OGH 15Os154/87

OGH15Os154/8727.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Oktober 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Norbert B*** wegen des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens, Verheimlichens oder Verhandelns von Sachen nach § 165 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 7.September 1987, GZ 12 Vr 1488/86-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Norbert B*** der Vergehen des fahrlässigen Ansichbringens, Verheimlichens oder Verhandelns von Sachen nach § 165 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

1./ im Juli 1985 im Hölltal den vom mittlerweile verstorbenen Reinhold S*** durch Einbruch gestohlenen PKW Audi Quattro, Motornummer KK 1567, Fahrgestellnummer W*** 85 ZDA 099486 "im Wert von 150.000 S (Listenpreis ca 191.000 S)" (nach den Entscheidungsgründen jedoch ersichtlich: im Wert von etwa 183.000 S - siehe US 6), mithin eine Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung erlangt hatte, durch Ankauf um 120.000 S ohne ausreichende Erkundigung über die Herkunft des Fahrzeuges fahrlässig an sich gebracht und

2./ am 29.Oktober 1985 in Judenburg durch Vorlage einer durch Nachmachen der Unterschrift der Antragstellerin Marianne B*** falschen Abmeldung des PKWs Kombi Suzuki Type SJ 4 OV eine falsche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Mit seinem Vorbringen, der Wert des gestohlenen Fahrzeuges betrage nicht (nach dem Eurotax-Listenpreis) 191.000 S, weil "Vorschäden" ein Fahrzeug erfahrungsgemäß über die Sanierungskosten hinaus entwerten, macht der Beschwerdeführer in Wahrheit keinen Feststellungsmangel geltend, sondern will damit ersichtlich einen Begründungsmangel (Z 5) zur Ausführung bringen. Diese Ausführungen sind jedoch nicht zielführend.

Denn das Schöffengericht stützte sich bei seiner Konstatierung eines Verkaufspreises des Fahrzeuges von 191.000 S - vermindert um einen erforderlichen Reparaturaufwand von rund 8.000 S für leichte Lackschäden - ausdrücklich auf in der Hauptverhandlung verlesene (S 659 in Verbindung mit ON 25) sicherheitsbehördliche Erhebungen über den Zeitwert des Fahrzeuges (US 3 in Verbindung mit S 679). Mit dem Negieren dieser Verfahrensergebnisse unternimmt der Angeklagte nichts anderes als einen im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Angriff gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Im Hinblick darauf, daß nach diesen Erhebungsergebnissen der Zustand des Fahrzeuges dem Zeitwert laut Eurotax-Liste entsprach (siehe erneut S 679), mußte sich das Erstgericht entgegen der Ansicht des Angeklagten nicht auch noch mit der nach dem Ankauf vorgenommenen Ganzlackierung des Fahrzeuges beschäftigen und Schlußfolgerungen daraus ziehen. Insoferne der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen aber der Sache nach die Grundlagen dieser Verfahrensergebnisse, auf welche das Erstgericht seine Feststellungen gestützt hat, in Zweifel zu ziehen sucht, macht er damit der Sache nach einen Verfahrensmangel (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) geltend; hiezu fehlt ihm jedoch mangels entsprechender Antragstellung in der mit Urteil beendeten Hauptverhandlung von vornherein die Beschwerdelegitimation.

Bei Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) hingegen geht der Beschwerdeführer nicht von der Gesamtheit der im erstgerichtlichen Urteil getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aus. Er unterstellt nämlich dem Schöffengericht, es hätte konstatiert, er habe "seinem Freund S*** voll vertraut". Gerade das Gegenteil aber wurde vom Schöffengericht festgestellt, nämlich, daß dem Angeklagten "in keiner Weise geglaubt werden" könne, "daß er dem inzwischen verstorbenen Reinhold S*** voll vertraute" (US 6).

Zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist jedoch das Festhalten an der Gesamtheit der Sachverhaltsfeststellungen und der Vergleich dieser mit dem Gesetz erforderlich. Dagegen verstößt der Beschwerdeführer, indem er - wie aufgezeigt - eines der konstatierten Sachverhaltselemente zu seinen Gunsten verändert und (erst) solcherart zu der von ihm angestrebten Lösung der Rechtsfrage gelangt. Damit erübrigt es sich aber auch, auf die Bedeutung der übrigen vom Beschwerdeführer herausgestrichenen Umstände, nämlich die Ausfolgung eines Kaufvertrages und eines Typenscheins sowie die Anmeldung des Fahrzeuges bei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg, einzugehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher, soweit sie das bisher behandelte Urteilsfaktum betrifft, als zum Teil offenbar unbegründet, zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt sofort bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO).

Berechtigung kann diesem Rechtsmittel allerdings insoweit nicht versagt werden, als sie sich gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB wendet. Das Schöffengericht beschränkte sich hiezu auf die Feststellung, daß der Angeklagte auf dem verfahrensgegenständlichen (ausgefüllten) Abmeldeformular die Unterschrift seiner Ehefrau nachmachte und dieses bei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg einbrachte (US 5). Zum Erfordernis eines - zumindest bedingten - Vorsatzes zum Gebrauch des Falsifikates im Rechtsverkehr traf das Schöffengericht, wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, jedoch überhaupt keine Feststellungen, desgleichen nicht zur Frage eines allfälligen Rechtsirrtums. Diese wären aber ungeachtet dessen, daß der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung vom 7.September 1987 schuldig "fühlte" (S 690), im Hinblick auf seine damit im Zusammenhang stehende Verantwortung, die er auch in der Hauptverhandlung vom 7.September 1987 aufrecht erhielt und die auch durch Verlesung vorgetragen wurde (S 689), wonach er von der Meinung ausgegangen sei, als Ehemann ohne weiteres die Unterschrift seiner Frau auf dem Abmeldeformular einsetzen zu können (S 645), geboten gewesen.

Dieser Feststellungsmangel nötigt den Obersten

Gerichtshof - sogleich bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285 e StPO) - mit einer Kassation des Schuldspruches wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und demzufolge des Strafausspruches einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches über die Vorhaftanrechnung vorzugehen und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Ein vom Angeklagten begehrter Freispruch von diesem Anklagevorwurf wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) kommt im nunmehrigen Verfahrensstadium nicht in Frage. Zwar schließt der Umstand, daß dem Angeklagten eine weitere strafbare Handlung zur Last liegt, eine Anwendung des § 42 StGB in Ansehung eines einzelnen Anklagevorwurfes nicht unter allen Umständen aus (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 21 zu § 42). Bei Beurteilung des Grades der Schuld des Täters und bei Beantwortung der Frage, ob dessen Bestrafung aus spezialpräventiven Gründen geboten ist (§ 42 Abs 1 Z 1 und 3 StGB), darf allerdings die Art weiterer strafbarer Handlungen und vor allem auch der allfällige Zusammenhang der mehreren strafbaren Handlungen nicht außer acht gelassen werden. Unter diesem Aspekt bedarf es im vorliegenden Fall einer Gesamtbetrachtung zur Lösung der Frage der Anwendbarkeit des § 42 StGB.

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