OGH 15Os19/18k

OGH15Os19/18k23.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Dietmar L***** wegen der Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 iVm Abs 1 letzter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 1. Dezember 2017, GZ 601 Hv 15/17g‑26, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00019.18K.0523.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I./ erfassten Taten auch unter die Qualifikation nach § 269 Abs 1 letzter Fall StGB sowie der vom Schuldspruch II./ erfassten Taten auch unter § 145 Abs 1 Z 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Dietmar L***** jeweils mehrerer Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 vierter Fall iVm Abs 1 letzter Fall StGB (I./) sowie der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in S*****

I./ nachgenannte Beamte durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz (§ 106 Abs 1 Z 1 StGB) zu Amtshandlungen, nämlich der „StPO‑konformen Durchführung“ des gegen ihn anhängigen Strafverfahrens, der Forderung seiner „unverzüglichen Freilassung“, der „Erlassung von Straf‑ und Haftbefehlen“ sowie der „strafrechtlichen Aufklärung des Mega‑Skandals“ der angeblichen „Umgründung der Republik Österreich in eine Firma“ und Verhängung der „Höchststrafe in allen Anklagepunkten“, zu nötigen versucht, indem er in einem an die Oberstaatsanwaltschaft ***** gerichteten sogenannten „Geschäftsschreiben“, datiert mit 22. April 2017, unter anderem mitteilte: „Für die roten‑Samt‑Kragen‑Träger zu Gericht wird es nun, neben den purpur‑Samt‑Kragen‑Träger zu Gericht sehr gefährlich!“ und sinngemäß ausführte, die Genannten seien seine Schuldner, wobei er auf die angeschlossenen Rechnungen verwies, in denen sich jeweils der Passus findet: „Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen lt. UCC wurden vom Gläubiger klar definiert!“, sohin mit einer Eintragung im Register zum Uniform Commercial Code des Washingtons State Department of Licensing drohte, und zwar:

1./ den Leitenden Staatsanwalt ***** unter Anschluss einer Rechnung vom 23. April 2017 mit einer Forderung über 3.000.000.000 Euro, weiters der dreifachen Summe von 9.000.000.000 Euro sowie der „letztmaligen Mahnung“ weiterer Rechnungen über insgesamt 2.211.300.000 Euro;

2./ den Ersten Oberstaatsanwalt ***** unter Anschluss einer Rechnung vom 23. April 2017 mit einer Forderung über 500.000.000 Euro, weiters der dreifachen Summe von 1.500.000.000 Euro sowie der „letztmaligen Mahnung“ weiterer Rechnungen über insgesamt 879.135.000 Euro;

3./ den Oberstaatsanwalt ***** unter Anschluss einer Rechnung vom 23. April 2017 mit einer Forderung über 300.000.000 Euro, weiters der dreifachen Summe von 900.000.000 Euro sowie der „letztmaligen Mahnung“ weiterer Rechnungen über insgesamt 890.385.000 Euro;

4./ den Staatsanwalt ***** unter Anschluss einer Rechnung vom 23. April 2017 mit einer Forderung über 300.000.000 Euro, weiters der dreifachen Summe von 900.000.000 Euro, sowie der „letztmaligen Mahnung“ weiterer Rechnungen über gesamt 544.200.000 Euro;

II./ durch die zu Punkt I./ bezeichneten Taten die genannten Personen durch gefährliche Drohungen mit der Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz zu Handlungen zu nötigen versucht, die diese am Vermögen schädigen sollten, nämlich zur Überweisung oder Übergabe der angeführten Beträge, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Soweit die Mängelrüge die Urteilsannahmen betreffend die Zugehörigkeit des Angeklagten zur staatsfeindlichen Verbindung OPPT als undeutlich (Z 5 erster Fall) und unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, bezieht sie sich nicht auf eine entscheidende, also schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsache, und verfehlt damit den Bezugspunkt der Anfechtung (RIS-Justiz RS0106268).

Die Behauptung einer Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellung, wonach in allen vier Rechnungen der Passus „Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen lt. UCC wurden vom Gläubiger klar definiert.“ enthalten war (US 6), übergeht die Konstatierung, wonach der Angeklagte damit die Eintragung der angesprochenen Personen und der vermeintlich gegen diese bestehenden Forderungen im UCC-Register ankündigte (US 6 f, 11), woraus im Urteil näher beschriebene Konsequenzen drohten (US 4 f, 9 f, 11); solcherart orientiert sich die Rüge prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370).

Das Beschwerdevorbringen, „aus dieser unklaren Formulierung“ könne keine gefährliche Drohung abgeleitet werden (Z 9 lit a, nominell auch Z 5), entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116569), weil es nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ableitet, weshalb die – von der Beschwerde übergangenen – Konstatierungen zu Sinn und Bedeutungsinhalt sowie zur Ernstlichkeit der inkriminierten schriftlichen Äußerungen (US 6 f iVm 4 f; vgl auch US 9 f, 11) die rechtliche Annahme einer gefährlichen Drohung (mit einer Verletzung am Vermögen) im Sinn des § 74 Abs 1 Z 5 StGB nicht tragen sollten.

Die Behauptung, der Angeklagte hätte niemals Geld fordern wollen, sondern es sei ihm lediglich um die Aufklärung erlittenen Unrechtsgegangen, übergeht die gegenteiligen Urteilskonstatierungen (US 7, 10, 12).

Dass es sich bei sämtlichen Taten um absolut untaugliche Versuche (§ 15 Abs 3 StGB) gehandelt habe, wird von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) bloß behauptet, jedoch nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts oder unter Geltendmachung eines Feststellungsmangels aus dem Gesetz abgeleitet.

Indem der Beschwerdeführer die Eignung der Drohungen, den Adressaten begründete Besorgnis um ihre wirtschaftliche Existenz einzuflößen, bestreitet (nominell Z 5, der Sache nach Z 10), macht er hingegen im Ergebnis zutreffend geltend, dass das Urteil keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme qualifizierter Drohungen iSd § 106 Abs 1 Z 1 StGB und des § 145 Abs 1 Z 1 StGB und somit für die Subsumtion der von I./ erfassten Taten unter § 269 Abs 2 iVm Abs 1 letzter Fall StGB und der von II./ erfassten Taten unter § 145 Abs 1 Z 1 StGB enthält:

Für die Annahme einer Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz bedarf es konkreter Feststellungen sowohl zum objektiven Sachverhalt (wirtschaftliche Verhältnisse der Bedrohten sowie zu befürchtende Höhe des Vermögensschadens [vgl RIS‑Justiz RS0131845]) als auch zum darauf bezogenen Vorsatz des Täters (vgl RIS-Justiz RS0094007, RS0094015; Eder-Rieder in WK² StGB § 145 Rz 3/2, Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 7; 17 Os 25/17f). Die vom Schöffengericht unter Verwendung der verba legalia getroffenen Annahmen zu Drohungen mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz (vgl US 6 f) stellen den erforderlichen Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090) betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedrohten nicht her und vermögen solcherart die Subsumtion unter die angeführten Deliktsqualifikationen nicht zu tragen.

Es war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I./ erfassten Taten auch unter § 269 Abs 2 iVm Abs 1 letzter Fall StGB sowie der vom Schuldspruch II./ erfassten Taten auch unter § 145 Abs 1 Z 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg zu verweisen (§ 285e StPO).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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