OGH 15Os159/93

OGH15Os159/932.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton B***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall; 127, 129 Z 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 7.September 1993, GZ 25 Vr 2238/93-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, und der Verteidigerin Dr.Schindler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton B***** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall; 127, 129 Z 1) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er sich durch den Genuß von Alkohol und anderen berauschenden Mitteln in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und im Rausch

(zu 1.) am 1.Juni 1993 in Jenbach versucht, den Gendarmeriebeamten Gerhard P***** durch die Äußerung, er werde ihn schon noch erwischen, er solle sich auf keinem Fußballplatz und sonst noch irgendwo sehen lassen und er werde berufliche Schwierigkeiten haben, sowie die Gendarmeriebeamten Insp.Stefan K***** und Insp.Ronald A***** durch die Äußerung, wenn er wieder herauskomme, habe er nichts anderes zu tun, als sie zu suchen und sie fertig zu machen, er würde wegen ihnen auch noch 25 Jahre sitzen, sohin durch gefährliche Drohung, an einer Amtshandlung, und zwar seiner Festnahme und Verbringung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Innsbruck, zu hindern versucht, sohin eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt zugerechnet würde, sowie

Text

(zu 2.) am 11.Juli 1993 in Mayrhofen den Verfügungsberechtigten des Elektrogeschäftes "L*****" fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von 2.041 S, 134,81 DM, 400 Lire, 2 Forint, 4 Sfr, 10 Cent und 20 Pence durch Einbruch in ein Gebäude mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sohin eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch zugerechnet würde.

In den Gründen stellte das Erstgericht zum Faktum 1. fest, daß der Angkelagte die Gendarmeriebeamten K***** und A***** auch mit dem Umbringen bedroht hat (US 6). Auf Grund der drohenden Äußerungen war lediglich einer (Insp.K*****) der insgesamten vier intervenierenden Gendarmeriebeamten in Furcht und Unruhe versetzt; bei den Drohungen kam es dem Angeklagten jedoch darauf an, die drei im Spruch genannten Gendarmeriebeamten in Furcht und Unruhe zu versetzen, um sie dazu zu bringen, von einer Festnahme Abstand zu nehmen bzw. ihn wieder frei zu lassen, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch diese Drohungen die Beamten an einer Amtshandlung zu hindern (US 7).

Rechtliche Beurteilung

Lediglich den Punkt 1. des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er zunächst die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens in Zweifel zieht, weil die Gendarmerie keine Behörde im Sinn des § 269 StGB sei. Weder im Urteilstenor, noch in den Gründen wird indes dem Angeklagten zur Last gelegt, eine "Behörde" an einer Amtshandlung zu hindern versucht zu haben; vielmehr wird ihm vorgeworfen, die Tat gegenüber Gendarmeriebeamten begangen zu haben. Diese sind aber nach herrschender Lehre und gefestigter Rechtsprechung Beamte in der Bedeutung des § 74 Z 4 StGB (Leukauf-Steininger, Komm.3 § 74 RN 16).

Weiters bestreitet der Beschwerdeführer die objektive Eignung der inkriminierten Äußerungen, den bedrohten Gendarmeriebeamten begründete Besorgnis wegen einer Verletzung am Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen einzuflößen. Gerade Gendarmeriebeamte würden von Betrunkenen häufig bedroht oder angepöbelt, weshalb bei Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabes die objektive Eignung drohender Äußerungen, begründete Besorgnisse einzuflößen, strenger zu beurteilen sei, wenn sich diese Äußerungen gegen Gendarmeriebeamte richten als bei Drohungen gegen andere, nicht dieser Berufsgruppe angehörigen Personen. Im vorliegenden Fall komme dazu, daß (außer dem vor Gericht nicht einvernommenen Gendarmeriebeamten K*****) keiner der intervenierenden Gendarmeriebeamten angegeben habe, durch die Äußerungen des Angeklagten tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt worden zu sein.

Das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB begeht unter anderem, wer einen Beamten durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert. Unter "gefährlicher Drohung" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach der Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB eine (nicht zwangsläufig Furcht und Unruhe erzeugend) Drohung mit einer Verletzung der dort genannten Rechtsgüter zu verstehen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen.

Die Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist objektiv zu beurteilen, wobei jedoch auch in der Person des Bedrohten gelegene gesondere Umstände mitzuberücksichtigen sind, sodaß insofern ein objektiv-individueller Maßstab anzulegen ist. Maßgeblich ist, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation unter Berücksichtigung allfälliger besonderer Umstände, die in seiner Person liegen, den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, das angekündigte Übel tatsächlich herbeizuführen. Hiebei haben übergroße Ängstlichkeit und besonderer Mut des Bedrohten ebenso außer Betracht zu bleiben, wie eine das Aufkommen von Furcht hemmende emotionelle Bindung an den Drohenden. Daß die Drohung in dem Bedrohten tatsächlich Besorgnis erweckt hat, ist nicht erforderlich (Leukauf-Steininger, Komm.3 § 74 RN 21).

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß es darauf, ob und wieviele Gendarmeriebeamte durch die Äußerungen des Angeklagten tatsächlich beunruhigt wurden, gar nicht ankommt. Es trifft zwar zu, daß wegen des berufsbedingten häufigen Umganges von Gendarmeriebeamten mit (auch randallierenden) Betrunkenen mitunter bloße wörtliche Drohungen von Betrunkenen gegen intervenierenden Gendarmeriebeamte objektiv nicht geeignet sein werden, diesen Beamten begründete Besorgnisse einzuflößen. Diese Eignung wird etwa dann nicht gegeben sein, wenn die Gendarmeriebeamten auf Grund des den Drohungen vorangegangenen Verhaltens des Betrunkenen und (oder) der ihnen bekannten näheren Lebensumstände, charakterlichen Eigenarten und des sonstigen Verhaltens des Betrunkenen im nüchternen Zustand davon ausgehen können, daß es sich bloß um rauschbedingte, nicht ernstgemeinte Äußerungen handelt.

Nach Lage des Falls war den intervenierenden Gendarmeriebeamten aber - wie sich aus den niederschriftlichen Angaben des Insp.K***** (S 69 f), auf die das Erstgericht ausdrücklich Bezug genommen hat (US 11), ergibt - vom Angeklagten damals lediglich bekannt, daß er wegen verschiedener Eigentumsdelikte eine Haftstrafe zu verbüßen und Ausgang erhalten hatte und sich nun im betrunkenen Zustand im Ortsgebiet von Jenbach wiederholt auffällig werdend sowie Streit suchend herumtrieb (US 5 f; vgl. auch die in der Hauptverhandlung verlesene Aussage des Insp.R***** S 77). Auf Grund des streitsüchtigen Verhaltens des seinen Ausgang mißbrauchenden Strafgefangenen konnten die bedrohten Gendarmeriebeamten somit - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - durchaus den Eindruck gewinnen, der Angeklagte sei fähig und willens, die angedrohten Übel auch in die Tat umzusetzen, falls von seiner Festnahme nicht Abstand genommen werden sollte. An der objektiven Eignung der Drohungen, begründete Besorgnisse einzuflößen, besteht daher kein Zweifel. Von den inkriminierten Äußerungen stellt jene der Ankündigung beruflicher Schwierigkeiten eine Drohung mit einer Verletzung an der Ehre oder am Vermögen der Gendarmeriebeamten und jene mit dem "Fertigmachen" und der Erklärung der Bereitschaft, dafür auch 25 Jahre Haft in Kauf zu nehmen, zumindest eine Drohung mit einer Verletzung am Körper dar. Eine derartige Drohung (bloß) mit Körperverletzung umd nicht eine Drohung mit dem Tod hat das Erstgericht - ersichtlich der ständigen Judikatur folgend, wonach bei drohenden Äußerungen nicht der Wortlaut, sondern in erster Linie der Sinngehalt der Äußerung in Verbindung mit dem sonstigen Täterverhalten maßgebend ist (Leukauf-Steininger, Komm.3 § 269 RN 12 c) - ohnehin zugunsten des Angeklagten auch bei der festgestellten Drohung mit dem Umbringen angenommen, wie sich aus der Anwendung bloß der Grundstrafdrohung des § 269 Abs. 1 StGB (US 3) ergibt.

Da der vollberauschte Angeklagte mit seinen - durchaus ernst zu nehmenden - Drohungen nach den (diesbezüglich unbekämpft gebliebenen) Urteilsfeststellungen den (am Widerstand der bedrohten Gendarmeriebeamten gescheiterten) Zweck verfolgte, die Gendarmeriebeamten an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme und Überstellung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Innsbruck, zu hindern, haftet dem angefochtenen Schuldspruch wegen Vergehens nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall) StGB der reklamierte Rechtsirrtum nicht an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 287 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend, daß der Angeklagte seine Drohungen gegenüber drei Gendarmeriebeamten geäußert hat, daß er das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung wiederholt, nämlich zweimal begangen hat, daß die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 39 StGB in bezug auf Vermögensdelikte vorliegen, daß darüber hinaus zahlreiche einschlägige Vorstrafen wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen gegeben sind und daß der Angeklagte insbesonders rasch, nämlich nur zwei Tage nach der Haftentlassung rückfällig geworden ist bzw. die erste Rauschtat noch während eines Ausgangs aus dem laufenden Strafvollzug zur letzten Haftstrafe begangen hat, als mildernd hingegen, daß es beim Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist, daß der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat und daß der Schaden beim Einbruch gering geblieben und überdies durch Sicherstellung der Beute gutgemacht worden ist.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe.

Die in der Berufung behaupteten weiteren Milderungsgründe liegen nicht vor. Dem Umstand, daß der Angeklagte Alkoholprobleme hat und im berauschten Zustand dazu neigt, Straftaten zu begehen, kommt insofern strafmildernde Wirkung nicht zu, weil darauf ohnedies dadurch Bedacht genommen wurde, daß er lediglich wegen des Vergehens nach § 287 StGB schuldig gesprochen wurde. Daran ändert auch nichts, daß der Berufungswerber nunmehr behauptet, sich freiwillig einer Alkoholentwöhnungskur zu unterziehen.

Der Umstand hinwieder, daß der Angeklagte der Zeugin L*****, zu deren Nachteil er den Einbruchsdiebstahl begangen hat, ein Entschuldigungsschreiben geschickt hat, vermag einen ins Gewicht fallenden Milderungsgrund nicht darzustellen.

Entgegen der Ansicht des Angeklagten hat das Schöffengericht die demnach vollständig angeführten Strafzumessungsgründe auch zutreffend gewürdigt. Angesichts der durch die mögliche Anwendung des § 39 StGB dem Angeklagten drohenden Höchststrafe von viereinhalb Jahren erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß in der Dauer von achtzehn Monaten keineswegs als überhöht.

Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

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