OGH 15Os191/94

OGH15Os191/942.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Köttner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marcel R***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.August 1994, GZ 4 d Vr 745/94-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcel R***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall SGG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (I.) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (II.) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt zur Last, in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider

(zu I.) im Juli 1993 zur Inverkehrsetzung einer großen Menge Suchtgift durch den abgesondert verfolgten Gerhard W***** beigetragen zu haben, indem er den Verkauf von insgesamt ca 12,25 Gramm Heroin an unausgeforscht gebliebene Suchtgiftabnehmer vermittelte;

(zu II.) von Juli 1993 bis 3.April 1994 wiederholt Suchtgift, nämlich Heroin, erworben und besessen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach gegen den Schuldspruch zu I. richtet sich die vom Angeklagten auf die Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Entgegen dem Einwand in der Mängelrüge (Z 5) zum Suchtgiftverbrechen (I.) läßt sich die (an sich unanfechtbare) erstgerichtliche Schlußfolgerung (US 4 unten bis US 5 oben), wonach sich für einen Zeitraum von drei Wochen eine vom Angeklagten vermittelte Suchtgiftmenge von ca 12,25 Gramm Heroin errechnet, aus den (vorangehenden) Konstatierungen (US 4 letzter Absatz) nachvollziehen, denenzufolge der Angeklagte nach seinem eigenen Geständnis (78, 149 f, 237) in einem Zeitraum von ca drei Wochen (das sind ca 21 Tage) dem Gerhard W***** jeden zweiten Tag drei bis vier Suchtgiftinteressenten vermittelte, die diesem jeweils zwischen 0,2 und 0,5 Gramm Heroin abkauften. Man braucht nämlich nur - wie es die Tatrichter ersichtlich und auch zulässigerweise getan haben - das arithmetische Mittel aus den vier Suchtgiftmengen zu ziehen, die sich aus den Mindest- und Maximalgrößen für zehn Tage errechnen, nämlich:

3 Kunden pro Tag = 30 x 0,2 Gramm = 6 Gramm

4 Kunden pro Tag = 40 x 0,2 Gramm = 8 Gramm

3 Kunden pro Tag = 30 x 0,5 Gramm = 15 Gramm

4 Kunden pro Tag = 40 x 0,5 Gramm = 20 Gramm

Summe 49 Gramm

49 Gramm : 4 = 12,25 Gramm;

oder: 3,5 Kunden x 0,35 Gramm = 1,225 Gramm x 10 Tage = 12,25 Gramm.

Die - obschon nicht näher begründete Urteilsannahme, daß in diesen 12,25 Gramm Heroin soviel Reinsubstanz enthalten ist, daß damit die Grenzmenge von 1,5 Gramm Reinsubstanz überschritten wurde, blieb unangefochten.

Fehl geht der weitere Beschwerdevorwurf (Z 11), über das in Punkt I. des Urteilsspruchs inkriminierte Suchtgiftverbrechen "hätte richtigerweise bereits im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien [vom 12.August 1993], 6 e Vr 6274/93, Hv 3299/93, abgesprochen werden müssen", während "mit dem gegenständlichen Urteil lediglich über den Vorwurf des Erwerbens und Besitzes von Heroin gemäß § 16 Abs 1 SGG abzusprechen ist".

Den zutreffenden erstgerichtlichen Urteilsgründen (US 8 zweiter Absatz) sei zur Verdeutlichung noch hinzugefügt:

Ist ein Rechtsbrecher wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden und stellt sich nachträglich heraus, daß er vor diesem Urteil noch eine andere Straftat (oder mehrere Straftaten) begangen hat, kann das Absorptionsprinzip (§ 28 Abs 1 StGB) naturgemäß nicht mehr wirksam werden, weil der Rechtsbrecher wegen einer der insgesamt zusammentreffenden strafbaren Handlungen bereits bestraft wurde. Für solche Fälle stellt § 31 StGB die Anwendung der Grundsätze des Absorptionsprinzips sicher (Leukauf/Steininger Komm3 § 31 RN 1). Unabdingbare Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 31 StGB ist jedoch, daß alle in einem Urteil zur Aburteilung gelangenden Straftaten vor der Fällung des früheren Urteils begangen worden sind. Demnach kommt eine Bedachtnahme gemäß § 31 StGB dann nicht in Betracht, wenn der Angeklagte - wie vorliegend - mehrerer Straftaten schuldig erkannt wird, die er teils vor, teils nach Fällung des früheren Urteils begangen hat (Leukauf/Steininger aaO RN 12).

Zudem ist (auf den konkreten Fall bezogen) gemäß § 56 Abs 1 StPO, falls demselben Beschuldigten (Angeklagten) mehrere strafbare Handlungen zur Last liegen, in der Regel (von den hier nicht in Frage kommenden Ausnahmen des § 57 Abs 1 StPO abgesehen) das Strafverfahren wegen aller dieser strafbaren Handlungen bei demselben Gerichte gleichzeitig zu führen und über alle zusammentreffenden Strafsachen ein Endurteil zu fällen.

All diesen gesetzlichen Vorschriften hat das Schöffengericht - der Beschwerde zuwider - Rechnung getragen, weshalb auch die Strafzumessungsrüge versagen muß.

Aus den dargelegten Gründen war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285 i StPO).

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