OGH 15Os17/88

OGH15Os17/8815.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter H*** wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 3, Abs 2 lit a sowie 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde (und die Berufung) des Angeklagten (sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18.August 1987, GZ 10 Vr 3371/86-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 285 i StPO werden die Akten zur Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch die Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Gebrauchtwagenhändler Walter H*** des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 3, Abs 2 lit a sowie 13 FinStrG schuldig erkannt, weil er in Feldbach vorsätzlich (1) in den Jahren (gemeint für die Jahre) 1979 bis 1982 unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht dadurch, daß er unrichtige Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen (dem Finanzamt Feldbach) vorlegte, Abgabenverkürzungen an Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer (für die Jahre 1979 bis 1981) in der Gesamthöhe von 754.116 S bewirkte und (für 1982) in der Gesamthöhe von 441.314 S zu bewirken versuchte, und (2) für die Monate Jänner bis August 1983 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen durch Unterlassung der Leistung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer eine Verkürzung an diesen Abgaben in der Gesamthöhe von 77.275 S bewirkte (und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hielt).

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 4 und 9 lit a (der Sache nach auch auf Z 5) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

In der Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Angeklagte die durch Zwischenerkenntnis des Schöffengerichtes (S 58) erfolgte Abweisung seines zum Beweis dafür gestellten Antrages auf Vernehmung eines Sachverständigen aus dem "Steuerfach", daß (1) Hinterziehungsabsicht (des Angeklagten) nur für jene Zuschätzungen anzunehmen sei, die dem (vom Angeklagten) einbekannten ungeklärten Vermögenszuwachs von 686.000 S entsprechen, wobei dem Sachverständigen Ermittlungen über Bargeldbestände, Geldfluß sowie Zuwendungen und Kredite von dritter Seite aufgetragen werden mögen, und (2) im Gegensatz zu den verfahrensgegenständlichen Jahren seither Fahrtspesen von rund 100.000 S und Provisionen in der Größenordnung zwischen 200.000 bis 300.000 S anfallen, was in der Relation zu den seinerzeitigen Erklärungen zu setzen sei (S 57).

Der Beweisantrag verfiel mit Recht der Ablehnung.

Durchaus zutreffend erkannte das Schöffengericht, daß der erste Teil des Beweisantrages, nach dessen Inhalt dem zu bestellenden Sachverständigen erst "Ermittlungen" über nur allgemein bezeichnete Umstände aufgetragen werden sollen, auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises abstellt (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 88-90 a zu § 281 Abs 1 Z 4), zumal überdies unterlassen wurde darzutun, aus welchen Gründen diesem Sachverständigen bei der in den hier interessierenden Jahren einbekanntermaßen nicht ordnungsgemäß geführten Buchhaltung (S 52), dem einbekannten Fehlen von Belegen (S 53) und der selbst dem Angeklagten angeblich nicht möglichen näheren Bekanntgabe von Mittelzuflüssen durch Verwandte (S 56) dennoch eine präzise Rekonstruktion der Geldbewegungen möglich sein sollte. Abgesehen davon bleibt, worauf das Schöffengericht gleichfalls zutreffend hinwies, unerfindlich, inwieweit ein Sachverständiger der genannten Art Aufklärung über eine "Hinterziehungsabsicht", somit die subjektive Tatseite, geben könnte. Hinsichtlich des zweiten Teils des Antrages, mit dem trotz seiner mißverständlichen Formulierung augenscheinlich unter Beweis gestellt werden sollte, daß dem Beschwerdeführer auch in den verfahrensgegenständlichen Jahren erlösschmälernde Fahrtspesen und Provisionen angefallen seien, erfolgte die Abweisung gleichfalls zu Recht.

Denn abgesehen davon, daß Erlösschmälerungen (im Zusammenhang mit den "Schwarzgeschäften") ohnedies berücksichtigt wurden (s. TZ 14.3 und TZ 17 des Betriebsprüfungsberichtes in der Beilagenmappe), hatte das Schöffengericht, wie es in seinem abweisenden Zwischenerkenntnis zutreffend erkannte, vom Bestehen der sich aus dem Spruch der gegen den Angeklagten ergangenen rechtskräftigen Entscheidung über die endgültige Abgabenfestsetzung dem Grunde und der Höhe nach ergebenden Abgabenschuld als Tatsache

auszugehen (SSt. 48/36 = EvBl 1977/166 = RZ 1977/71 verst. Sen.,

SSt. 52/61, SSt. 55/25, SSt. 54/17 = EvBl 1983/177, EvBl 1979/225,

RZ 1984/36 uvam), sodaß insoweit für einen Sachverständigenbeweis kein Raum blieb (SSt. 34/14 ua). Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts übersieht, daß der Verfassungsgerichtshof die Frage nach Art und Umfang der Bindung der Gerichte an rechtskräftige Verwaltungsakte erklärtermaßen offenließ (JBl 1978, 477 insb. 478) und die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (VwGHSlg. 5836 F verst. Sen., JBl 1985, 379) überhaupt keine der im § 55 FinStrG genannten Abgaben betrafen, ebenso wie im übrigen die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22.April 1980, 9 Os 129/79, die außerdem - was der Beschwerdeführer anscheinend übersieht - ausdrücklich an der durch einen verstärkten Senat des Obersten Gerichtshofes ausgesprochenen Rechtsansicht festhielt und auf die subjektive Tatseite abstellte.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Ausführungen zur Verfahrensrüge vorbringt, Feststellungen einer Betriebsprüfung könnten niemals für die Annahme einer Hinterziehungsabsicht ausreichen, aus Brutto-Zurechnungen auf Grund von Schätzungen könne niemals auf die subjektive Tatseite geschlossen werden, es könne nicht sein, daß eine Hinterziehungsabsicht "ganz einfach aus einem sich auf Grund der angestellten Vermögensdeckungsrechnung ergebenden Fehlbetrag ohne weiteres abgeleitet werden" könne, schwebt ihm augenscheinlich die Geltendmachung eines Begründungsmangels (Z 5) vor, er versucht aber damit in Wahrheit nichts anderes, als in einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Weise, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zur subjektiven Tatseite zu bekämpfen. Ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO liegt jedenfalls nicht vor, wenn - wie hier - aus dem Umfang der nicht oder falsch fatierten Geschäftsbewegungen eine den Denkgesetzen nicht widersprechende Schlußfolgerung auf einen auf Abgabenhinterziehung gerichteten Vorsatz (hier zum Teil in der besonderen Form der Wissentlichkeit) gezogen wird, wie es das Erstgericht tat, das außerdem auf weitere Umstände verwies, aus denen es die auf Abgabenhinterziehung gerichtete "Absicht" des Angeklagten ableitete (Seite 64 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hätte nämlich vom festgestellten Urteilssachverhalt (in seiner Gesamtheit) auszugehen und diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen. Demgemäß liegt keine prozeßordnungsgemäße Darstellung eines solchen Beschwerdegrundes vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird. Derartige Ausführungen können daher einer materiellrechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht zugrundegelegt werden. Der Beschwerdeführer negiert in seinen Ausführungen zur Rechtsrüge die Feststellungen des Schöffengerichtes zur subjektiven Tatseite und verstößt damit gegen diese Grundsätze. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, das Erstgericht habe zu Unrecht eine Bindung der Abgabenstrafbehörde "auch in subjektiver Hinsicht" an das rechtskräftige Ergebnis einer Abgabenfestsetzung angenommen, ist aktenwidrig; gerade insoweit wurde vom Schöffengericht der schon erwähnten Judikatur folgend eine Bindung verneint (S 58 im Zusammenhalt mit S 64).

Das Vorbringen, die Verantwortung des Angeklagten über Ausgaben und Mittelzuflüsse habe "zumindest eine annähernd gleiche Wahrscheinlichkeit" wie die Feststellungen der Abgabenbehörde, auf die sich das Gericht bezog, stellt sich hingegen nur als unzulässiger Versuch der Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon aus den angeführten Erwägungen sofort bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO).

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