European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128817
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. P* C* von dem wider ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe „am 22. Mai 2017 in S* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit der am 31. August 2018 verstorbenen R* R* Bestandteile ihrer beiden Vermögen beiseite geschafft, indem sie gegenüber der Raiffeisenbank S* eGen anordneten, vom Bankkonto mit der IBAN * (Inhaber Dr. P* C*) den Betrag von 99.535,40 Euro sowie vom Bankkonto mit der IBAN * (Inhaberin R* R*) den Betrag von 282.000 Euro auf das Konto der L* GmbH bei der Raiffeisenlandesbank Tirol AG, Geschäftsstelle Lienz, mit der IBAN * zu überweisen, und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen, nämlich der Republik Italien, in einem 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß von 381.535,40 Euro geschmälert“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 7 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - keine Berechtigung zukommt:
Aus § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO bekämpft die Rechtsmittelwerberin die erstgerichtliche Annahme, wonach „nicht festgestellt werden kann, ob im anklagegegenständlichen Zeitpunkt, und zwar am 22. Mai 2017, eine offene Abgabenschuld des Angeklagten bzw der verstorbenen R* R* gegenüber dem italienischen Staat bestand, sodass in diesem Zusammenhang auch nicht festgestellt werden kann, ob der Angeklagte Bestandteile seines Vermögens beiseite schaffte, indem er die im Tenor angeführte Überweisung in der Höhe von 99.535,40 Euro auf das Konto der 'L* GmbH' veranlasste, und hiedurch die Befriedigung seiner Gläubiger, hiebei insbesondere der Republik Italien, schmälerte und dadurch dieser ein Schaden entstand“ (US 5). Sie wendet – an sich zutreffend – ein, dass der Inhalt nicht in einer gerichtsüblichen Sprache abgefasster Schriftstücke – wie hier des vom Verteidiger des Angeklagten vorgelegten, ausschließlich in italienischer Sprache im Akt erliegenden „Einstellungsbeschlusses“ sowie des nur teilweise übersetzten „Beschlusses über die Aufhebung der Beschlagnahme/Sicherstellung“ (ON 71) – ungeachtet der Protokollierung des Referats der relevanten Aktenteile (vgl ON 74 S 16) nicht zum Gegenstand des Beweisverfahrens genommen werden konnte (RIS‑Justiz RS0118316 [T10, T13]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 427). Indem das Schöffengericht diese Dokumente in den Entscheidungsgründen der Sicherstellungsanordnung des Gerichts in Bologna gegenüberstellte (US 8 f), habe es die angefochtene Negativfeststellung auf ein in der Hauptverhandlung nicht vorgekommenes Beweismittel gegründet (Z 5 vierter Fall; RIS‑Justiz RS0113209).
Die Staatsanwaltschaft übersieht jedoch, dass für ein zum Nachteil des Angeklagten mit Mängelrüge geltend gemachtes Verwertungsverbot ohne „vorwirkendes“ Erhebungsverbot wie vorliegend in Betreff der beweiswürdigenden Verwertung eines in der Hauptverhandlung nicht vorgekommenen Beweismittels, nicht schon der Wegfall der vollen Überzeugung vom Vorliegen einer entscheidenden Tatsache genügt, sondern vielmehr erforderlich ist, dass die Tatrichter bei Beachtung des Verbots die volle Überzeugung vom Vorliegen der von der Mängelrüge angesprochenen entscheidenden Tatsachen erlangt, mithin sämtliche Zweifel daran verworfen hätten (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 72).
Dass diese Voraussetzung fallbezogen erfüllt sei, behauptet die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, „es wäre auch ein gewichtiger Grund für die getroffene Negativfeststellung weggefallen“, „hätte das Erstgericht den vermeintlichen Einstellungsbeschluss außer Acht gelassen“, nicht einmal. Ein solcher Schluss kann aus Sicht des Obersten Gerichtshofs aus den Entscheidungsgründen, wonach in diesem Zusammenhang „auch“ auf den vom Verteidiger vorgelegten Einstellungsbeschluss und den Beschluss über die Aufhebung der Beschlagnahme/Sicherstellung (ON 71) zu verweisen sei (US 8 f), gezogen werden.
Die demgemäß erfolglos beanstandete Konstatierung steht dem von der Nichtigkeitswerberin angestrebten anklagekonformen Schuldspruch jedenfalls entgegen, sodass der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) sowie den reklamierten Feststellungsmängeln (Z 9 lit a) die Grundlage entzogen ist.
Die das Fehlen der Erledigung des Antrags auf Verfall nach § 20 Abs 1 StGB beanstandende Rüge (Z 7) nimmt nicht Maß am angefochtenen Urteil, welches die Voraussetzungen des Verfalls verneinte (US 10; vgl RIS‑Justiz RS0099643; RS0116266 [T9, T10]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 503).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO; vgl §§ 443 Abs 3, 446 StPO).
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