European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00001.9500000.0202.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Franz J* des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit von Mai 1989 bis Anfang März 1993 in sechs, im Urteilsspruch einzeln angeführten Fällen in Gattendorf als Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostens Gattendorf mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf Einleitung und Durchführung eines gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens bzw bei bekannten Tätern auf Verhängung gerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Strafen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht hat, daß er Anzeigen über anzeigepflichtige Vorfälle nicht erstattete bzw Schriftstücke nicht weiterleitete, sodaß die den Anzeigen zugrundeliegenden Taten verjährten.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird; der Strafausspruch blieb unangefochten.
Sofern der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) "entsprechende zeitliche Feststellungen" zur Frage der Verjährung der den verfahrensgegenständlichen Anzeigen zugrundeliegenden Taten vermißt, waren solche Konstatierungen nicht geboten. Das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt ist nämlich bereits mit dem Befugnismißbrauch vollendet; der vom Täter beabsichtigte Schaden muß demnach gar nicht eingetreten sein; der Täter ist sogar dann nach § 302 StGB strafbar, wenn der Schaden, den er in seinen Vorsatz aufgenommen hat, gar nicht eintreten kann (Leukauf/Steininger Komm3 RN 42; Bertel in WK Rz 116 f, je zu § 302). Nach Lage des Falls war daher das Verbrechen bereits mit der Nichterstattung von Anzeigen anzeigepflichtiger Vorfälle sowie der Nichtweiterleitung der Schriftstücke vollendet.
Aus diesem Grund kommt auch der festgestellten Tatsache, daß der Angeklagte die im Schuldspruch bezeichneten Akten zur Verschleierung der bereits verübten Taten zu Unrecht im Protokollbuch als erledigt eingetragen hat, ebensowenig eine entscheidende, das ist für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebliche, Bedeutung zu wie dem Umstand, wann diese Eintragungen vorgenommen worden waren.
Keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, indem er behauptet, er habe auf Grund einer schweren psychischen Beeinträchtigung oft nichts weitergebracht oder sei jedenfalls mit seiner Arbeit nicht entsprechend vorangekommen, dadurch sei ein Aktenrückstand entstanden, er sei zwar in dumpfer Befürchtung gewesen, es werde einmal zu einer Katastrophe kommen, er habe aber nie in bezug auf einen bestimmten Akt gedacht, daß dieser wegen sonstiger Verjährung sofort erledigt werden müßte, er habe auch ganz allgemein nie billigend in Kauf genommen, daß es zu irgendeiner Verjährung komme, sondern sich in einem rational nicht ganz faßbaren Schwebezustand zwischen der vorerwähnten Befürchtung und der Hoffnung, daß doch nichts geschehen werde, befunden. Denn damit wird lediglich nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die (die subjektive Tatseite in Abrede stellende) Verantwortung des Angeklagten, der das Schöffengericht im Ergebnis nicht folgte, wiederholt und solcherart bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter in unzulässiger Weise bekämpft, aber kein formaler Begründungsmangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufgezeigt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht ‑ was eine gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes zur Voraussetzung hat ‑ den im Urteil festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht. Indem der Angeklagte nach einem Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 5. Februar 1976, "12 Os 178/75" (richtig: 12 Os 158/75 = JBl 1976,379 = EvBl 1976/262) als eigentliche Ursache für seine Malversationen seine psychisch bedingte verminderte Leistungsfähigkeit ins Treffen führt und "das Fehlen bestimmter Feststellungen über bewußte Entschlüsse zur Erfolgsunterlassung" moniert sowie die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite als "bloße formelhafte Wendungen, welchen kein konkretes Sachverhaltssubstrat zugrunde liegt" bezeichnet und überdies Schädigungsvorsatz in Abrede stellt, übergeht er die Urteilsfeststellungen, daß er zwar im ärztlich‑medizinischen, psychiatrischen, nicht jedoch in strafrechtlich relevantem Sinn an einer Persönlichkeitsfehlhaltung leidet, die aber jederzeit rational kontrollierbar ist, und er daher in der Lage war, das Unrechtmäßige der ihm vorgeworfenen Saumsal und Deckungshandlungen zu erkennen sowie dieser Einsicht gemäß zu handeln (US 6), daß ihm auf Grund seiner Ausbildung und Berufserfahrung bewußt war, daß durch das Unterlassen der Verständigung der Strafverfolgungsbehörden die Einleitung des gesetzlich erforderlichen Strafverfahrens hintangehalten wurde, sodaß Täter von verwaltungsrechtlich oder gerichtlich strafbaren Handlungen nicht bestraft werden konnten und daß er hiebei durch Nichterstattung der Anzeigen über anzeigenpflichtige Vorfälle wissentlich seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, mißbrauchte, wobei er den Schadenseintritt (Verjährung) "zumindest billigend in Kauf nahm" (US 7).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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