich auf die angestrebte Beute beim Betrugsversuch bezieht (ersichtlich die nicht niederschriftlich festgehaltenen Angaben vor der Gendarmerie S 267/I; in der Hauptverhandlung berichtete der Zeuge hiezu überhaupt nichts), trotz der erkannten Unverläßlichkeit zu folgen bereit war, unterließ es zu begründen. Daß - was von den Beschwerdeführern gar nicht aufgegriffen wird - der vorgelegte, von SCHM***** unterfertigte "Bierzettel" (Beilage 4 zu den Hauptverhandlungsprotokollen iVm S 147/II) nur einen Guthabensbetrag von 4.000 S aufweist, was das Schöffengericht völlig unerörtert gelassen hat, sei nur am Rande erwähnt.
Zum Schuldspruch wegen des Vergehens des Glücksspiels nach § 164 Abs. 2 StGB rügen beide Beschwerdeführer der Sache nach zutreffend Feststellungsmängel.
Das Jugendschöffengericht beachtete nämlich nicht, daß ein Glücksspiel ua dann nicht pönalisiert ist, wenn bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird (§ 168 Abs. 1 am Ende StGB).
Die Frage, ob um geringe Beträge gespielt wird, ist am Einzelspiel orientiert zu lösen (RZ 1983/52, SSt. 54/22 = EvBl. 1984/39 ua), es sei denn, daß der Spielveranstalter vorsätzlich "Serienspiele" veranlaßt oder zu solchen Gelegenheit bietet (9 Os 137,138/82).
Feststellungen zu diesen Umständen, nämlich insbesondere zu den Einsätzen für ein Einzelspiel und eine allfällige Ermöglichung von "Serienspielen", läßt das angefochtene Urteil zur Gänze vermissen.
Nur am Rande sei der - von den Beschwerdeführern nicht relevierte - Umstand angemerkt, daß das erstgerichtliche Urteil zur Frage der Gewerbsmäßigkeit des Glücksspiels (§ 168 Abs. 2 StGB) überhaupt keine Ausführungen enthält.
Aus den angeführten Erwägungen erweist sich demnach die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Betruges und wegen Glücksspiels unumgänglich.
Mit dieser Kassation war aber auch die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Erschleichung einer Leistung in Anbetracht des engen Sachzusammenhanges im Sinn des § 289 StPO zu verbinden. Zum einen verweist nämlich das Jugendschöffengericht in seinen beweiswürdigenden Erwägungen zum letztbezeichneten Schuldspruch ausdrücklich "auf die Beweiswürdigung und den Umfang der Überlegungen zum Betrug" (S 237/II), welche - wie
aufgezeigt - mit Nichtigkeit behaftet sind, zum zweiten liegt beiden Faktengruppen der Vorwurf einer gleichartigen Tatbegehungsweise zugrunde und zum dritten wurden im erstgerichtlichen Urteil zu den Betrugs- und Leistungserschleichungsfakten, in denen Tatzeiten ab Jänner 1988 einsetzend angenommen wurden, beweiswürdigende Erörterungen zu jenem Teil der Verantwortungen der beiden Angeklagten unterlassen, in denen behauptet worden war, die zu Manipulationen an den Schlössern der Spielautomaten geeigneten Instrumente seien erst im Juli oder August 1988 (S 36/I, 51 verso/I, 53 a/I) oder etwa ein halbes Jahr vor der Verhaftung der Angeklagten, somit im Spätherbst 1988 (S 67/II) oder gar erst im Dezember 1988 (S 25/I, 62/II, 92/II) angeschafft worden.
Da somit auch die Faktengruppe IV aus den zuletzt aufgezeigten Erwägungen von der Kassation umfaßt ist, braucht auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht eingegangen werden; die Beschwerdeführer sind vielmehr insoweit auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Nur am Rande sei bemerkt, daß die Rechtsrügen (Z 9 lit. b) der beiden Angeklagten nicht vom Akteninhalt ausgehen und daher nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt sind (15 Os 66,67/88), soweit sie die Behauptung aufstellen, die erforderlichen Ermächtigungen der Verletzten zur Verfolgung wegen des Vergehens der Erschleichung einer Leistung nach § 149 Abs. 2 StGB lägen nicht vor. Denn sie übergehen, daß Paul KÖ*****, Ilse KÖ*****, Brigitte SCHR*****, Wolfgang SCHR*****, Siegfried LI***** und Franz SCHA***** die Ermächtigung zur Strafverfolgung der beiden Angeklagten wegen der "widerrechtlichen Benutzung von Spielautomaten durch Manipulation am Zählwerk ..... in den Jahren 1988 und 1989" erteilten (S 431 bis 438/I). Diese Ermächtigung ist, wie der Klarstellung halber beigefügt sei, nicht abhängig von einem Anschluß als Privatbeteiligter. Die Zurücknahme des Privatbeteiligtenanspruches durch den Zeugen SCHA***** in der Hauptverhandlung vom 15.Oktober 1990 (S 151/II), auf die der Beschwerdeführer B***** sen. verweist, ist demnach im gegebenen Zusammenhang bedeutungslos.
Folge der Kassation der angeführten Schuldsprüche ist auch die Aufhebung der Strafaussprüche, der Aussprüche über die Anrechnung von Vorhaftzeiten, des Einziehungserkenntnisses (soweit es die Steckschlüsseln und Lehren betritt) und der Adhäsionserkenntnisse (hinsichtlich der Verweisung von Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs. 2 StPO wird jedoch im erneuerten Verfahrensgang das Verschlimmerungsverbot zu beachten sein).
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Der Angeklagte Franz Rudolf B***** sen. brachte nach der von seinem Verteidiger eingereichten Rechtsmittelschrift (S 253 ff/II) einen weiteren, von ihm selbst verfaßten Schriftsatz (S 271 ff/II) beim Erstgericht ein, in welchem der Sache nach der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG (wegen des unbefugten Besitzes einer Tränengasspraydose) angefochten wird.
Auf diesen - in seiner rechtlichen Argumentation ohnedies unzutreffenden (SSt. 43/13 = EvBl. 1972/306, RZ 1977/140
ua) - Schriftsatz war nicht Bedacht zu nehmen, weil die Strafprozeßordnung nur die Ausführung einer einzigen Nichtigkeitsbeschwerde vorsieht, die vorliegend (frist- und formgerecht) vom Verteidiger eingebracht wurde und durch die der Umfang der Anfechtung abschließend bestimmt wird (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 39 a zu § 285 ua).
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