OGH 15Os17/17i

OGH15Os17/17i5.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Elvir S***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 15. Dezember 2016, GZ 601 Hv 12/16i‑94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00017.17I.0405.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpften Freispruch enthaltenden Urteil wurde Elvir S***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (I./) sowie der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 4 StGB (II./A./), der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (II./B./) und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II./C./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in Bezug auf mindestens vier Fremde in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er am 27. April 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem abgesondert verfolgten Ivan M*****, der als Lenker eines näher bezeichneten Personenkraftwagens vier illegal eingereiste fremde Staatsangehörige von Ungarn nach Österreich bis nach G***** beförderte, wobei die Beförderung bis nach Holland geplant gewesen wäre, dieses Fahrzeug zur Verfügung stellte, selbst ein näher bezeichnetes Vorausfahrzeug lenkte, M***** Anweisungen gab und ihn nach dessen Flucht vor der Polizei abholte, wobei M***** für seine Dienste von S***** einen nicht mehr feststellbaren Fuhrlohn erhalten hätte und durch die Fremden ein Schlepperlohn in Höhe von 5.000 Euro bezahlt werden sollte;

II./ am 18. Mai 2016 in W*****

A./ als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei, und zwar im Rahmen näher bezeichneter Erhebungen der Polizeiinspektion T*****, bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er wahrheitswidrig angab, er habe seinen näher bezeichneten Personenkraftwagen zum Verkauf angeboten, woraufhin ein „Dino A*****“ mit ihm in Kontakt getreten wäre, der eine Anzahlung von 500 Euro geleistet, ihm jedoch in der Folge das Fahrzeug samt Kennzeichentafeln unter Vorspiegelung, er werde ihm weitere 1.000 Euro bezahlen, herausgelockt und nicht mehr zurückgegeben habe;

B./ durch die zu II./A./ bezeichnete Tathandlung einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich der Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, wissentlich vorgetäuscht;

C./ im Zuge der zu II./A./ bezeichneten Tathandlung eine falsche Urkunde, nämlich einen von ihm selbst mit dem Namenszug „Dino A*****“ unterfertigten Kaufvertrag im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtsverhältnisses und einer Tatsache, und zwar dem mit dem Genannten (angeblich) abgeschlossenen Geschäft gebraucht, indem er den Kaufvertrag nach dessen Erstellung durch ihn selbst den Beamten der Polizeiinspektion T***** übergab.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des Kemal C***** (alias Ali B***** [US 7 erster Absatz]) zum Beweis, „dass der Angeklagte weder in Budapest war beim Restaurant, noch im Fahrzeug vor [...] M***** gefahren ist und überhaupt bei der Schleppung dabei gewesen ist und er etwas damit zu tun hat und die Angaben des [...] M***** schlichtweg falsch sind“ (ON 93 S 32 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Im vorliegenden Fall blieben die Abfrage der Namen Ali B***** und (alias) Kemal C***** im Zentralen Melderegister (ON 89 f) ergebnislos und ergaben die Erhebungen der Kriminalpolizei, dass der Genannte in der Europäischen Union keinen Wohnsitz hat und sich in der Türkei aufhalten „dürfte“, wobei eine diesbezügliche Anfrage seitens der türkischen Behörden unbeantwortet geblieben war (ON 87 S 3, ON 93 S 30 f, 33). Weshalb der begehrte Zeuge trotz unbekannten Aufenthalts dennoch in absehbarer Zeit geladen werden könnte, ließ der Antrag nicht erkennen. Die Verweigerung undurchführbarer (unmittelbarer) Beweisaufnahmen begründet jedoch keine Nichtigkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 339, 344; RIS-Justiz RS0120363).

Ebenso zu Recht erfolgte die Abweisung des Begehrens auf Einholung der „Datenrückerfassung im Original“ zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „sehr wohl“ SMS-Nachrichten von Dino A***** erhalten hatte (ON 93 S 31 ff). Dieser Antrag legte nicht dar, weshalb aus dem vom Mobilfunkbetreiber schriftlich übermittelten Original derartige Daten ersichtlich sein sollten, obwohl darin nach Angaben des Polizeibeamten, der die Daten ausgewertet hatte, gerade keine Hinweise auf SMS-Nachrichten enthalten waren (ON 93 S 26 und 28 f), und lief somit auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0118123, RS0099353, RS0099421) hinaus. Dass Thomas M***** vom Betreiber tatsächlich übermittelte Daten nicht ausgewertet und bekannt gegeben hätte, hatte nicht einmal der Antrag (ON 93 S 31 f) behauptet. Erst in der Beschwerde zur Antragsfundierung nachgetragene Argumente sind prozessual verspätet (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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