Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch enthält, wurde Siegfried B***** - abweichend von der insoweit auf das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB und das Vergehen des versuchten Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - (nur) des letztbezeichneten Vergehens schuldig erkannt.
Darnach hat er in Wien versucht, seine minderjährigen Stieftöchter Michaela P***** und Karin P***** zur Unzucht zu mißbrauchen, indem er
1. im Frühjahr 1990 die am 7.März 1974 geborene Michaela P***** am Handgelenk nahm, festhielt und zweimal oder dreimal sagte: "So jetzt vögle ich dich", und sie, die sich zu Boden fallen ließ und schrie, bis zur Schlafzimmertür zog;
2. am 18.September 1991 zu der am 14.August 1977 geborenen Karin P***** sagte: "Na was willst, willst vögeln", ihr in das Schlafzimmer folgte, sie festhielt und umarmte und sie fragte, ob sie Angst vor ihm habe, sie weiterhin festhielt, dann die Schlafzimmertür schloß, und während sie auf das Bett stieg, wiederholt äußerte: "Zieh die Hose runter", er wolle sie "vögeln", und weiters äußerte: "wenn du nicht gleich die Hose runterziehst, zieh ich sie dir selber runter".
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil wird vom Angeklagten und vom öffentlichen Ankläger mit Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung bekämpft.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Der Angeklagte stützt seine Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO.
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) wendet er sich gegen die Ablehnung von Beweisanträgen, ohne jedoch eine hiedurch erfolgte Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte aufzeigen zu können:
Der Antrag auf Vernehmung der Zeugen Martina Kri*****, Sissi Hi*****, Brigitte Ha*****, Dr.Maria T*****, Erich und Gabi Kra*****, Franz und Ursula S***** sowie Alois Bl***** "zum Beweis dafür, daß der Angeklagte unschuldig ist, daß die Vorwürfe, die die Töchter heute neuerlich deponiert haben, unrichtig sind, und deshalb nach Einvernahme dieser Zeugen herauskommen muß, daß der Angeklagte freigesprochen wird" (S 147 und 149), zielte nach dem angegebenen Beweisthema und unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Antragstellung aktuellen Verfahrenslage nicht darauf ab, dem Gericht Wahrnehmungen dieser Zeugen über das Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit den ihm angelasteten Vorgängen zu unterbreiten. Vielmehr sollten diese Zeugen - wie eine Befragung des Angeklagten klarstellte - bekunden, daß dem Angeklagten die verfahrensgegenständlichen Taten nicht zuzutrauen seien ("daß es nicht möglich ist, daß ich so etwas mache"); des weiteren sollten diese Zeugen über "leicht mögliche" Äußerungen der Michaela P*****, wonach sie die Wohnung des Angeklagten haben wolle, befragt werden (S 149 und 151). Damit kommen aber die genannten Personen weder als Tatzeugen noch als Alibizeugen in Betracht, sodaß von ihrer Einvernahme Erkenntnisse über die Tatvorgänge nicht zu erwarten sind. Ihre Vernehmung war demnach - wie das Schöffengericht zutreffend erkannte - zur Klärung des angeklagten Sachverhalts nicht erforderlich. Soweit die Beweisaufnahme deshalb beantragt wurde, weil diese Zeugen möglicherweise ein vom Angeklagten als Erklärung für die Anschuldigungen angeführtes Verlangen der Michaela P***** nach der Wohnung bestätigen könnten, handelt es sich insoweit lediglich um einen bloßen Erkundungsbeweis, dessen Durchführung ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben durfte.
Bei dem weiteren Beweisantrag, jene aus dem Akt ersichtlichen Personen, welche die Kinder einvernommen hatten, zum Beweis dafür zu vernehmen, "daß aus den damaligen Einvernahmen mit den Kindern herausgekommen ist, daß diese Belastungen aufgrund Anleitungen Erwachsener von den Kindern vorgenommen wurden, damit Michaela P***** in die Wohnung einziehen kann, was ihr insofern jetzt bereits gelungen ist" (S 149), blieben die Aktenvermerke unbeachtet, in denen die bezeichneten Personen einen in die gegenteilige Richtung weisenden Eindruck über die Glaubwürdigkeit der Angaben festgehalten haben (S 22 und 70). Unter diesen Umständen wäre es Sache des Antragstellers gewesen, die Tauglichkeit der begehrten Beweisaufnahme zur Erzielung des angestrebten Ergebnisses durch ein zusätzliches konkretisiertes Vorbringen aufzuzeigen. Mangels eines derartigen ergänzenden Vorbringens im Beweisantrag wurde dieser aber zu Recht wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen.
Letztlich war es auch nicht geboten, dem Antrag auf "Beiziehung eines Sachverständigen zum Beweise dafür, daß die drei Mädchen (gemeint: die Schwestern Michaela P*****, Karin P***** und Claudia Bl*****) nicht wahrheitsliebend sind" (S 151) zu entsprechen. Eine psychiatrische oder psychologische Begutachtung von unmündigen oder jugendlichen Zeugen in Ansehung ihrer Aussageehrlichkeit - wie dies (bei weitgehender sinngemäßer Ergänzung einer Prozeßerklärung des Verteidigers) beantragt wurde - kommt (das hier nicht einmal behauptete Einverständnis des gesetzlichen Vertreters der Zeuginnen oder eines Kollisionskurators - Mayerhofer-Rieder StPO3 § 150 E 50, 56 - vorausgesetzt) nur dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß die Zeugen erkennbar besondere, vom normalen Erscheinungsbild ihrer Altersstufe abweichende Züge oder Eigenschaften aufweisen oder wenn die Verfahrensergebnisse auf Veranlagungen oder Neigungen hinweisen, deren Begutachtung durch einen Experten für die Beweiswürdigung allenfalls erheblich sein kann (Mayerhofer-Rieder aaO § 150 E 41, 43, 46 f). Solche besonderen Umstände im dargelegten Sinn wurden bei Stellung des Antrages nicht bezeichnet. Sie ergaben sich auch nicht aus dem Sachzusammenhang, weil es - entgegen dem generalisierenden Vorbringen - nicht zutrifft, daß "derartige Behauptungen von Kindern immer den Verdacht von Entwicklungsstörungen und Charakterstörungen in sich bergen".
Die Mängelrüge und die Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) gehen von der unrichtigen Voraussetzung aus, daß das Erstgericht bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Michaela P***** nicht auf das Verteidigungsvorbringen eingegangen sei, wonach das Mädchen wegen des Strebens nach einer eigenen Wohnung unrichtige Bezichtigungen geäußert habe. In Wirklichkeit wurde jedoch dieser Gesichtspunkt vom Schöffengericht in die Urteilserwägungen einbezogen und ohne Verstoß gegen die Logik gewürdigt (US 7 f und 10 f). Mit der von den Urteilsgründen abweichenden Beschwerdeargumentation, welche noch dazu den Begriff einer (nur bei zitierender Wiedergabe des Inhalts von Urkunden oder Aussagen in Betracht kommenden) "Aktenwidrigkeit" verkennt, wird weder ein Begründungsmangel dargetan, noch werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten, keineswegs forensischen Erfahrungen widerstreitenden maßgeblichen Tatsachenfeststellungen aufgezeigt.
Auch die Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit a) ist nicht zielführend; denn es trifft nicht zu, daß das als erwiesen angenommene Verhalten des Angeklagten, bezogen auf den angestrebten Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses, nur straflosen Vorbereitungshandlungen entsprach.
Die festgestellten körperlichen Annäherungen des Angeklagten an die beiden Mädchen und seine auf geschlechtliche Betätigung abzielenden Äußerungen sollten tatplangemäß in unmittelbarer Folge zu einem sexuellen Kontakt führen. Diese von der Beschwerde als "unverbindliche Vorschläge" charakterisierten Verhaltensweisen stellten sehr wohl über die Vorbereitungsstadien der Taten hinausgehende nachhaltige Versuche des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses dar. Der Angeklagte forderte die beiden Mädchen durch Festhalten und durch eindeutige Äußerungen auf, mit ihm sogleich einen Beischlaf zu vollziehen. Damit wurde sein Tatentschluß, die minderjährigen Stieftöchter zur Unzucht zu mißbrauchen, bereits durch eine der Tatausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (§ 15 Abs. 2 StGB), stand doch sein Vorgehen mit der jeweils geplanten Tat in einem derart sinnfälligen Zusammenhang, daß es direkt auf sie ausgerichtet war und nach den Zielvorstellungen des Täters ohne ins Gewicht fallende Zwischenetappen in die Tatausführung übergehen sollte. Diese Ausführungsnähe bestand unabhängig davon, daß nach dem Tatplan zur Deliktsvollendung auch eine bestimmte, noch nicht vorliegende Reaktion des Opfers erwartet wurde, weil der Einwilligung des ausersehenen Unzuchtspartners nicht die Bedeutung eines eigenständigen, für den unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausführungshandlung entscheidenden Zwischenstadiums zukommt. Vielmehr ist die Aufforderung zu Unzuchtsakten an ein hiezu nicht bereites und auch nicht zu überredendes Opfer eine die Überschreitung der entscheidenden Hemmschwelle für die Tatausführung dokumentierende Betätigung, die bei zeitlicher und aktionsmäßiger Nähe des Unzuchtsmißbrauchs im unmittelbaren Vorfeld der Ausführung liegt. Der Tatbeurteilung als in beiden Fällen zu verantwortender Versuch des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses haftet daher ein Rechtsirrtum nicht an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist somit in keinem Punkt berechtigt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil insoweit, als eine Subsumtion der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten auch als versuchte Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 2 StGB unterblieben ist.
In der Mängelrüge (Z 5) wendet sich die Anklagebehörde gegen den erstgerichtlichen Ausspruch, der Angeklagte habe bei diesen Taten die Gewalt nicht mit dem Vorsatz eingesetzt, den Willen der Opfer zu überwinden (und den gewollten Geschlechtsverkehr zu erzwingen).
Die hiezu vorgetragene lapidare und nahezu substanzlose Beschwerdeargumentation, das Erstgericht habe sich einer isolierten Betrachtungsweise bedient, die nach den Gesetzen logischen Denkens mit den getroffenen Feststellungen in einem offenen Widerspruch stehe, ist nicht stichhältig.
Das Schöffengericht begründete seine Feststellungen zur inneren Tatseite im wesentlichen damit, daß die körperlichen Einwirkungen des Angeklagten auf die Mädchen ihrer Intensität nach nicht den Zweck erkennen ließen, ernst gemeinten Widerstand gegen einen Geschlechtsverkehr zu überwinden. Daraus leiteten die Tatrichter den Schluß ab, daß der Angeklagte gar nicht mit einem Widerstand der Mädchen rechnete und den Einsatz von Gewalt für sein Vorhaben nicht in Betracht zog. Diese Überlegungen lassen keinen Verstoß gegen die Denkgesetze erkennen, weshalb der eingewendete Mangel einer unzureichenden Begründung nicht vorliegt. Die Beschwerdebehauptung, daß die Betrachtungsweise des Erstgerichtes mit den Feststellungen im Widerspruch stehe, kann unter den hier gegebenen Umständen auch nicht als Bezeichnung eines anderen in der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO umschriebenen formellen Begründungsmangels angesehen werden, sondern bloß als eine zur Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes ungeeignete Kritik an der Lösung einer Tatfrage.
Da somit die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte zur Erreichung des sexuellen Mißbrauchs gegen die Opfer keine Gewalt einsetzen wollte, der unternommenen Anfechtung standhält, ist es für die Tatbeurteilung ohne Bedeutung, ob sein bereits verwirklichtes Vorgehen - nämlich insbesondere das Festhalten der Mädchen und in einem Fall das Ziehen bis zur Schlafzimmertüre - aus objektiver Sicht als Gewalt in der Bedeutung des § 201 Abs. 2 StGB anzusehen gewesen wäre. Im Hinblick auf die Verneinung eines den Einsatz von Gewalt umfassenden Vorsatzes könnte nämlich eine Beurteilung als versuchte (minderschwere) Vergewaltigung keinesfalls in Betracht kommen. Die Subsumtionsrüge (Z 10) der Staatsanwaltschaft, mit der die Beurteilung des festgestellten Vorgehens des Angeklagten als eine derartige Gewalt angestrebt wird, geht demgemäß ins Leere und vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Auch der Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde kommt daher keine Berechtigung zu.
Zu den Berufungen:
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 212 Abs. 1 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe.
Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Begehen zweier Delikte (derselben Art) und eine einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen den Umstand, daß es (in beiden Fällen) beim Versuch blieb. Die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht versagte es dem Angeklagten vor allem im Hinblick auf sein Vorleben, das die Annahme nicht zulasse, die bloße Androhung der Freiheitsstrafe werde allein oder in Verbindung mit einer anderen Maßnahme genügen, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Während die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung eine Erhöhung des Strafausmaßes anstrebt, begehrt der Angeklagte in seiner Berufung die Herabsetzung des Strafausmaßes und eine gänzliche oder zumindest teilweise bedingte Strafnachsicht.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst ist festzuhalten, daß der Angeklagte nicht - wie das Erstgericht annimmt - eine, sondern zwei einschlägige Vorstrafen aufweist, die in seinem devianten Sexualverhalten wurzeln: Neben der vom Erstgericht herangezogenen Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 31.August 1982, GZ 9 e Vr 11.951/80-49, wegen (ua) Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB aF und Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB aF wurde der Angeklagte mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21.Jänner 1975, GZ 15 b E Vr 2144/74-10, ua wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB verurteilt, weil er am 20.Oktober 1974 - also noch während der Geltung des StG 1945 - seine damalige Ehefrau Edith Bi***** durch gefährliche Drohung und Gewalt zum ehelichen Geschlechtsverkehr nötigte.
Davon abgesehen wurden jedoch vom Erstgericht die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt.
Das in der Berufung der Anklagebehörde besonders hervorgehobene einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten hat im Hinblick darauf, daß seit der letzten Strafverbüßung mehr als acht Jahre verstrichen sind, doch nicht mehr jenes Gewicht, das ihm von der Staatsanwaltschaft beigemessen wird. Dieser Zeitraum rechtfertigt aber andererseits entgegen der Meinung des Angeklagten auch keine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe.
Dem Begehren, die Strafe bedingt oder zumindest teilbedingt nachzusehen, kann deshalb nicht nähergetreten werden, weil angesichts des Vorlebens des Angeklagten, mögen die Vorstrafen auch länger zurückliegen, die Annahme, die bloße Androhung einer Vollziehung der gesamten Strafe oder eines Teiles hievon werde genügen, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, nicht gerechtfertigt ist.
Aus den angeführten Gründen war auch beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen.
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