OGH 15Os161/01

OGH15Os161/0115.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Steyr zum AZ Vr 151/01 anhängigen Strafsache gegen August H***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und 3 dritter HalbsatzStGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 24. September 2001, AZ 7 Bs 258/01 (ON 88/III des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

August H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

August H***** befindet sich seit 6. April 2001 (nur mehr) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO) in Untersuchungshaft, weil er dringend verdächtigt ist, die Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und 3 dritter HalbsatzStGB, des Menschenhandels nach § 217 Abs 2 StGB, des teils vollendeten, teils versuchten (§ 15 StGB) gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der schweren Erpressung nach § 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB sowie des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB begangen zu haben.

Danach soll er

I. von 1983 bis 1998 in Oberösterreich, Thailand und Kenia die mit ihm damals in Lebensgemeinschaft lebende Helga M*****, nunmehr verehelichte A*****

1. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB teils als unmittelbarer Täter, teils als Bestimmungstäter, indem er andere Personen dazu anforderte, teils als Beitragstäter, indem er andere zu solchen Tathandlungen ermunterte, in zahlreichen Fällen mit Gewalt zur Vornahme sowie zur Duldung des Beischlafes und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich der oralen und analen Penetration, genötigt haben;

2. mit dem Vorsatz, dass sie in fremden Staaten, nämlich im März 1994, sodann mehrmals jährlich sowie im Juli und August 1996 in Thailand sowie im Dezember 1996 in Kenia gewerbsmäßige Unzucht treibe, unter dem Vorwand von Urlaubsreisen, sohin durch Täuschung über sein wahres Vorhaben, verleitet haben, sich in einen anderen Staat zu begeben;

3. im März 1999 durch die Drohung, von ihr aufgenommene Pornoaufnahmen zu veröffentlichen, sohin durch Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung, zu einer Handlung, nämlich zur Unterzeichnung einer Verzichtserklärung vom 22. März 1999 (S 163/I), wonach sie auf sämtliche ihr zustehenden Forderungen, Ansprüche und Schuldscheine gegenüber dem Beschuldigten verzichtet, genötigt haben;

4. mit dem Vorsatz, sich aus deren gewerbsmäßiger Unzucht eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eingeschüchtert und ihr die Bedingungen der Ausübung der Unzucht unter anderem in Form von Gruppensex vorgeschrieben haben;

II. 1994 Franz R***** durch die Drohung, bei Nichtbezahlung von 300.000 S für eine Abtreibung seiner Familie mitzuteilen, dass er Helga M***** (A*****) geschwängert habe, sohin durch Drohung mit einer Verletzung an seiner Ehre, zur Ausfolgung von 250.000 S genötigt haben;

III. ferner soll er in Steyr mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und gewerbsmäßig (§ 70 StGB) nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet oder zu verleiten versucht haben, wodurch diese um einen 500.000 S übersteigenden Betrag geschädigt wurden bzw geschädigt werden sollten, indem er

1. (inhaltlich des am 21. August 2001 wiederaufgenommenen und am 11. September 2001 gemäß § 56 StPO einbezogenen Verfahrens des Landesgerichtes Steyr, AZ 12 Vr 201/95) zwischen 6. März 1990 und 30. Mai 1991 sowie seit 1. Juli 1991 Verantwortlichen von vier Versicherungsanstalten vorspiegelte, er habe sich bei einem Arbeitsunfall am 19. April 1989 unvorsichigerweise den linken Daumen vollständig abgetrennt, zur Auszahlung von insgesamt mehr als 380.000 S verleitete und zur Liquidierung eines weiteren Betrages von 4,590.900,-- S zu verleiten trachtete,

2. zwischen November 1993 und 1995 nachgenannten Personen zunächst Thailänderinnen zum Geschlechtsverkehr vermittelte und später fälschlicherweise behauptete, dass diese Thailänderinnen schwanger seien und deshalb bestimmte Geldbeträge verlangen würden, nämlich

a) von Alfred K***** 135.000 S,

b) von Johann M***** 60.000 S und

c) von Andreas F***** 272.000 S,

3. im Frühjahr 1994 den Franz R***** durch die Vorgabe, Helga M***** (A*****) sei von ihm schwanger und fordere für die Abtreibung mindestens 300.000 S, zur Herausgabe von 250.000 S verleitete.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. September 2001 (ON 88) gab das Oberlandesgericht Linz einer Beschwerde des August H***** gegen den - nach amtswegiger Durchführung der dritten Haftverhandlung (ON 80) - verkündeten Beschluss des Untersuchungsrichters (ON 81) nicht Folge und verlängerte die Untersuchungshaft mit Wirksamkeit bis 26. November 2001 aus den herangezogenen Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO.

In der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde behauptet August H*****, durch die bekämpfte Entscheidung in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit deshalb verletzt worden zu sein, weil sie eine die 6-Monats-Frist überschreitende Haftfrist ausgelöst, das Fortbestehen der beiden Haftgründe zu Unrecht angenommen und "dessen" Substituierbarkeit durch gelindere Mittel verneint habe.

Der dringende Tatverdacht, der schon in der seinerzeitigen Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz zugestanden wurde (vgl S 155, 159, 161/III), bleibt in der Grundrechtsbeschwerde unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist unbegründet.

Voranzustellen ist, dass sich der Beschwerdeführer im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gerichtshofes zweiter Instanz am 24. September 2001 knapp über 5 1/2 Monate in Untersuchungshaft befand und die Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof keine greifbaren Hinweise für unvertretbare Verfahrensverzögerungen des Untersuchungsrichters bietet, die im Übrigen nur dann grundrechtsrelevant sind, wenn hiedurch die Dauer der Untersuchungshaft unangemessen verzögert wird (13 Os 116/01 uam). Soweit der Beschuldigte auf von ihm initiierte (nicht einmal vier Seiten umfassende), am 25. September und 2. Oktober 2001 beim Erstgericht eingelangte "kostspielige Privatgutachten" des Univ.Prof. Dr. Werner L***** (S 171 bis 173 und 191 bis 193/III) sowie auf das vom Untersuchungsrichter eingeholte psychiatrisch-neurologische Gutachten des Sachverständigen Prim.Dr. Kurt S***** vom 16. Oktober 2001 (ON 96/III) verweist und damit die Glaubwürdigkeit der - seiner Meinung nach - "einzigen" Belastungszeugin zu bekämpfen trachtet, können diese Beweismittel als unzulässige Neuerungen im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl Mayrhofer/E. Steininger GRBG 1992 Vorbem Rz 13 f, § 2 Rz 32 f, § 3 Rz 9 ff; 15 Os 75/01 uam).

Wie der angefochtene Beschluss kritisch und (im Ergebnis) zutreffend ausführt, ist die Aufrechterhaltung der (nunmehr) über sechs Monate hinaus andauernden Untersuchungshaft wegen des besonderen und komplexen Umfanges der kurz vor dem Abschluss stehenden Untersuchung (insbesondere Vielzahl von überwiegend länger zurückliegenden Tathandlungen aus unterschiedlichen Deliktsbereichen einschließlich des wiederaufgenommenen Betrugsverfahrens, welche die Vernehmung mehrerer, teilweise ihre Aussagen wechselnder Zeugen notwendig machte; Erweiterung der Untersuchung auf Vorwürfe gegen zwei Privatdetektive wegen Verdachts der Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht; Einholung eines psychiatrisch-psychologischen Sachverständigengutachtens) im Hinblick auf das Gewicht der Haftgründe - der Beschwerde zuwider - derzeit noch - gerechtfertigt (§ 194 Abs 3 StPO).

Den sachgerechten und tragfähigen Argumenten des Gerichtshofes zweiter Instanz zu den unter den gegebenen Umständen durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr vermag der Beschwerdeführer überhaupt nichts Substantielles zu entgegnen. Er verweist vielmehr bloß pauschal auf sein mehrere Jahre dauerndes Wohlverhalten, eine einschlägige Vorstrafe wegen einer Vermögensdelinquenz, die offenkundige Änderung der Verhältnisse, unter denen die aus März 1999 datierte Anlasstat begangen sein soll, und auf die Untersuchungsergebnisse über die Person der Belastungszeugin, welche vom Oberlandesgericht in seine Erwägungen miteinbezogen und gesetzeskonform beurteilt wurden.

Da sohin August H***** durch den angefochtenen Beschluss in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Beschwerde - in Übereinstimmung der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung, welche die Beschwerdeargumente unzulässig teilweise erweitert (s. o.) - ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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