OGH 15Os19/94

OGH15Os19/943.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heimo M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26.November 1993, GZ 5 Vr 2075/93-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heimo M***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 7. Juli 1993 in Graz (zu ergänzen: außer dem Fall des Abs. 1) Waltraud E***** in mehrfachen Angriffen mit Gewalt dadurch, daß er sie unter Einsatz seiner überlegenen Körperkraft an den Schultern erfaßte und über eine Mauer beugte, ihren Kopf festhielt und nach unten drückte, zur Duldung des Beischlafes und zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich des Oralverkehrs, genötigt hat.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon aus formellen Gründen. Nach dem Inhalt des (vollen Beweis machenden) Hauptverhandlungsprotokolls (S 209 unten bis 210 oben), dessen Berichtigung der Angeklagte nicht begehrt hat, wurde nämlich die vom Verteidiger an den gerichtsmedizinischen Sachverständigen gestellten Frage - der Beschwerde zuwider - nicht "nach Umfrage sämtlicher Senatsmitglieder", demnach nicht durch Beschluß des Gerichtshofes, sondern bloß durch eine prozeßleitende Verfügung des Vorsitzenden nicht zugelassen. Bei der gegebenen Sachlage wäre es aber für die erfolgreiche Geltendmachung dieses Anfechtungspunktes Sache des Verteidiges gewesen, über die Zulässigkeit seiner Frage eine Beschlußfassung des ganzen Schöffengerichtes zu beantragen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 ENr. 6 und 7). Da er dies verabsäumt hat, mangelt es an der Beschwerdelegitimation.

Aber davon abgesehen konnte durch die gerügte Beschränkung des Fragerechtes schon deshalb keine Verletzung von Verteidigungsrechten bewirkt werden, weil der Sachverständige bei der mündlichen Erörterung seiner schriftlichen Expertise (vgl. S 113 iVm 207 oben) ohnehin von sich aus die relevierte (nach Lage des Falles gar nicht entscheidende) Frage beantwortet hat, daß nämlich allein vom medizinischen Standpunkt aus nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, daß eine Vergewaltigung bzw. ein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat.

Mit den Argumenten in der Mängelrüge (Z 5) wird kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt, sondern in Wahrheit bloß - auf der Basis eigenwilliger und hypothetischer Überlegungen - die Täterschaft des Angeklagten bestritten. Zum einen (Punkt 2.a der Beschwerdeschrift) ist das Erstgericht der in § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierten Pflicht, im Urteil in gedrängter Form die als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen (US 4-8) und die zu seiner Überzeugung führenden Gründe anzuführen (US 8-13), in formal mängelfreier Form nachgekommen; es war dabei nicht gehalten, jeden einzelnen vom Angeklagten vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 5 ENr. 6-8). Zum andern (Punkt 2.b) ist es fallbezogen nicht entscheidend (weil weder für die Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz maßgebend), ob die "Vergewaltigung über eine Stunde" gedauert, oder ob der mehrfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte - wie der Schöffensenat beweiswürdigend annimmt (US 6 Mitte) - nach "einer halben Stunde" von seinem Opfer abgelassen hat, und wieviele Stunden der Beschwerdeführer nachher noch am Tatort verblieben ist. Im übrigen kann die Richtigkeit eines auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlusses unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 5 ENr. 191), wobei der Beschwerdeführer den Begriff der Aktenwidrigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder aaO E 185, 191), verkennt.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) versagt. Das Schöffengericht hat die Annahmen zur subjektiven und objektiven Tatseite des in Rede stehenden Verbrechens auf der Grundlage der gesamten Verfahrensergebnisse und des persönlich gewonnenen Eindrucks getroffen. Dabei hat es sich nicht nur mit der dem Beschwerdeführer belastenden Aussage der (einzigen) Tatzeugin E***** eingehend und kritisch auseinandergesetzt, sondern auch plausibel begründet, warum es diese für glaubwürdig hielt, die leugnende Verantwortung des Angeklagten hingegen als unglaubwürdig verwarf. Mit dem Einwand aber, die Bekundungen des unter Eid vernommen Zeugen Johann S***** über eine angeblich Mitte Juli 1993 ihm gegenüber gemachten Äußerung der Waltraud E***** und die Aussagen der Zeugen Peter W***** und Mario O***** über ihre Wahrnehmungen nach der Tat fernab vom Tatort - mit denen sich das Erstgericht in den Urteilsgründen ohnedies ausführlich auseinandersetzt (US 8-11) - seien glaubwürdig, vermag der Nichtigkeitswerber keine sich aus den Akten ergebende Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Natur - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken, zumal eine prozeßordnungsgemäße Tatsachenrüge nicht in der Behauptung bestehen kann, vom Erstgericht als glaubwürdig angesehene Aussagen seien unglaubwürdig oder umgekehrt für unglaubwürdig gehaltene Aussagen seien dennoch glaubhaft (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 5 a E 4).

Für die Beurteilung einer - wenngleich unter Eid abgelegten - Zeugenaussage ist im übrigen unerheblich, ob von der - fakultativen - Norm des § 277 StPO über die Aufnahme eines gesonderten Protokolls Gebrauch gemacht wurde und daß - was der Beschwerdeführer als unzulässige Neuerung vorbringt - die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung wegen des Verdachtes der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB (bisher) nicht gestellt hat.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO; § 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz (§ 285 i StPO).

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