OGH 15Os153/92

OGH15Os153/9211.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.‑Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Hager, Dr. Schindler und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zawilinski als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anneliese P* wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130, erster Strafsatz, und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 12. Oktober 1992, GZ 33 Vr 431/92‑28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E33298

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch zwei unangefochten gebliebene Teilfreisprüche, nämlich einerseits in Ansehung weiterer vom Anklagefaktum I 1 umfaßter Gegenstände, andererseits in Ansehung des Anklagefaktums II überflüssig und prozessual verfehlt von der Qualifikation des § 106 Abs. 1 Z 2 StGB [vgl. Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr. 52 und Foregger‑Serini StPO5 Erl. IV jeweils zu § 259], enthält) wurde Anneliese P* (zu I 1‑3) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130, erster Fall (richtig: erster Strafsatz), und § 15 StGB sowie der Vergehen (zu II) der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und (zu III) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Linz

I. teils allein, teils in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Mittäter Hans‑Jürgen P* und Harald Z* gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert Verfügungsberechigten nachgenannter Firmen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, sich durch Zueignung dieser Gegenstände unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. in der Zeit zwischen Ende 1988 und Mitte Oktober 1991 in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Jugendlichen Hans‑Jürgen P* und Harald Z* als Mittäter achtzehn Armbanduhren, eine herzförmige Schatulle, eine Holzschatulle, drei Tischstanduhren, einen Solarrechner, eine Schatulle, sieben Armreifen, zwei Blumenvasen, mehrere Keramikgegenstände, eine Tragtasche, zwei Manikürsets, eine Heftklammermaschine, einen Locher, mehrere Bleikristallfiguren, ein Setzkastenset, einen Messingspielzeugluster samt Verpackung, zwei Zierkachelöfen, eine Zierholzkredenz, eine Flasche Parfum Marke "Azzaro 9", zwölf Gabeln eines Designer‑Fondue‑Bestecks, einen Miniglaskrug, drei Schnapspfeifen, eine braune und eine schwarze Tasche sowie eine Strohkorbtasche, eine nicht näher bestimmbare Anzahl von Schreibutensilien (Bleistifte, Kugelschreiber, Filzstifte, Füllfedern, Leuchtstifte), ein Diktiergerät der Marke Philips mit acht Kassetten, eine Damenarmbanduhr der Marke Greiner, einen kleinen roten Fernseher sowie zahlreiche Schallplatten, CDs und Musikkassetten den Firmen P*, P*, C*, A*, OÖ.H*, D*, P*, Q*, L*, H*, P* sowie verschiedenen anderen nicht bekannten Firmen im Bereich der Linzer Innenstadt,

2. am 4. Juni 1992 allein Verfügungsberechtigten der Firma B* einen Agfa‑Film, einen Filmentwickler und einen Body im Gesamtwert von 458,70 S, wobei es (infolge Aufmerksamkeit eines Kaufhausdetektivs lediglich) beim Versuch geblieben ist,

3. am 21. Februar 1992 allein Verfügungsberechtigten der Firma C* Mode eine Damenbluse, einen Damenrock, einen schwarzen Perlenkragen und ein Paar goldene Ärmelhalter im Gesamtwert von 1.364 S, wobei es (infolge Aufmerksamkeit der Kaufhausdetektivin nur) beim Versuch geblieben ist;

II. in der Zeit von Ende 1988 bis 4. November 1991 ihren Sohn Harald Z* und ihren Stiefsohn Hans‑Jürgen P* durch gefährliche Drohungen mit Körperverletzungen, nämlich durch die Äußerungen, sie werde sie "erschlagen" und "zum Krüppel schlagen", zur Vornahme von Ladendiebstählen bzw. Aufpasserdiensten bei den von Anneliese P* selbst durchgeführten Diebstählen genötigt;

III. am 10. März 1992 den Hans‑Jürgen P* durch Versetzen mehrerer Schläge ins Gesicht mißhandelt und (dadurch) fahrlässig am Körper verletzt (blutende Wunde an der Lippe).

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft ausdrücklich nur die Punkte I 1, II und III des Schuldspruchs mit einer auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Der von der Beschwerdeführerin behaupteten Verletzung von Grundsätzen der MRK, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gebot des „fair trail“ nach § 6 MRK, die als Interpretationsmaßstab für die Beurteilung behaupteter Verfahrensmängel heranzuziehen ist, kann nur mit dem Instrumentarium der geltenden Strafprozeßordnung, im Rechtsmittelverfahren (wie vorliegend ohnedies geschehen) mit dem Katalog der Nichtigkeitsgründe begegnet werden (vgl. SSt. 57/47).

In Ausführung der Mängelrüge (Z 5) macht die Beschwerdeführerin dem Erstgericht zum Vorwurf, es habe bei der Begründung der (im wesentlichen auf die Aussagen der als Mittäter anzusehenden Zeugen Harald Z* und Hans‑Jürgen P* gestützten) Tatsachenfeststellungen zum Schuldspruch zu Punkt I 1, gegen deren Richtigkeit erhebliche Bedenken bestünden, wichtige Beweisergebnisse übergangen.

Eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung wird damit indes nicht aufgezeigt.

Das Beschwerdevorbringen, die Zeugen Harald Z* und Hans‑Jürgen P* seien nicht darüber belehrt worden, „daß ihre prozessuale Situation in ihrem eigenen (vom Untersuchungsrichter gemäß § 57 StPO ausgeschiedenen und in der Folge getrennt geführten) Prozeß durch eine Aussage nach § 153 StPO nicht gefährdet wird“, geht ebenso fehl wie die Behauptung, „die beiden Zeugen sagten unter der Pression des Geständniszwanges aus“.

Den (durch die Aktenlage gedeckten) Urteilsannahmen (US 9‑10 und 13) zufolge berichteten nämlich Harald Z* und Hans‑Jürgen P* von den zusammen mit ihrer Mutter (Anneliese P*) begangenen Diebstählen vorerst ihren Bewährungshelferinnen und entschlossen sich unter deren Einfluß, dabei nicht mehr mitzutun, erzählten sodann davon auch ihrem Vater Willibald P* und erstatteten am 4. November 1991 in dessen Begleitung bei der Bundespolizeidirektion Linz Anzeige. In den folgenden Vernehmungen hielten Z* und P* (die auch sie selbst belastenden) Anschuldigungen "eindeutig und klar" aufrecht. Der Beschwerde zuwider belehrte sie der Vorsitzende in der Hauptverhandlung vom 12. Oktober 1992 vor ihrer Vernehmung als Zeugen ausdrücklich sowohl über das Zeugnisentschlagungsrecht als Angehörige der Angeklagten Anneliese P* gemäß § 152 Abs. 1 Z 1 StPO als auch über das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 153 Abs. 1 StPO; beide haben aber auf ihre Rechte verzichtet und die an sie gerichteten Fragen freimütig beantwortet (S 170 ff und 179 ff). Unter den gegebenen Umständen trifft es demnach – wie die Beschwerde rechtsirrig argumentiert – auch nicht zu, daß die beiden Zeugen eine Falschaussage ohne strafrechtliche Konsequenzen riskieren konnten, weil ihnen letzten Endes Aussagenotstand im Sinne des § 290 StGB zugute kommt. Denn nach dem aktuellen Prozeßverlauf konnten die zwei genannten Zeugen gar nicht in jene Konfliktsituation bzw. prozessuale Zwangslage geraten, auf welche § 290 StGB abstellt (Leukauf‑Steininger Komm3 § 290 RN 1 ff).

Die Ausscheidung des Strafverfahrens gemäß § 57 StPO gegen die jugendlichen Mittäter erfolgte bereits mit dem Beschluß des Untersuchungsrichters vom 17. Juli 1992 über Antrag des Staatsanwaltes (S 1) und kann daher nach Lage der Dinge im Rechtsmittelverfahren nicht mehr erfolgreich bekämpft werden.

Aber auch das weitere Vorbringen in der Mängelrüge ist nicht zielführend.

Abgesehen davon, daß dem Ersturteil ohnedies hinreichende Feststellungen über die „Persönlichkeit der Angeklagten“ (US 1, 5‑6) sowie darüber zu entnehmen sind, „wie das Verfahren in Gang gesetzt wurde“ (US 9‑10), betreffen diese Umstände ebensowenig entscheidende Tatsachen wie die Frage, warum Willibald P* seine Familie verlassen hat und wie das Verfahren gegen die abgesondert verfolgten Jugendlichen ausgegangen ist (2.7. 5.Absatz). Die Aussage der Zeugin Hermine A* hinwieder wurde nicht nur bei den Feststellungen (US 10 unten bis 11 oben) berücksichtigt, sondern auch im Rahmen der Beweiswürdigung (US 13 oben und 14 mitte bis 15) ausführlich erörtert. Daß Willibald P* "untergetaucht" ist und daher bisher gerichtlich nicht vernommen werden konnte, vermag angesichts seiner seit 27. September 1992 erfolglos gebliebenen Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung im Inland (ON 17 iVm S 143) weder die reklamierte Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO zu begründen, noch kann darin (auch unter Berücksichtigung der Judikatur der EKMR und des EGMR, vgl. hiezu jüngst ÖJZ 1992, 846) ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK erblickt werden. Dies umsoweniger, als die Nichtigkeitswerberin selbst einräumt, „daß er zur Hauptverhandlung nicht einmal stellig gemacht werden konnte“ (vgl. auch ON 12 und 16).

Inwiefern „der daraus resultierende Beweisnotstand zu Punkt I 1 und III des Urteils entgegen der im Art. 6 Abs. 2 MRK normierten Unschuldsvermutung und den (dem) den österreichischen Strafprozeß beherrschenden Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) zum Nachteil der Angeklagten ging“ und „die Feststellung des Gerichtes auf Seite 10 des angefochtenen Urteils, daß eine Verleumdung und ein Racheakt nicht vorgelegen war, einer Vorwegnahme der Beweiswürdigung, nämlich Zugrundelegung der Angaben des Willibald P* bei der Polizei, gleichkam“, ist den Beschwerdebeausführungen nicht nachvollziehbar zu entnehmen. Nach dem Inhalt der Urteilsgründe hat das Erstgericht die Angaben des Siegfried P*, der am 4. November 1991 in Begleitung seines Sohnes und Stiefsohnes bei der Polizei erschienen war und nur auf Grund der Erzählungen der beiden Jugendlichen Anzeige gegen seine Gattin erstattet hatte, in Ansehung des Schuldspruchfaktums I 1 nur am Rande und zum Schuldspruchsfaktum III überhaupt nicht verwertet; die entscheidenden Feststellungen hat es vielmehr im wesentlichen und mit zureichender Begründung auf die für glaubwürdig erachteten Aussagen der beiden „Tatzeugen“ Harald Z* und Hans‑Jürgen P* gestützt, ohne Verfahrensergebnisse, die dagegen sprechen könnten, zu übergehen.

Mit den folgenden in der Mängelrüge des weiteren erhobenen Einwänden,

- die beiden Zeugen hätten ein verständliches Interesse, von ihnen spontan bzw. ohne den behaupteten Einfluß der Angeklagten begangene Straftaten auf diese abzuwälzen,

- der Gedanke, daß es sich bei der Anzeigeerstattung gegen die Angeklagte um einen bloßen Racheakt handelte, dränge sich hier geradezu auf,

- die Zeugen Hermine A* und Siegfried R* hätten angegeben, daß die Angeklagte die Diebstähle nicht begangen haben dürfte und das ganze sei von Willibald P* gemeinsam mit den beiden sechzehn Jahre alten Jugendlichen inszeniert worden,

- letztlich hätten mit Ausnahme der drei mehrfach erwähnten Belastungszeugen alle übrigen vernommenen Personen der Angeklagten Diebstähle, wie sie unter I 1 aufgeführt sind, nicht zugetraut,

- Harald Z* habe sich seit seinem vierten Lebensjahr in diversen Heimen aufgehalten und dabei auch Erfahrungen gesammelt, wie man mit mißliebigen Angehörigen umspringt,

- die Anzeige und die Angaben der Belastungszeugen seien auf eine Art verleumderisches Komplott zurückzuführen,

- der inzwischen verschwundene Anzeiger Willibald P* habe der Zeugin A* versichert, daß er seine Gattin „hineindrücken“ (richtig S 185: „einidrucken“) werde, wenn er kann,

- die Angaben der beiden Belastungszeugen gingen weit auseinander und

- er (Willibald P*) habe trotz der bestehenden Lebensgemeinschaft durch all die Jahre der Tatzeit keine Anhaltspunkte für diebische Angriffe der Angeklagten festgestellt,

werden keine formellen Begründungsmängel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes dargetan. Vielmehr unternimmt die Beschwerdeführerin damit lediglich den im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen Versuch, nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen, die unter Berücksichtigung der gesamten Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des gewonnenen persönlichen Eindrucks mit zureichender, aktengetreuer und denkrichtiger Begründung den als Zeugen vernommenen abgesondert verfolgten Mittätern Harald Z* und Hans‑Jürgen P* geglaubt, hingegen der leugnenden Verantwortung der durch gleichartige Straftaten vorbelasteten (4 Vr 127/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) Angeklagten, deren Behauptungen nicht einmal durch die Aussagen der von ihr namhaft gemachten Zeugen bestätigt wurden, den Glauben versagt haben.

Mit dem bloßen Hinweis in der Tatsachenrüge (Z 5 a), daß nach dem Polizeibericht (S 73) bei keinem der in I.1. angeführten Diebstähle der „Geschädigte ermittelt“ bzw. das Diebsgut infolge fehlender Angaben der Anzeiger über dessen Herkunft in keiner Weise „identifiziert“ werden konnte, vermag die Beschwerde keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten Tatsachen darzutun. Schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung werden damit ebensowenig aufgezeigt wie Hinweise auf aktenkundige Beweisergebnisse, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung aufkommen lassen. Dies umsoweniger, als das Erstgericht einerseits – um jedem Zweifel zuvorzukommen (US 15) – die Angeklagte nach sorgfältiger Prüfung der Verdachtslage ohnehin vom Diebstahlsvorwurf all jener Gegenstände freigesprochen hat, bezüglich derer es nicht mit Sicherheit feststellen konnte, daß sie auch wirklich gestohlen worden waren, andererseits die diebische Herkunft der vom Schuldspruch I 1 umfaßten (wenngleich im einzelnen nicht bestimmten Geschädigten zuordenbaren) Sachen unter Berücksichtigung der gesamten Verfahrensergebnisse zureichend, denkrichtig und plausibel begründet hat (US 12‑15). Im Kern läuft dieses Beschwerdevorbringen daher erneut lediglich auf die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und 10) sind nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht – wie dies für die Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe erforderlich ist – am wesentlichen Urteilssachverhalt festhalten und diesen nicht mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleichen.

Zum Schuldspruch zu Punkt I 1 verneint die Subsumtionsrüge (Z 10) die Gewerbsmäßigkeit mit der (urteilsfremden) Behauptung, es handle sich beim Großteil des Diebsgutes um „nutzloses Zeug“, um Gegenstände mit „Souvenircharakter“ ohne echten Verwendungszweck (so etwa die drei Tischstanduhren oder achtzehn Armbanduhren) sowie um „Geschenke“ von Gästen im Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit der Angeklagten als Lokalinhaberin in Graz.

Damit übergeht sie aber einerseits die mängelfrei getroffenen erstgerichtlichen Urteilsannahmen, daß die Angeklagte, der bereits ein Hang zum Stehlen innewohnt, – entgegen ihrer insoweit leugnenden Verantwortung (US 12) – in allen Fällen in der Absicht gehandelt hat, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen, wobei sie insbesonders an Sachwerte dachte, eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen; die bei einer Vielzahl von Diebstählen erbeuteten und vielfach in mitgeführten Taschen verwahrten Gegenstände wurden teils im Haushalt (nach und nach) direkt gebraucht oder verbraucht (wie Schreibutensilien, Modeschmuck und Keramikgegenstände), teils in der Wohnung zur Zierde aufgestellt, aber nur in geringem Maße (etwa teilweise die Armbanduhren) verwahrt (US 6‑7 und 9). Andererseits negiert sie die daraus vom Schöffengericht gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen, daß die Angeklagte demnach Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 70 StGB zu verantworten hat (US 15 bis 16).

Soweit zum Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB (Urteilsfaktum III) die subjektive Tatseite mit dem (erstmals in der Beschwerdeschrift relevierten) Hinweis, „es lag nur ein animus corrigendi“ vor, ausdrücklich bestritten und damit argumentiert wird, daß „zweifellos erzieherische Maßnahmen allenfalls nur nach § 88 StGB verfolgbar sind“, aber mangels „eines schweren Verschuldens nach § 88 Abs. 2 StGB“ ein Freispruch der Angeklagten gefordert wird, entfernt sich die auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gestützte Rüge vollends von den auch insoweit tragenden Urteilskonstatierungen des Erstgerichtes (US 11 unten bis 12 iVm 17). Die von der Nichtigkeitswerberin in diesem Zusammenhang als aktenwidrig (der Sache nach Z 5) kritisierte Feststellung (2.6. letzter Satz) findet ihre zureichende Deckung in der Aussage des Zeugen Hans‑Jürgen P* (S 11 des einbezogenen Aktes ON 9 und S 181 des Vr‑Aktes) sowie in der geständigen Verantwortung der Angeklagten selbst (S 13 des einbezogenen Aktes ON 9 und S 160 des Vr‑Aktes).

In der gegen den Schuldspruch II (Vergehen der Nötigung) gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit. a) wird behauptet, „die Drohungen der im Urteil angeführten Art waren sicher nicht geeignet, auf die Adressaten irgend einen Eindruck zu machen; es bedurfte wohl auch keiner Einflußnahme oder gar Willensbeugung, um die beiden Zeugen Harald Z* und Hans‑Jürgen P* zu Diebstahlshandlungen zu animieren“ (2.7.). Indem die Beschwerde damit aber den im Urteil (US 7‑8,16 zweiter Absatz und 17) ausdrücklich und unbedenklich festgestellten (ursächlichen) Erfolg der Drohungen (das Opfer zu einem seinem Willen widersprechenden Willensentscheidung oder Willensbetätigung zu bringen – Leukauf‑Steininger Komm3 § 105 RN 13), für den die objektive Eignung derselben, den Genötigten begründete Besorgnisse einzuflößen, unabdingbare Voraussetzung war (vgl. Leukauf‑Steininger aaO § 74 RN 21 und § 105 RN 11), bestreitet, entbehrt sie gleichfalls einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes und vermag auch keinen formalen Mangel (Z 5) der Urteilsbegründung aufzuzeigen.

In Ausführung ihrer Berufung vermeint die Rechtsmittelwerberin schließlich, dem Erstgericht sei bei der Strafbemessung ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs. 2 StGB insofern unterlaufen, als ihr zusätzlich zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (in Ansehung des Hans‑Jürgen P* und des Harald Z*) eben dieses Verhalten, nämlich „die Anstiftung der beiden jugendlichen Zeugen“ (zur Mitwirkung an Diebstählen), auch noch bei der Strafbemessung als erschwerend zugerechnet wurde.

Damit wird der Sache nach eine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 11 zweiter Fall StPO reklamiert, die indes nur scheinbar vorliegt. Denn abgesehen davon, daß die Tatzeit im Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung (II) über jenen des Schuldspruchs zu Punkt I 1 hinausgeht, werden in den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (US 7‑8) in bezug auf beide Nötigungsopfer zutreffend und unmißverständlich zwei Phasen des Geschehens unterschieden: Zunächst überredete die Angeklagte (ihren Stiefsohn) Hans‑Jürgen P* bzw. brachte sie (ihren Sohn) Harald Z* ebenso dazu, an den Diebstählen aktiv mitzuwirken; „erst als sie sich nach einiger Zeit ernsthaft weigerten“, fortan bei den Diebstählen mitzuwirken, machte Anneliese P* die beiden Burschen durch die inkriminierten Drohungen gefügig, weiterhin bei den gewerbsmäßigen Diebstählen mitzutun. Daraus erhellt, daß die Tatzeiten der beiden in Rede stehenden Delikte in Wahrheit nicht zur Gänze ident sind, vielmehr zunächst die Bestimmung (besser: Verführung) durch die Angeklagte für die Tatbeteiligung der Jugendlichen ausschlaggebend war und erst einige Zeit später das Nötigungsmittel der gefährlichen Drohung zum Einsatz kam.

Angesichts dieser Feststellungen hat demnach das Schöffengericht – entgegen dem Beschwerdevorbringen – bei dem Ausspruch über die Strafe die für die Strafbemessung entscheidenden Tatsachen keineswegs unrichtig beurteilt, sodaß von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot keine Rede sein kann.

Die sohin teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach der Z 2, teilweise auch nach der Z 1 (iVm § 285 Z 2) des § 285 d Abs. 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).

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