OGH 15Os146/88

OGH15Os146/8829.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Tegischer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Doris B*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4.August 1988, GZ 35 Vr 1073/88-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last. Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Doris B*** wurde mit dem bekämpften Urteil des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt, weil sie (I) am 6.Dezember 1987 in Aachen eine große Menge Suchtgift in die Bundesrepublik Deutschland einführte, nämlich 9,3 Gramm Cannabisharz, 19,12 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 6,4 Gramm Hydrochlorid und 13,1 Gramm Cocain, sowie (II) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG Suchtgifte erwarb und besaß, und zwar (1) am 5.Dezember 1987 in Amsterdam durch Erwerb und Verbrauch unbekannter Mengen von Cannabisharz, Morphin, Codein und Cocain und

(2) im Verlauf der Jahre 1985 bis 1987 in Fiss durch den wiederholten Erwerb und Verbrauch von Cannabisharz.

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (I) gerichteten, auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zur Verfahrensrüge (Z 4) ist sie deshalb nicht legitimiert, weil sie in der Hauptverhandlung keinen Antrag auf Einholung eines von ihr nunmehr begehrten psychiatrischen Sachverständigengutachtens gestellt hatte (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 1, 4, 15 zu § 281 Abs. 1 Z 4 uva). Das gesetzliche Erfordernis einer derartigen (erfolglos gebliebenen) Antragstellung (oder eines Widerspruches) als Voraussetzung für die Geltendmachung einer Verfahrensrüge kann nicht, wie die Beschwerdeführerin vermeint, durch den Hinweis auf § 3 StPO substituiert werden.

In ihren (ineinander vermengten) Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) und der Tatsachenrüge (Z 5 a) behauptet die Beschwerdeführerin, das Erstgericht habe "weder die Frage der Zurechnungsfähigkeit noch Zurechnungsunfähigkeit beantwortet". Dies jedoch zu Unrecht. Denn das Erstgericht stellte unter ausdrücklicher Ablehnung der bezüglichen Verantwortung der Angeklagten fest, daß sie weder von einem "A***" bestimmt wurde, für ihn Suchtgifte nach München zu transportieren und es sich bei ihr nicht um ein von "A***" willenlos gemachtes Opfer handelte, sie vielmehr ihrem Plan entsprechend das in Amsterdam erworbene Suchtgift mit dem (weiteren) Vorhaben, es nach Österreich zu bringen, nach Deutschland einführte (US 4, 5, 7, 8). Das Schöffengericht begründete diese Konstatierungen denkmöglich mit den Begleitumständen der Reise und der Wahl der das Reiseziel Amsterdam verschleiernden Rückreiseroute (US 6, 8).

Auf den bei der ärztlichen Untersuchung kurz nach der Tat erstellten Befund (S 57) mußte das Schöffengericht, das ohnedies konstatierte, daß bei der am 6.Dezember 1987 um 7,40 Uhr entnommenen Urinprobe Suchtgifte nachgewiesen wurden (US 5), nicht gesondert eingehen, wurde doch darin neben der - von der Angeklagten nunmehr herausgestellten - apathischen Stimmung und einem gestörten Denkablauf auch konstatiert, daß die Sprache unauffällig sowie die zeitliche und örtliche Orientierung erhalten war; weiters wurde ihr Verhalten als eingeordnet gewertet und außerdem ihre Vernehmungsfähigkeit und Haftfähigkeit festgestellt, sodaß insgesamt gesehen aus diesem Befund keine Indizien für eine Zurechnungsunfähigkeit abzuleiten waren.

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird weder ein Begründungsmangel (Z 5) dargetan (Mayerhofer/Rieder, StPO2 E 147 zu § 281 Abs. 1 Z 5 uva), noch werden damit irgendwelche sich aus den Akten ergebende Umstände aufgezeigt, die geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5 a) zu begründen.

Soweit die Beschwerdeführerin gegen die Urteilsfeststellungen, wonach sie nach Amsterdam fuhr, um Suchtgift einzukaufen - eine "Planung von Suchtgiftschmuggel in größerem Stil" wurde in dieser Form gar nicht konstatiert - und gegen die Bezeichnung "Suchtgiftkurier" mit dem Vorbringen ankämpft, es sei damit ihrer Tat ein zu hoher Schuldgehalt beigemessen worden, der "somit auch auf die Strafbemessung Einfluß" genommen habe, releviert sie erklärtermaßen keine für die Wahl des anzuwendenden Strafgesetzes oder des anzuwendenden Strafsatzes entscheidende Tatsachen, sondern macht in Wahrheit nur Umstände geltend, die im Rahmen einer Entscheidung über die Berufung von Bedeutung sein könnten. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a und 10) wird von der Beschwerdeführerin nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Sie verläßt nämlich insoweit unzulässiger Weise den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und vergleicht nicht diesen mit dem Gesetz, sondern eine ihr genehmere Hypothese, indem sie die vom Schöffengericht, wie schon dargelegt, festgestellte Annahme der Zurechnungsfähigkeit verneint und wieder unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz die Annahme der Zurechnungsunfähigkeit fordert. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin wurden vom Schöffengericht auch keine für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt oder in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen (Z 11 zweiter und dritter Fall).

Soweit sie in diesem Rahmen für sich in Anspruch nimmt, das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG sei beim Versuch geblieben, irrt sie und weicht von den Urteilsfeststellungen ab, nach denen die Einfuhr des Suchtgiftes nach Deutschland mit dem Überschreiten der belgisch-deutschen Grenze in die Entwicklungsstufe der Vollendung eingetreten war.

Darin, daß das Schöffengericht in den voneinander abweichenden Verantwortungen der Angeklagten keinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Z 17 zweiter Fall StGB) sah, liegt keine offenbar unrichtige Beurteilung einer für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsache; auch durch die Nichtannahme einer "erheblich verminderten Zurechnungsfähigkeit" wurde dieser Nichtigkeitsgrund nicht verwirklicht.

Soweit sich die Beschwerdeführerin aber gegen die Versagung bedingter Strafnachsicht aus generalpräventiven Erwägungen als dem "Prinzip des Tatstrafrechtes (§ 4 StGB)" (wobei sie offenbar das Schuldstrafrecht im Auge hat) widersprechend wendet und dabei ersichtlich den dritten Fall des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO releviert, ist ihr mit dem Hinweis auf die durch das Gesetz gebotene Beachtung generalpräventiver Erwägungen bei bedingter Strafnachsicht und bedingter Nachsicht eines Teiles der Strafe zu begegnen (§§ 43 Abs. 1, 43 a Abs. 1 bis 4 StGB - vgl jüngst RZ 1988/59). Diesen Grundsätzen ist das Schöffengericht mit auf den vorliegenden Fall abgestellten konkreten Erwägungen und keineswegs bloß etwa nur schematisch nachgekommen. Die Frage, welches Gewicht dieser nach dem Gesetz anzustellenden Erwägung in Relation zu weiteren für die Entscheidung über eine bedingte Strafnachsicht maßgeblichen Umständen hat, fällt einer Prüfung im Rahmen eines Berufungsverfahrens zu.

Aus den angeführten Gründen war somit die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten sofort bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO). Die Entscheidung über die Berufung fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck § 285 i StPO).

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