Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mirko B***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 28.August 1991 in Linz (im einverständlichen Zusammenwirken) mit dem inzwischen (zufolge Selbstmordes) verstorbenen Ivica P***** als Mittäter (der Kellnerin) Helene F***** dadurch, daß er ihr eine Kellnerbrieftasche mit einem Betrag von 19.151 S entriß, während Ivica P***** eine Pistole gegen die "weiteren" Lokalgäste richtete, mit Gewalt gegen ihre Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten gegen den Schuldspruch erhobene, auf § 345 Abs. 1 Z 8 und 10 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die Annahme der Raubqualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB; ihr kommt keine Berechtigung zu.
In der Instruktionsrüge (Z 8) bemängelt der Beschwerdeführer zunächst die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung als unvollständig, weil die Frage der Deliktsvollendung des Raubes nicht erörtert worden sei und die Geschworenen deshalb im Unklaren darüber gelassen worden seien, daß die Verwendung einer Waffe nach erfolgtem Gewahrsamsbruch zur bloßen Ermöglichung der Flucht des Täters nicht die Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB zu begründen vermag.
Dieser Einwand versagt.
Die Sachwegnahme ist nämlich beim Raub - gleichwie beim
Diebstahl - nicht bereits dann erfolgt, wenn der Täter die Sache
ergriffen hat, sondern erst dann, wenn sie aus dem tatsächlichen
Machtbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers entfernt wurde
(SSt. 52/7 = EvBl. 1981/165 a; SSt. 55/80 = EvBl. 1985/83;
JBl. 1982, 550; SSt. 55/13; EvBl. 1985/6 = JBl. 1985, 53;
SSt. 56/86; SSt. 46/9 = EvBl. 1975/212 = RZ 1975/32; SSt. 47/6
uvam). Das (bloße) Entreißen einer Sache ohne ins Gewicht fallende räumliche Veränderung bedeutet somit noch keinen Gewahrsamsverlust des bisherigen Inhabers (ÖJZ-LSK 1979/328). Wird demnach die Waffe als Gewalt- oder Drohmittel in einer Phase eingesetzt, in der der Täter zwar die Sache schon ergriffen, aber noch nicht aus dem tatsächlichen Machtbereich entzogen hat - was insbesondere dann zutrifft, wenn das Tatopfer die Sache noch festhält und daran zerrt -, sind die Voraussetzungen des § 143 zweiter Fall StGB gegeben (vgl. dazu Kienapfel, BT II2, § 143 StGB, Rz 30 und 32 sowie Zipf, WK, § 143 StGB, Rz 9 und 10; ebenso ÖJZ-LSK 1979/328 ua). Auf diese Erfordernisse für die Annahme der betreffenden Deliktsqualifikation wird in der Rechtsbelehrung aber ausdrücklich hingewiesen und zur Verdeutlichung dieser Ausführungen noch betont, daß ein bewaffneter Raub (unter anderem) auch dann nicht vorliegt, wenn die Waffe erst nach der eigentlichen Tathandlung und deutlich getrennt von dieser verwendet wurde (S 203 und 205). Damit wurde der vom Gesetz geforderte Zusammenhang zwischen der Verwendung der Waffe und der Gewaltanwendung oder Drohung hinreichend klargestellt, sodaß es der vom Nichtigkeitswerber vermißten (weiteren) Rechtsausführungen nicht bedurfte. Von der behaupteten Eignung der Rechtsbelehrung, die Geschworenen durch Unvollständigkeit irrezuführen, kann daher keine Rede sein.
Soweit der Nichtigkeitswerber ein den Geschworenen im vorliegenden Zusammenhang unterlaufenes Mißverständnis über die - indes objektiv richtige - Rechtsbelehrung aus der in der Niederschrift ihrer Erwägungen zur Hauptfrage nach schwerem Raub aufscheinenden Passage abzuleiten sucht, wonach der Raub nur durch den Einsatz der Pistole habe durchgeführt werden können (S 179), erschöpft sich seine Argumentation im Versuch einer unbeachtlichen (Mayerhofer-Rieder StPO3, § 345 Abs. 1 Z 8 E 6) Interpretation der Niederschrift über die Erwägungen der Geschworenen.
Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen enthält die Rechtsbelehrung aber auch keine der Prozeßordnung widersprechende Bezugnahme auf das konkrete Tatgeschehen. Gegenstand der Rechtsbelehrung ist (zwar) gemäß § 321 Abs. 2 StPO ausschließlich die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, weshalb sich die Rechtsbelehrung auf die Erörterung von Rechtsbegriffen im Rahmen der Fragestellung an die Geschworenen zu beschränken und auf die allein für die Beweiswürdigung relevanten tatsächlichen Umstände des zur Beurteilung stehenden Falles nicht einzugehen hat (vgl. Mayerhofer-Rieder, aaO E 14 bis 19). Zu den auf Grund der Fragestellung aktuellen und daher auch in der Rechtsbelehrung zu berücksichtigenden rechtlichen Begriffen zählt jedoch bei der vorliegenden Fallkonstellation, nämlich einem (in sämtlichen Fragen an die Geschworenen enthaltenen) Handeln des Beschwerdeführers im einverständlichen Zusammenwirken mit einem Mittäter, auch der Begriff der Mittäterschaft in bezug auf einen bewaffneten Raub (§§ 12 erster Fall iVm § 143 zweiter Fall StGB). Diesem Erfordernis wird von der Rechtsbelehrung (S 205 f) Genüge getan, indem darin - zum Teil wörtlich einem Kommentar folgend (vgl. Zipf WK, § 143 StGB, Rz 11) - rechtsrichtig die verschiedenen Möglichkeiten der Herstellung eines Konsenses zwischen den Tätern über die Verwendung einer Waffe bei der Tat erörtert werden (vgl. neuerlich Zipf aaO und Kienapfel BT II2, § 143 StGB, Rz 32 und 34). Der Beschwerde zuwider wird durch den in der Rechtsbelehrung des weiteren enthaltenen Hinweis auf die Haftung sämtlicher Tatbeteiligten nach § 143 zweiter Fall StGB auch bei der einem gemeinsamen Tatplan entsprechenden Verwendung einer Waffe durch einen Beteiligten ohne Wahrnehmung durch den anderen Beteiligten (etwa) im Falle der Bedrängnis (in der Rechtsbelehrung als "Auftreten von Komplikationen" bezeichnet - S 205) kein beweiswürdigender Vorgriff auf die den Geschworenen obliegende Lösung der Tatfrage vorgenommen.
Die Instruktionsrüge versagt somit.
Mit der Tatsachenrüge (Z 10 a) hinwieder vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen aufzuzeigen.
Denn die Beschwerdeargumentation, der zufolge die Waffenverwendung vereinbarungsgemäß bloß der Sicherstellung der Flucht der Täter dienen sollte, findet nicht einmal in der Verantwortung des Angeklagten uneingeschränkt Deckung, weil dieser (jedenfalls auch) angegeben hat, daß nach dem gemeinschaftlichen Tatplan die von seinem Komplizen mitgeführte Waffe zur Einschüchterung anderer im Falle des Auftretens von "Problemen" oder von "Schwierigkeiten" verwendet werden sollte (S 45, 66, 68 und 150), ohne dabei zwischen den einzelnen Phasen des Tatgeschehens zu differenzieren.
Für den Standpunkt des Nichtigkeitswerbers ist aber auch aus den Aussagen der Zeugin F***** nichts zu gewinnen, weil diese nicht erst bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 26. November 1991 (S 154 ff) - in deren Rahmen sie auch eine abweichende Protokollierung ihrer Tatschilderung durch die Polizei als unrichtig bezeichnete (S 156 iVm S 29) -, sondern schon vor dem Untersuchungsrichter (S 74) ausdrücklich deponierte, die von ihr zunächst noch festgehaltene Brieftasche erst losgelassen zu haben, als sie die Pistole sah. Die - nach den Erwägungen zur Rüge der Rechtsbelehrung bei gegebenem Tatplan nicht entscheidenden - Angaben dieser Zeugin in der Hauptverhandlung (nicht wie die Beschwerde irrig angibt, vor der Polizei - siehe S 155), sie "glaube", der Angeklagte habe die von seinem Komplizen gezogene Waffe nicht gesehen, gründet sich überdies auf bloße Mutmaßungen und nicht auf eine Wahrnehmung der Zeugin.
Gleiches gilt für das lediglich als Schlußfolgerung anzusehende Vorbringen des Zeugen R***** (die Beschwerde ordnet diese Angaben versehentlich dem Zeugen K***** zu), nach seinem Verständnis hätten die beiden Täter die Pistole für die Flucht gebraucht (S 160).
Der Zeuge K***** hinwieder konnte wegen seiner Kurzsichtigkeit die Wegnahme der Brieftasche durch den Nichtigkeitswerber gar nicht wahrnehmen (S 79 und 158) und daher auch dessen Behauptung nicht bestätigen, daß es erst zur Waffenverwendung gekommen sei, nachdem die Zeugin F***** (endgültig) den Gewahrsam an der Brieftasche verloren hatte.
Schließlich trifft auch nicht zu, daß das Erstgericht seine Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs. 2, 254 und 302 StPO) verletzt hätte. Welcher Erhebungen, deren Ergebnis die Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB in Frage zu stellen geeignet gewesen wäre, es noch bedurft hätte, ist nämlich der Tatsachenrüge nicht zu entnehmen, und es waren zielführende Maßnahmen dieser Art auch durch die Aktenlage nicht indiziert.
Die Argumentation der Tatsachenrüge erschöpft sich somit insgesamt betrachtet in einer - weitgehend nicht einmal aktengetreuen - Erörterung des Beweiswertes einzelner Verfahrensergebnisse, womit aber der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 41 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung keinen Umstand als erschwerend, dagegen die Unbescholtenheit des Angeklagten, ein weitgehendes Geständnis und die objektive Schadensgutmachung (die Zustandebringung des Großteils der Raubbeute) als mildernd.
Der eine Strafherabsetzung und eine teilbedingte Strafnachsicht gemäß § 43 a Abs. 4 StGB anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Von einer vom Berufungswerber als weiteren Milderungsgrund reklamierten untergeordneten Tatbeteiligung kann schon angesichts des Umstandes, daß er der Kellnerin die Brieftasche wegnahm, somit entscheidend zur Sachwegnahme beitrug, keine Rede sein.
Die Strafzumessungsgründe wurden vielmehr vom Geschworenengericht vollständig und richtig festgestellt. Dem Überwiegen der Milderungsumstände wurde durch die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung hinreichend Rechnung getragen. Die verhängte Strafe entspricht der personalen Täterschuld und dem Unwert der Tat.
Eine teilbedingte Strafnachsicht kommt aber demnach schon in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.
Auch der Berufung des Angeklagten war somit ein Erfolg zu versagen.
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